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Wenn Schule krank macht: "Spätfolgen der Lockdowns bei den Jugendlichen"

Immer öfter verweigern Dresdner Kinder und Jugendliche die Schule aus psychischen Gründen. Wie ein Projekt der Arbeiterwohlfahrt hilft, ins Klassenzimmer zurückzukehren.

Von Julia Vollmer
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Die Sozialarbeiterinnen und Pädagoginnen Kristin Sauer, Christina Piche und Elena Krügel (v.l.) vom AWO-Projekt Jobladen  helfen jungen Menschen im Jugendhaus Emmers in Dresden-Pieschen.
Die Sozialarbeiterinnen und Pädagoginnen Kristin Sauer, Christina Piche und Elena Krügel (v.l.) vom AWO-Projekt Jobladen helfen jungen Menschen im Jugendhaus Emmers in Dresden-Pieschen. © Marion Doering

Dresden. Spannende Bücher lesen, vielleicht Referate über historische Ereignisse erarbeiten, Freunde treffen - Schule sollte neben den alltäglichen Sorgen rund um Klassenarbeiten und Tests auch Spaß machen. Doch immer öfter macht Schule Kinder und Jugendliche in Dresden krank.

Sie leiden unter Leistungsdruck oder Mobbing durch Mitschülerinnen und Mitschüler. Die Betroffenen klagen häufig über Kopf- und Bauchschmerzen sowie über Schlafstörungen und Panikattacken. Und: Sie verweigern den Schulbesuch - Schulabsentismus nennen Mediziner das. Mit "Schwänzen" allerdings hat das kaum etwas zu tun, es ist den psychischen und körperlichen Problemen geschuldet.

Hunderte Betroffenen von Schulabsentismus

Beim Projekt "Jobladen" der Dresdner Arbeiterwohlfahrt (AWO) im Stadtteilhaus Emmers auf der Bürgerstraße kümmert man sich unter anderem um Jugendliche und junge Menschen, die mit diesen Sorgen zu kämpfen haben. "Wir sehen, dass immer mehr unserer Adressatinnen und Adressaten mit Schulabsentismus zu tun haben, viele verlassen die Schule dann ohne Abschluss", sagt Teamleiterin und Pädagogin Elena Krügel.

Ihre Kollegin Kristin Sauer ergänzt: "Wir beobachten immer noch Spätfolgen der Lockdowns bei den Jugendlichen." Die Sozialarbeiterinnen und Pädagoginnen suchen intensive Gespräche, hören zu und laden bei Bedarf auch die Eltern mit zu Gesprächen ein. Sie sehen auch Geschichten mit Happy End. "Ein Teilnehmer, der ohne Hauptschulabschluss vor Jahren zu uns kam, studiert heute, nach einem kleinen Umweg", erzählen sie.

Hunderte Kinder und Jugendliche sind von Schulabstinenz in Dresden betroffen. Für das Jahr 2022 benannte die Stadt 549 Fälle, davon 271 an Oberschulen, 61 an Gymnasien und 61 an Grundschulen. Die Ordnungswidrigkeiten können mit einer Geldstraße von bis zu 1.250 Euro bestraft werden. Im Jahr 2023 seien bis einschließlich 30. August genau 181 Bußgeldbescheide in Höhe von insgesamt 38.700 Euro an Schüler ergangen, so die Stadt.

Doch das Problem ist ein sachsenweites. So hat sich die Zahl der entsprechenden Ordnungswidrigkeitsverfahren im Freistaat seit 2006 etwa vervierfacht – 2018 wurden rund 7.000 Verfahren eingeleitet, so die Fachstelle der Stadt Dresden. Das erhöht auch die Zahl der Jugendlichen, die ohne Abschluss die Schule verlassen. In Sachsen waren 2018 gab es etwa 2.500 junge Menschen. Das waren 8,5 Prozent aller Schülerinnen und Schüler, die die Schule verließen.

Eine hohe Zahl von Fällen beobachtet seit Jahren auch der Mediziner Andreas Lachnit. "Manche von den Mädchen und Jungen, die wir hier behandeln, waren seit mehreren Monaten oder Jahren nicht mehr regelmäßig in der Schule", sagt er. Er ist Oberarzt für Psychosomatik und Psychotherapie in der Kinder- und Jugendmedizin am Krankenhaus Neustadt. Lachnit und sein Team behandeln Kinder und Jugendliche, die mit Symptomen kämpfen.

Junge Menschen sollen selbst Entscheidungen treffen

Das Team des "Jobladens" kümmert sich aber auch um andere Themen rund um die berufliche Zukunft junger Menschen, die den Weg zu ihnen finden. "Wir helfen zu allen Fragen rund um Schule, Ausbildung oder Arbeit und sind da, um zuzuhören und verurteilen und werten nicht", so Krügel.

Das Projekt bietet Beratung und Begleitung für Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 26 Jahren. Das Ganze ist kostenfrei und die Beratung erfolgt auf Wunsch anonym. In diesem Jahr feiert das Projekt seinen 25. Geburtstag.

Das Team um Elena Krügel, Kristin Sauer und Christina Piche unterstützt die jungen Menschen bei der Suche nach einem Praktikum, einer Ausbildung oder Arbeit sowie beim Nachholen von Schulabschlüssen. Bewerbungen können gemeinsam geschrieben werden, Vorstellungsgespräche geübt und vorbereitet und Anträge bei Behörden und Ämtern ausgefüllt werden. "Wir vermitteln den jungen Menschen auch, dass sie die Entscheidung über ihre Ausbildung oder Studienwahl treffen und nicht die Eltern, und dass es auch okay ist, nochmal den gewählten Weg zu wechseln", sagt Krügel.

Am 16. Januar von 16 bis 19 Uhr lädt das Team zum Workshop für Jugendliche: "Schulabschluss – und dann? Wie finde ich heraus, was ich nach der Schule machen möchte?".

In dem Workshop sollen verschiedene Wege, ob Ausbildung, Studium oder soziales Jahr, erklärt und Interessen und Stärken ergründet werden. Anmelden können sich die Teilnehmer unter 0351/4278920 oder [email protected].