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Erste Sommerbilanz zum Dresdner "Assi-Eck"

Der Dresdner Stadtrat hatte das geplante Alkoholverbot am Neustädter "Assi-Eck" abgelehnt. Hat sich die Situation auf der Kreuzung trotzdem entspannt? Wie Polizei, Ordnungsamt und Nachtschlichter die Lage einschätzen und wie die Saison endet.

Von Julia Vollmer
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Am Eck treffen sich viele Menschen zum gemeinsamen Abend.
Am Eck treffen sich viele Menschen zum gemeinsamen Abend. © Ronald Bonß

Dresden. Seit Jahren wird in der Neustadt über Lautstärke, Müll und Wildpinkler debattiert, immer wieder hatten sich Anwohnende beschwert. Im Frühjahr gipfelte die jahrelange Debatte im Vorschlag der Stadt, sowohl den Alkoholkonsum als auch den Verkauf am "Assi-Eck" und in den umliegenden Straßen zu verbieten.

Doch der Stadtrat lehnte dies ab. Da es eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes gibt, wonach die Stadt zwingend etwas gegen den Lärm tun muss, stellt sich nun die Frage, wie es an der Kreuzung Louisen-/Görlitzer-/Rothenburger Straße weitergeht. Gibt es die Probleme weiterhin? Eine erste Sommerbilanz.

Welche Bilanz ziehen die Nachtschlichter?

Im April haben die Nachtschlichter, die zwischen Feiernden und Anwohnenden vermitteln sollen, ihren Dienst begonnen, bis Ende Oktober sind sie an den Wochenend-Abenden vor allem am Eck, aber teilweise auch am Lutherplatz und Richtung Alaunpark unterwegs und suchen das Gespräch.

"Es ist in diesem Sommer ruhiger geworden und wir beobachteten auch eine Verlagerung des Geschehens in Teilen weg vom Eck in Richtung Martin-Luther-Platz, aber dort reguliert sich die Szene selbst und es nicht laut", sagt Florian Bölike. Wie schon das Ordnungsamt bemerken er und sein Team, dass immer weniger sogenannte Boom-Boxen genutzt werden. Diese hatten für viele Beschwerden von Anwohnern gesorgt. Solche tragbaren Lautsprecher funktionieren ohne Verbindung zum Stromnetz und können leicht die gesamte Neustadt-Kreuzung beschallen.

Die Polizei hatte die Boxen nach eigenen Angaben in diesem Sommer auch besonders konsequent eingezogen. "Wir beobachten aber auch, dass sich alles ein bisschen besser verteilt hat in diesem Sommer, weil die Clubs wieder offen sind", sagt Florian Bölike. Es seien, wenn überhaupt, immer nur einige wenige, die für Stress und Lärm an der Ecke sorgten.

Wie gehen die Nachtschlichter vor?

Wichtig sei es, mit den Feiernden einen Perspektivwechsel vorzunehmen, so die Nachtschlichter. "Wir besprechen mit den Menschen immer, dass über dem Eck auch Menschen wohnen, die schlafen wollen", sagt Bölike. Das funktioniere ganz gut. Er und sein Team erlebten auch, dass die Menschen, die sich an der Kreuzung aufhalten, "gut untereinander regulieren und aufeinander achten". Da würden etwa die Flaschensammler darauf hinweisen, dass die Glasflaschen bitte nicht zu Bruch gehen sollten. Die Scherben waren zuletzt auch nicht nur für die Anwohner, Kinder und Hunde ein Problem, sondern auch für die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB), deren Straßenbahnen der Linie 13 durch Szeneviertel fahren.

Das Problem der Wildpinkler sei nach wie vor vorhanden. "Wir weisen die Menschen dann immer auf die Initiative der Kneipen ´Nette Toilette´ hin", so Bölike.

Wie sehen Polizei, Ordnungsamt und DVB die Lage?

Die DVB schätzten die Situation zuletzt als viel entspannter ein als die Jahre davor. So auch die Polizei. "Im Vergleich zu 2021 ist bislang ein leichter Rückgang zu beobachten. Dies hängt vermutlich mit der Aufhebung von Corona-Beschränkungen für Clubs, Bars und Gaststätten zusammen, die zumindest einen Teil der bisher an der Kreuzung versammelten Personen angezogen haben", sagt ein Polizeisprecher.

Das Ordnungsamt sprach im August auf Anfrage ebenfalls von einer "leichten Entspannung" am Eck, sagt aber auch: "Die Situation wird seitens des Ordnungsamtes unverändert als unbefriedigend bewertet." So würden die von Mitarbeitern des Ordnungsamtes vorgenommenen Lärmpegelmessungen ergeben, dass es in diesem Bereich an fast jedem Wochenende zu laut sei. "Allein durch die bloße Anwesenheit der Personen vor Ort liegt der Lärmpegel regelmäßig bei 70 Dezibel."

Wie wird es am "Assi-Eck" weitergehen?

Wie die Stadt anstatt eines Alkoholverbots gegen den Lärm auf der Kreuzung vorgehen will, ist unklar. Bislang ist kein Plan kommuniziert worden, nachdem das Oberverwaltungsgericht entschieden hatte.

Klar ist, dass es im kommenden Jahr für die Nachtschlichter weitergehen soll. Der Antrag ist gestellt.

Seit Sommer gibt es auch wieder einen Neustadtkümmerer. Thomas Mickan bietet seitdem zusammen mit Florian Bölike von den Nachtschlichtern eine Kiezsprechstunde vor der Scheune an. "Beschwerden über Müll und Lautstärke haben wir dabei noch nicht gehört, eher Nachfragen nach dem Leben in der Neustadt oder, wie man wohnungslosen Menschen helfen könnte", erzählt Mickan. Am 1. November plane er eine Zukunftskonferenz für die Neustadt.

Johannes Schulz, Referent für Kriminalprävention in der Stadtverwaltung, meint, dass man neben der Neustadt und dem sogenannten Assi-Eck auch andere Stadtteile im Blick behalten sollte. "Es gibt immer einen sehr starken öffentlichen Fokus auf die Neustadt", sagt er. Niedrigschwellige Ansätze wie die Nachtschlichter könnten möglicherweise auch in Prohlis oder Gorbitz zur Konfliktlösung beitragen, sagt er.

Es wird gemalt, Musik gehört, auch Bier getrunken und geraucht bei "Kunst am Eck". Vielleicht ein Weg, den Ruf der Kreuzung zu bessern.
Es wird gemalt, Musik gehört, auch Bier getrunken und geraucht bei "Kunst am Eck". Vielleicht ein Weg, den Ruf der Kreuzung zu bessern. © SZ/Christoph Springer

Aktion zum Saisonfinale

Etwa zwei Dutzend Menschen, vor allem Neustädter, waren am Sonnabend stets vor Ort bei einer Abendaktion, für die Mickan und Bölike den Hut aufhatten. Zwei DJs machten elektronische Musik, gerade so laut, dass sie schon ein paar Schritte entfernt kaum noch zu hören war. An fünf Stehtischen konnte gemalt werden, fünf gebuchte Künstler waren dafür vor Ort, vor allem im Internet machte die Aktion zuvor die Runde. "Wir wollten ein Angebot machen", sagt Bölike und stellt fest, dass es angenommen wurde. "Musik gehört dazu, in Maßen", so der Chef der Nachtschlichter, die Ecke solle auch für etwas anderes stehen als Krawall und Ärger.

Dieses Angebot hat zum Beispiel Benjamin Butter aus dem Hechtviertel angezogen. "Im Sommer meide ich diesen Ort, da ist mir zu viel los", sagt der 32-Jährige, der Kunst studiert hat, "jetzt ist es angenehmer, entspannter". Sogenannte "Brennpunkte" zu bespielen, zum Beispiel mit solchen Aktionen, sei wichtig, nicht nur in der Neustadt. "Es muss doch mehr geben als Alkoholverbote und Polizeieinsätze." Er wünscht sich Kontinuität bei solchen Angeboten und auch Florian Bölike schließt nicht aus, dass es weitere solche Aktionen an der Ecke geben wird - im nächsten Jahr.