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"Wir erleben, dass Kinder hungrig in der Schule sitzen"

Die Preise für Lebensmittel und Mittagessen in der Schule sind stark gestiegen, Familien kämpfen mit finanziellen Problemen. Der Verein "Brotzeit" aus Dresden will helfen, sucht dafür aber dringend Ehrenamtler.

Von Julia Vollmer
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Isabel Kochale vom Verein "Brotzeit" kümmert sich um eine gesunde Mahlzeit für Kinder n Dresden.
Isabel Kochale vom Verein "Brotzeit" kümmert sich um eine gesunde Mahlzeit für Kinder n Dresden. © Fotomontage: dpa / Matthias Rietschel

Dresden. In der Mathestunde knurrt der Bauch, die Konzentration ist schlagartig weg. Wenn Kinder und Jugendliche nicht genug essen, kann der Schultag zur Hürde werden. Doch die Preise für Lebensmittel und Schulessen sind zuletzt so stark gestiegen, dass einige Familien das nicht mehr stemmen können und ihre Kinder vom Essen in Schule und Kita abmelden mussten. Der Verein "Brotzeit" will sich dem Problem annehmen.

"Wir erleben, dass Kinder hungrig in der Schule sitzen, weil sie zu Hause nicht frühstücken und dann auch in der Schule kein Mittagessen bekommen", so Isabel Kochale von "Brotzeit". Ursachen sind oft finanzielle Sorgen oder Zeitdruck der Eltern, sodass für ein gemeinsames Essen keine Zeit bleibt. Die Kinder könnten sich in der Folge oft schlecht konzentrieren.

Ihr Verein gibt aktuell an sieben Schulen in Dresden ein kostenloses Frühstück aus, zwei weitere sollen in diesem Schuljahr noch starten. Mit dabei ist unter anderem das Förderzentrum "Makarenko". Der Verein konzentriert sich auf Grund- und Förderschulen. Das Prinzip: Mitessen kann jedes Kind, egal, wie es um die Einkommenssituation der Familie bestellt ist.

Der Verein sucht ehrenamtliche Helfer, die ihn bei diesem Vorhaben unterstützen. Gesucht sind Frühaufsteher, die zwischen 6.30 und 8.30 Uhr in den Schulen das Essen ausgeben können. Wer mitmachen will, kann sich unter [email protected] melden.

Gespendet wird das Essen von einer großen Supermarktkette. "Wir achten darauf, dass es Vollkornbrot, gesunde Aufstriche und wenig Zucker gibt", sagt Kochale. Mit dem gemeinsamen Essen soll nicht "nur der Magen gefüllt", sondern auch das Gemeinschaftsgefühl gestärkt werden.

Preise für Schulessen waren im Januar stark gestiegen

Zu Jahresbeginn waren viele Eltern schockiert über die Erhöhungen der Preise in den Schulen und Kitas. Diese waren zum 1. Januar stark gestiegen. Die meisten Anbieter nannten die Mehrwertsteueranpassung auf 19 Prozent einen Grund. Der Anbieter DLS, zum Beispiel, erhöhte zum 1. Januar auf 4,78 Euro und kündigt ab dem 1.1.2025 eine Erhöhung auf 4,84 Euro an.

Anbieter "Gourmetta" hatte im Januar eine Erhöhung auf fast sechs Euro angekündigt, je nach Gericht. Das musste die Firma jetzt aber zum Teil wieder zurücknehmen, etwa am Gymnasium Dreikönigschule in der Neustadt. Vorausgegangen waren Gesprächen mit der Schule und Stadt. Nun werden, je nach Gericht, zwischen 4,96 und 5,67 Euro fällig.

Fragt man Bildungsbürgermeister Jan Donhauser (CDU), wie es zu diesem Verhandlungserfolg kam, sagt er: "Der Anbieter hatte zwei Wochen vor Jahresende seine Informationen über die Preiserhöhungen zum Jahresbeginn an die Schulen versandt. Da unterjährige Erhöhungen durch die Schulkonferenz bestätigt werden müssen, hat das Amt für Schulen eine pauschale Erhöhung ab 1. Januar untersagt und darauf bestanden, dass alle 14 Schulkonferenzen im Januar und Februar abgefragt werden." Einige hätten die Erhöhung akzeptiert, einige abgelehnt. An diesen Schulen muss der alte Preis bis Schuljahresende bestehen bleiben.

Doch auch diese Preise sind für viele Dresdner Familie nicht leicht zu stemmen. Für Familien, die kein oder nur ein geringes Einkommen haben, kommt ein weiteres großes Problem hinzu. Es gibt mit dem Paket "Bildung und Teilhabe" die Chance, dass das Sozialamt die Kosten für das Mittagessen oder etwa Nachhilfe übernimmt. Doch dem Amt gelingt es weiter nicht, den riesigen Berg der Anträge abzuarbeiten. "Aktuell konnten 5.594 Anträge noch nicht bearbeitet werden", so das Sozialamt auf Anfrage. Bei weiteren 4.751 Anträge läuft die Bearbeitung noch.

Diese Lösungsvorschläge gibt es von Politikern aus Dresden

Hört man sich bei den Dresdner Stadträtinnen und Stadträten um, gibt es Vorschläge, wie die Eltern entlastet werden könnten. SPD-Stadträtin Anne Holowenko hält einen einen Preisdeckel, wie es ihn in Potsdam gibt, für das Schulessen für eine gute Lösung. "Seit September kostet dort ein Mittagessen maximal 3,90 Euro. Das wäre ein wichtiges Signal an die Familien in Dresden."

Linken-Stadträtin Pia Barkow sieht eine mögliche Lösung auf Bundesebene. "Der Bund sollte die Ergebnisse des Bürgerrates aufgreifen und Gelder einplanen, damit Kommunen das Mittagessen in der Schule kostenlos anbieten können", sagt sie.

Die CDU fordert dringend mehr Personal im Sozialamt, um die Anträge abzuarbeiten. "Familien, die auf die Unterstützung angewiesen sind, müssen umgehend ihre Bescheide erhalten - dafür muss zusätzliches Personal eingesetzt werden", so Matthias Dietze. Kein Kind dürfe deshalb vom Essen ausgeschlossen werden.