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Mit Lehm und Fachwerk: Junge Familie saniert altes Glöcknerhaus in Dresden

Mirko Greschitz saniert mit seiner Familie das 200 Jahre alte Glöcknerhaus in Dresden-Klotzsche. Dafür nutzt er besondere Methoden.

Von Theresa Hellwig
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Mirko Greschitz saniert, gemeinsam mit seiner Familie, das alte Glöcknerhaus in Altklotzsche. Der Dresdner greift dabei auf altertümliche Methoden und Materialien zurück.
Mirko Greschitz saniert, gemeinsam mit seiner Familie, das alte Glöcknerhaus in Altklotzsche. Der Dresdner greift dabei auf altertümliche Methoden und Materialien zurück. ©  Christian Juppe

Dresden. Immer wieder hebt Mirko Greschitz die Hand, um kurz Spaziergängern zu zuwinken. "Ich sage immer: Ich könnte hier auch den ganzen Tag am Zaun stehen - und mich mit den Leuten unterhalten", sagt der 36-Jährige. Keine Frage: Das Interesse ist groß. Die Leute aus der Nachbarschaft freuen sich.

Das ist kein Wunder, denn auf dem Grundstück, auf dem Mirko Greschitz steht, gibt es auch ständig etwas Neues zu entdecken. Er und seine Familie sanieren hier nämlich gerade das Glöcknerhaus der Alten Kirche Klotzsche.

Gebaut wurde das Fachwerkhaus etwa 1830. Gut 200 Jahre ist es also alt - und natürlich denkmalgeschützt. Über 160 Besucherinnen und Besucher kamen am Tag des offenen Denkmals vorbei, um sich über das Häuschen zu informieren. Und um es wieder bewohnbar zu machen, greift Mirko Greschitz zu altertümlichen und nachhaltigen Methoden.

An die Wände des Glöcknerhauses in Dresden-Klotzsche kommt Lehm

Um zu verdeutlichen, was er damit meint, führt der Dresdner durch das alte Haus. Ein erdiger Geruch liegt darin in der Luft. Die Wände sind noch roh, der Boden ebenfalls. Überall liegen Werkzeug und Baumaterialien, Planen, Balken. Mirko Greschitz betritt einen Raum, greift in einen Eimer und holt ein matschiges Gemisch hervor: Es ist Lehm. "Wir bringen Schilfrohr an die Wand und verputzen mit Lehm", erklärt er. "Da krallt sich der Lehm quasi fest; das Schilf ist also der Putzträger." In dem Lehm befindet sich Stroh. Das Gemisch wird mit Wasser vermengt und auf die Wand aufgetragen. "Dort trocknet es und wird fest", sagt Mirko Greschitz.

Die alten Fenster in den Räumen werden restauriert und behalten Holzrahmen, anstatt dass sie durch neue ersetzt werden. Die Holzbalken in dem Haus werden durch neuere ersetzt, sofern sich die alten nicht retten lassen. "Sie werden mit einem Beil behauen, damit sie sich optisch an die alten angleichen", erklärt der Dresdner.

Und auch draußen, am Gebäude, hat die Familie auf altes Handwerk zurückgegriffen. Auf der Gartenseite sind die Holzbalken des Fachwerkhauses noch schwarz. "Die Balken sind komplett original, von 1830", erklärt Greschitz. Die Front des Hauses hingegen ist mittlerweile mit neuen, hellen Holzbalken ausgestattet. "Das wird durch die Sonne natürlich gegerbt." Die dunkle Farbe - ein natürlicher Insektenschutz, erklärt er. "Das Holz wird im Sommer über 50 Grad heiß, da hat kein Käfer eine Chance."

Noch sind die Wände roh - aber in wenigen Monaten will die Familie hier einziehen.
Noch sind die Wände roh - aber in wenigen Monaten will die Familie hier einziehen. © Christian Juppe
Die alten Kastenfenster sind restauriert worden - und nun doppelt verglast.
Die alten Kastenfenster sind restauriert worden - und nun doppelt verglast. © Christian Juppe
Ein Gemisch aus Stroh, Lehm und Wasser wird an die Wände gebracht.
Ein Gemisch aus Stroh, Lehm und Wasser wird an die Wände gebracht. © Christian Juppe
Beheizt werden die Räume mit einer Flächenheizung.
Beheizt werden die Räume mit einer Flächenheizung. © Christian Juppe
"Ein Naturkunstwerk", sagt Mirko Greschitz: Hier war einst ein Holzwurm am Werk.
"Ein Naturkunstwerk", sagt Mirko Greschitz: Hier war einst ein Holzwurm am Werk. © Christian Juppe
Mit dem Spachtel verteilt Maurer Armin Schubert (links im Bild) Lehm auf der Wand.
Mit dem Spachtel verteilt Maurer Armin Schubert (links im Bild) Lehm auf der Wand. © Christian Juppe
Im Hintergrund ist das Dach der Kirche zu sehen, zu der das Häuschen gehört. Im Haus selbst lebte einst der Glöckner mit seiner Familie.
Im Hintergrund ist das Dach der Kirche zu sehen, zu der das Häuschen gehört. Im Haus selbst lebte einst der Glöckner mit seiner Familie. © Christian Juppe

Auch am Dach hat sich schon viel getan. "Ich hatte jeden Dachziegel dreimal in der Hand", sagt Mirko Greschitz. Über Ebay Kleinanzeigen hat er sie gefunden. "In Lübben habe ich 1.500 Ziegel von einem alten Backhaus abgedeckt", sagt er. Die anderen Ziegel stammen aus Hohenstein-Ernstthal und aus Wittichenau. Ins Auto einladen, aus dem Auto holen, aufs Dach bringen: mindestens drei Handgriffe für jede der um die 5.000 Ziegel.

Dennoch: Nicht alles ist alt in dem Gemäuer. Ganz oben im Haus, auf dem Dachboden, ist gerade Maurer Armin Schubert am Werk. Seine Arbeitsweise wirkt wie einem Bilderbuch entsprungen. Unter dem Putz, den er aufträgt, verbirgt sich aber eben eine moderne Flächenheizung. Reste der Rohre sind noch zu sehen.

Altes Haus ist mit Erdwärme-Heizung ausgestattet

Beheizt wird das Haus schon bald mit Erdwärme. "Wir haben zwei Bohrungen auf dem Grundstück vorgenommen", erklärt Greschitz. 80 Meter ging es dabei in die Tiefe. "Wir holen die 14 Grad warme Luft nach oben." Eine Wärmepumpe nutzt die Energie dieser Luft, um das Haus zu heizen.

Die Idee dahinter? "Mir geht es um Nachhaltigkeit", sagt er. Alte Ressourcen werden weiterverwendet. Und auch den Klimawandel hat er im Hinterkopf: "Lehm hat kaum CO2-Emissionen", sagt er. "Das ist kein Vergleich zu beispielsweise Gipsputz." Auch die Erdwärme-Heizung ist klimafreundlich.

Zwei Bäder, zwei Kinderzimmer für die beiden Söhne, ein Wohnzimmer, ein Arbeitszimmer und ein Schlafzimmer entstehen in dem Haus. Die Räume verteilen sich auf 135 Quadratmeter. "Sicher, wir müssen uns reduzieren und aufs Wesentliche beschränken", sagt Mirko Greschitz. "Wir haben keine offene Essküche."

Mirko Greschitz kennt sich mit dem Bau von Fabriken aus

Das Haus sei schon immer eines von einfachen Leuten gewesen. So habe die Glöcknerfamilie, die hier lebte, lange nur ein Plumpsklo besessen. Erst 1991 sei das Gebäude mit einem Bad versehen worden.

Viel Energie, viel Zeit steckt die junge Familie jetzt in das kleine Haus. Und eben natürlich auch Geld: um die 400.000 Euro. Wann er das letzte Mal auf der Couch gesessen hat, um fernzusehen, das weiß Mirko Greschitz nicht, sagt er. Warum tut sich eine junge Familie das an? "Ich sehe das als Privileg, all dies erleben zu dürfen", sagt der Dresdner. Er arbeite in der Halbleiterindustrie und plane dort den Bau von Fabriken. Zum Beispiel war er am Bau der Infineon-Fabrik beteiligt. Mit Bauabläufen kennt er sich also aus. Von einem historischen Wohnhaus hingegen? - Eine persönliche Herausforderung.

Tatsächlich hatten er und seine Frau auch gar nicht unbedingt nach einem Haus gesucht. "Das Haus hat uns gefunden", sagt er und lacht. "Das Haus gehörte der Kirchgemeinde, in der wir Mitglied sind", erzählt er. "Dort wurde jemand gesucht, der sich dem annehmen möchte." Und was sollte schon passieren?

Für viele ist der Bau an dem alten Häuschen eine Herzenssache

Gemeinsam mit einem Makler besichtigte die Familie das Häuschen. "Er sagte damals zu uns, dass das schönste Haus sei, das er je verkauft hätte", erinnert sich Mirko Greschitz. Mit zwei Zimmerleuten, die auf Fachwerk spezialisiert sind, schaute er sich das Gebäude noch einmal an. "Beide sagten: Die Substanz ist gut."

Einer der beiden hatte Zeit, sich dem Projekt mit der Familie anzunehmen. Gemeinsam fanden sie noch einen Lehmbauer und einen Maurer. "Meine Helden", sagt Greschitz über die Truppe. Vieles weitere lief dann über Kontakte. Für viele sei die Arbeit an dem historischen Gebäude dann eine Herzenssache gewesen. Eines hatte die Familie dadurch nicht: Probleme, Handwerker zu finden.

Dennoch hat sich das geplante Einzugsdatum schon ein paarmal verzögert. Es dauert eben alles seine Zeit. Und gerade bei den altertümlichen Materialien seien die Bauarbeiten auch sehr wetterabhängig. Seit Juli 2022 baut die Familie - in diesem Juli, also zwei Jahre später, will sie nun wirklich einziehen. "Ein sportlicher Plan", sagt Mirko Greschitz, "aber ich weiß ja, was wir schon alles geschafft haben."