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Lärm-Urteil zum Dresdner Assi-Eck liegt vor

Seit Jahren schwelt der Konflikte zwischen Anwohnern und Feiernden in der Dresdner Neustadt. Nun soll die Stadt Dresden weiter aktiv werden.

Von Julia Vollmer
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Am Assi-Eck in der Neustadt treffen sich in den warmen Jahreszeiten viele Menschen.
Am Assi-Eck in der Neustadt treffen sich in den warmen Jahreszeiten viele Menschen. © Christian Juppe

Dresden. Immer wieder beschweren sich Anwohner über Lärm und Müll am "Assi-Eck" in der Neustadt. Das Oberverwaltungsgericht hatte die Stadt Dresden nach einer Klage von Anwohnern vor dem Verwaltungsgericht und einer Beschwerde der Stadt gegen die Klage bereits im Sommer des vergangenen Jahres aufgefordert, weitere Maßnahmen Zum Schutz der dort lebenden Menschen umzusetzen. Nun liegt das Urteil vom Dresdner Verwaltungsgericht vor.

Was steht in dem Urteil?

Das Verwaltungsgericht hat die Stadt nun im Hauptsacheverfahren zu "Maßnahmen zur Durchsetzung der Nachtruhe" verurteilt. Die Stadt muss handeln, "soweit und solange an den Wohnungen der Kläger zwischen 24 Uhr und 8 Uhr freitags und samstags, an den übrigen Wochentagen zwischen 22 Uhr und 7 Uhr des Folgetages Pegel von 62 dB(A) regelmäßig überschritten werden", heißt es in dem Urteil.

Die Anwohner hatten im Sommer 2021 wegen Ruhestörung in der Nacht geklagt.

Ordnungsbürgermeisterin Eva Jähnigen (Grüne) hat das Urteil am Montag den Fraktionen im Stadtrat zugesandt. 60 bis 80 Dezibel dB(A) sind etwa ein lautes Gespräch, oder ein vorbeifahrendes Auto.

Wie geht es jetzt weiter?

Jähnigen schreibt an die Stadträte, wie dieses Urteil praktisch umgesetzt werden könnte und welche Auswirkungen es auf eine aktuelle Vorlage zur Neufassung der Polizeiverordnung hat, werde derzeit noch ausgewertet. Auch ob ein Antrag auf Zulassung der Berufung Erfolgschancen hätte und ob ein Berufungsverfahren in der Sache zielführend erscheine, wolle sie prüfen.

Die Stadt wollte im Sommer 2022 den Alkoholkonsum am Eck verbieten, scheiterte aber am Stadtrat. In diesem Jahr wollte die Verwaltung mit dem Entwurf zur Polizeiverordnung über die Hintertür für Ruhe an der Ecke sorgen.

Ein Satz im Entwurf sorgte für heftige Debatten. Er lautet: "Während der Nachtruhezeiten ist jede Person verpflichtet, sich aus einer Menschenansammlung im öffentlichen Bereich zu entfernen oder von ihr fernzuhalten, wenn und solange von dieser Ansammlung unzumutbarer Lärm ausgeht." Die Stadt ruderte zurück, will den Entwurf intern weiter abstimmen. Jähnigen äußerte große Bedenken.

Wie war die Situation am Eck zuletzt?

Klar ist aber: Das Urteil zur Kreuzung Louisenstraße, Görlitzer Straße, Rothenburger Straße setzt die Stadt jetzt unter Zugzwang.

Ob Alkohol- oder Menschenansammlungsverbot - die Lage an der Neustadt-Kreuzung ist durchaus umstritten. So beklagen Stadträte und Sozialarbeiter, dass Verbote Probleme wie fehlende Freiräume und Treffpunkte für junge Menschen nicht lösen.

Zuletzt hatten Polizei, Ordnungsamt und Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) übereinstimmend berichtet, dass sich die Lage am Eck im Sommer 2022 deutlich beruhigt habe. Auch durch präventive Maßnahmen wie die Nachtschlichter, die Gespräche mit Feiernden und Anwohnern führten.

Wie reagieren die Stadträte auf das Urteil?

SPD-Stadtrat Vincent Drews sagt: "Das Urteil zeigt, wir haben ein Umsetzungsproblem bestehender Regeln. Es braucht keine neuen. Der Lärmschutz muss durchgesetzt werden." Dafür brauche es Prävention durch Nachtschlichter und Co., Zivilgesellschaft, die selbst darauf achte und umstehende Menschen anspreche, und Ordnungsbehörden, die dann zur Stelle sind, wenn die anderen Maßnahmen nicht mehr reichen.

So sieht das auch Grünen-Stadträtin Tina Siebeneicher: "Das Urteil bekräftigt, dass die geltenden Regeln zum Lärmschutz an der 'schiefen Ecke' durchgesetzt werden müssen, wie in anderen Stadtteilen auch. Dafür braucht es keine neuen Verbote." Bei Ruhestörungen müsse das Ordnungsamt entsprechend Bußgelder verhängen. Streetwork, Nachtschlichter und Projekte zur Stärkung der Nachbarschaft seien aber weiterhin sinnvoll zur Konfliktvermeidung, sagt sie.

Neustadt-Stadtbezirksbeirätin für die Piraten Anne Herpertz sieht in dem Urteil einen Beweis, dass es eine neue Polizeiverordnung, so wie es der aktuelle Entwurf vorsieht, nicht brauche. "Von Maßnahmen gegen alle Menschen in der Nähe statt nur gegen Störer findet sich im Urteil nichts - ganz anders, als die Stadt in der Polizeiverordnung behauptet hat."

FDP-Fraktionschef Holger Zastrow betont: "Erstens soll sich die zuständige Verwaltung nicht wieder einen schlanken Fuß machen. Es ist ja ursächlich Aufgabe der Verwaltung, geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Ich sehe da die Ordnungsbürgermeisterin in der Pflicht." Außerdem müssen Verwaltung und Politik die Frage beantworten, wo es denn Freiräume insbesondere für junge Leute und Besucher der Stadt geben könne, wenn selbst die Neustadt "immer mehr abgeriegelt wird".

Denn diejenigen, die als sie selbst jung waren, Freiräume in vollen Zügen genossen haben, wollen jetzt, da die älter geworden sind, ihre Ruhe haben, so Zastrow. Es gelte die Frage zu beantworten, ob die Neustadt noch ein Ausgehviertel sein wolle und ob Dresden überhaupt ein solches Viertel in Zukunft noch haben wolle.