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Von der Straße in die eigene Vonovia-Wohnung in Dresden

Reinhard Bergmann war viele Jahre lang wohnungslos. Mithilfe der Stadt Dresden fand er ein eigenes Zuhause und kann sein Glück noch immer kaum fassen.

Von Julia Vollmer
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Hunderte Menschen haben in Dresden kein eigenes Zuhause.
Hunderte Menschen haben in Dresden kein eigenes Zuhause. © Symbolfoto/Claudia Hübschmann

Dresden. "Als ich die Wohnung unten von der Straße aus gesehen habe, wusste ich sofort: Da möchte ich gern einziehen!" Reinhard Bergmann erinnert sich noch genau an diesen Tag im Juni 2021, als er zum ersten Mal mit seiner Sozialarbeiterin vor der Wohnung am Stadtrand von Dresden stand. Zum ersten Mal seit vielen Jahren sollte er wieder ein eigenes Zuhause haben. Nach vielen Jahren auf der Straße und in Wohnungslosenunterkünften ein eigenes Bett und eine Küche nur für sich.

Der 63-Jährige heißt eigentlich anders, möchte aber seinen Namen lieber für sich behalten und auch nicht so gern fotografiert werden. Seine Geschichte erzählen, wie er einer der ersten "Housing-First-Bewohner" in der Stadt wurde, möchte er trotzdem.

Die Bewohner haben die Mietverträge selbst unterschrieben

Seit gut drei Jahren gibt es ein gemeinsames Projekt des Dresdner Sozialamtes und des Großvermieters Vonovia, um den Menschen, die vorher obdach- oder wohnungslos waren, ein eigenes Zuhause zu schaffen. Es heißt "Housing First", also "Unterkunft zuerst". "Wir haben Housing First 2020 als Pilotprojekt gestartet, die ersten Mietverträge wurden 2021 unterzeichnet", sagt Christian Knappe, der zuständige Abteilungsleiter des Sozialamtes. Inzwischen leben fünf Klienten, davon zwei Frauen, in dauerhaft sicherem Wohnraum. Knappe will das Projekt gern weiterführen und ausbauen. Rund 330 wohnunglose Menschen zählt die Stadt aktuell.

Die Wohnungen befinden sich in Seidnitz, Leubnitz-Neuostra, Löbtau, Gorbitz und der Inneren Neustadt. "Alle Klientinnen und Klienten haben den Mietvertrag selbst geschlossen, getragen werden die Mietkosten meist vom Sozialamt beziehungsweise dem Jobcenter Dresden", erzählt Knappe. Es gab auch Kritik aus der Dresdner Sozialarbeiter-Szene, dass es zu viele Ausschlusskriterien beim Dresdner Housing-First-Projekt gebe, unter anderem schwerwiegende Suchtprobleme. Knappe sagt dazu: "Eine Suchterkrankung ist kein grundsätzliches Ausschlusskriterium. Es darf nur die Fähigkeit, Absprachen einzuhalten, nicht erheblich beeinträchtigen."

Christian Knappe, Abteilungsleiter im Sozialamt, will das Projekt "Housing First" gerne weiterführen.
Christian Knappe, Abteilungsleiter im Sozialamt, will das Projekt "Housing First" gerne weiterführen. © René Meinig

"Ich stand dann plötzlich da mit drei Koffern und einem Rucksack"

Reinhard Bergmann kann sein Glück, in seiner eigenen Wohnung zu leben, manchmal noch immer nicht fassen. Das spürt man in den Gesprächen mit ihm. "Ich bin der Stadt sehr dankbar und meiner Sozialarbeiterin, denn ich habe auch schwere Zeiten hinter mir", sagt er.

Gearbeitet hat der Dresdner eigentlich immer. Auf Montage, als Gerüstbauer, als Hausmeister. Handwerken und Bauen und Basteln sind seine Leidenschaften. Doch nach einer unschönen Scheidung verlor er nicht nur seine Frau, sondern auch die Wohnung.

"Ich stand dann plötzlich da mit drei Koffern und einem Rucksack", erinnert er sich. Nach mehreren Stationen landete er im Wohnungslosenheim der Stadt auf der Hubertusstraße. Doch einfach war das Zusammenleben dort in Zweibettzimmern mit anderen Männern nicht immer für ihn. "Ich wollte trotz allem wohnen und nicht hausen und habe immer darauf bestanden, dass wir duschen und die Wäsche waschen", erzählt Bergmann.

Nach dem Wohnheim zog er in einer städtischen Wohnung für Wohnungslose wieder mit jemanden zusammen. Ab und an Reibereien gab es auch dort. Bis ihn dann seine Sozialarbeiterin auf der Projekt "Housing First" aufmerksam machte. Bergmann war sofort begeistert, durfte sich Möbel aussuchen, die meisten aus dem Sozialkaufhaus. "Ich habe dann die Schränke ganz allein aufgebaut und auf meinem kleinen Balkon Laminat verlegt", erzählt er stolz.

"Heute helfe ich meinen Nachbarn beim Gardinen aufhängen"

Rat und Unterstützung bekommt er einmal in der Woche von seiner Sozialarbeiterin. Sie hilft ihm bei allen Anträgen für Sozialamt und Jobcenter. "Lesen und Schreiben fällt mir schwer, ich bin besser im Heimwerken", erzählt er mit einem Schmunzeln. "Wir öffnen zusammen die Briefe, gucken, was wir noch erledigen müssen und reden über alles, was anfällt", erzählt Streetworkerin Friedrich vom Sozialamt. Ihren Vornamen möchte sie nicht verraten. "Unsere Klienten war oft jahre- oder jahrzehntelang obdach- oder wohnungslos, wir müssen sie sanft an die Pflichten mit einer eigenen Wohnung wieder heranführen", sagt sie.

Auf Reinhard Bergmann ist sie stolz. "Er ist gut angekommen und hat viele Kontakte, auch in die Kirchgemeinde hier." Er selbst will jetzt ein bisschen was von der Hilfe, die er bekommen hat, zurückgeben. "Heute helfe ich meinen Nachbarn beim Gardinen aufhängen."