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Selbsthilfegruppe für Alleinlebende in Dresden: "Umso länger man allein lebt, desto schwerer wird es"

In Dresden hat sich eine Selbsthilfegruppe für Alleinlebende gegründet. Für Gründerin Michaela Natea ist es nicht die erste Gruppe. Wie sie dazu kam und was sie sich wünscht.

Von Elisa Schulz
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Michaela Natea gründet und leitet Selbsthilfegruppen für Alleinlebende in Dresden.
Michaela Natea gründet und leitet Selbsthilfegruppen für Alleinlebende in Dresden. © Christian Juppe

Dresden. Die Tage werden kürzer, die Adventszeit steht vor der Tür. Für die meisten beginnt jetzt die Zeit des Zusammenseins und der Gemeinschaft. Für andere beginnt jetzt allerdings auch eine Zeit der Einsamkeit. An manchen Tagen gilt das auch für Michaela Natea. Eigentlich wirkt die zierliche, etwas schüchterne Frau mit den markanten Augen als ruhe sie in sich selbst. Vielleicht reicht das manchmal nicht zum Glücklichsein. Wenn andere mit der Familie gemütlich unterm Weihnachtsbaum sitzen, ist Michaela Natea allein.

Doch dafür hat sie eine Lösung gefunden: Die 67-Jährige ist Gründerin der Selbsthilfegruppen für Alleinlebende in Dresden. Für die zierliche Frau ist das nicht die erste Gruppe. Schon 2012 hat sie eine in Dresden gegründet. Später dann acht weitere in Wismar an der Ostseeküste.

Michael Natea lebt selbst allein und will mit ihren Angeboten einen Weg aus der Einsamkeit aufzeigen. "Ich habe sehr viel ausprobiert", sagt die Rentnerin, "bin auch selbst zu Selbsthilfegruppen gegangen". All das war aber nichts für sie. "Am Wochenende und zu Weihnachten war ich trotzdem allein."

Zehn bis 20 Prozent der Deutschen sind chronisch Einsam

Viele Menschen fühlen sich einsam, aber kaum jemand traut sich, offen darüber zu sprechen. Dabei sind es Umfragen zufolge zehn bis 20 Prozent der Deutschen, die von chronischer Einsamkeit betroffen sind. Besonders junge Erwachsene zwischen 18 und 29 Jahren, sowie Menschen im hohen Alter ab 80 Jahren sind allein. So sagt es der Einsamkeitsbericht des Bundestages.

Die Selbsthilfegruppen von Michaela Natea sind für alle offen. "Wir haben Menschenkinder von Mitte 40 bis Anfang 80 bei uns in den Gruppen", sagt sie. Das Wort "Menschenkind" benutzt sie beim Gespräch immer wieder.

Nach der Gründung ihrer ersten Gruppe zog sie für acht Jahre an die Ostseeküste nach Wismar. "Nachdem ich angekommen war und meine Kisten ausgepackt hatte, wollte ich dort auch Selbsthilfegruppen gründen", sagt sie. "Wir haben sie nach den Wünschen der Teilnehmer aufgeteilt." Dabei entstanden gemischte Kreise, bei denen die Teilnehmer zwischen 40 und 80 Jahre alt waren, Gruppen für Berufstätige und für Ältere. "Und eine Männergruppe", die 67-Jährige lächelt. "Aber denen wurde es irgendwann zu langweilig und dann holten sie sich doch ein paar Damen dazu."

Im Norden Deutschlands sind die Menschen besonders einsam

Der große Zuspruch für Michaela Nateas Gruppen spricht dabei an, was auch in der Bundestagsstudie klar zu erkennen ist: Gerade im Norden, an der Ostseekünste, sind die Menschen besonders einsam. Dresden pendelt sich im Mittelfeld ein. "Wir haben jetzt drei neue Gruppen in der Stadt gegründet", sagt Michaela Natea.

Knapp 60 Menschen hatten sich dafür am 28. Oktober in den Räumen von KISS, der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfegruppen eingefunden. Jetzt, wo die Angebote da sind, geht es um die Organisation und die Zuteilung. "Die Gruppen werden nach Wünschen und Interessen aufgeteilt", sagt Michaela Natea. Sie selbst hat sich einer fest angeschlossen. Den anderen steht sie als Geburtshelferin zur Seite, wie sie selbst sagt.

Sie hat sich der Freitagsgruppe angeschlossen. "Wir wollen reisen, wandern und Ausflüge machen", sagt sie. Die anderen beiden Gruppen wünschen es sich mit Spielnachmittagen und Kaffee entspannter. Die Geschichten der Teilnehmer stehen dabei nicht im Mittelpunkt. "Keiner muss etwas erzählen, wenn er nicht will", sagt Natea, "die Gründe, warum die Menschenkinder kommen, sind nebensächlich". Menschenkinder, da ist es wieder.

Rückschläge gab es trotzdem. "Ich habe mir Beulen geholt", sagt sie, "manche sind so einsam, dass ihre Erwartungshaltung zu groß wird". Deswegen gibt es Regeln in ihren Gruppen. Die erste besagt: Alles, was besprochen wird, bleibt in der Gruppe. "Dadurch entsteht Vertrauen", so Michaela Natea.

Die zweite Regel schließt aus, dass die Selbsthilfegruppen zum Raum für religiöse oder politische Diskussionen werden. "Es geht um die Individualität der Menschen", betont Michaela Natea. "Ich lade alle ein, ihre Waffen und Rüstungen vor der Tür abzulegen und als Mensch einzutreten."

"Alle, die kommen, sind Heldinnen und Helden"

Sie ist stolz auf diejenigen, die den Weg in die Gruppen finden. "Alle, die aufstehen und kommen, sind Heldinnen und Helden", sagt die 67-Jährige. Allein leben bedeutet für sie die Gefahr, einsam zu werden. "Umso länger man allein lebt, desto schwerer wird es." Chronische Einsamkeit kann sich auf die Gesundheit und Lebenserwartung auswirken. Umso wichtiger ist es "Aufstehen – rausgehen", sagt Natea.

Für ihre erste Reise mit ihrer neuen Selbsthilfegruppe hat sie auch schon einen Wunsch: "Ich möchte gern eine Frankreich-Rundreise machen. Die Lavendelblüte sehen." Sie hat dafür auch schon einen Mitreisenden gefunden. Michaela Natea freut sich: "Das Leben ist wunderschön, wir müssen nur hingehen."

In diesem Jahr wird es keine weiteren Gruppengründungen von Michaela Nateas Selbsthilfegruppen für Alleinlebende geben. Interessierte können sich trotzdem per E-Mail an [email protected] oder telefonisch unter 0351-4884999 an KISS wenden und sich auf eine Warteliste aufnehmen lassen.