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Obdachlosenheim: "Bei uns schlafen auch Menschen mit Jobs, die Mietschulden haben"

Immer mehr Dresdner brauchen Hilfe in der Krise. Das berichten Sozialamt, Sozialarbeitende und die Suppenküche. Zu schaffen machen ihnen Zwangsräumungen und die hohen Lebensmittelpreise.

Von Julia Vollmer
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Thomas Wolter, Chef der Boofe auf der Hechtstraße in Dresden, kümmert sich um Wohnungslose. Er beherbergt auch Menschen, die einen Job haben und jeden Tag arbeiten gehen, sich aber das Leben in Dresden nicht mehr leisten können.
Thomas Wolter, Chef der Boofe auf der Hechtstraße in Dresden, kümmert sich um Wohnungslose. Er beherbergt auch Menschen, die einen Job haben und jeden Tag arbeiten gehen, sich aber das Leben in Dresden nicht mehr leisten können. © Sven Ellger

Dresden. Es ist schon bitterkalt in diesen Dresdner Novembernächten. Drei Grad über null zeigt das Thermometer gerade einmal an. Für Menschen, die keine eigene Wohnung haben, beginnt nun der schwere Winter.

Für die Betroffenen gibt es Übergangswohnheime wie "die Boofe" auf der Hechtstraße. Dort können sie schlafen, bekommen Essen und eine warme Dusche. Chef dort ist Thomas Wolter. "Wir haben 48 Plätze bei uns und beherbergen Frauen, Männer und Paare", sagt er.

Betreut werden die Menschen von Sozialarbeitenden, nachts ist ein Wachschutz da. "Wir nehmen aber rund um die Uhr Menschen auch, da wir auch Notschlafplätze für akute Hilfesituationen anbieten", so Wolter. "Bei uns schlafen auch acht Menschen zur Zeit, die einen Job haben und jeden Tag arbeiten gehen. Aufgrund von Mietschulden und negativen Schufa-Eintrag finden sie keine Wohnung", ergänzt seine Kollegin Cindy Mißbach. Oft seien sie von Zwangsräumungen betroffen.

Auch Familien übernachten im Dresdner Obdachlosenheim

Der Wohnungsmarkt in Dresden sei so angespannt, dass die Betroffenen kaum eine Chance hätten. "Manche unserer Bewohner leben schon seit fünf Jahren bei uns", sagt sie. Eine Maximaldauer, wie lange jemand im Übergangswohnheim bleiben darf, gibt es nicht, erklärt Christian Knappe, zuständiger Abteilungsleiter im Sozialamt. "Unserer Erfahrung bleibt ein Drittel bis zu einem Jahr, ein Drittel bis zu fünf Jahren und die anderen länger", so Knappe. Mitunter, so erzählt Wolter, werden auch Schlafplätze für die Betroffen nach Haft- oder Klinikentlassungen längerfristig angefragt.

In der Boofe leben aktuell auch zwei Familien mit Schulkindern. "Für Familien haben wir auch alles da an Einrichtung, wir sind vorbereitet", sagt Wolter. Bezahlt wird die Übernachtung in den Übergangswohnheimen in Dresden von Jobcenter und/oder Sozialamt. Die Boofe war der Startpunkt eines Rundganges von Sozialamt und Stadtbezirksamtsleiter Andre Barth zu Hilfsangebote in der Neustadt.

"Es muss in Dresden niemand draußen schlafen"

Die Zahl der Menschen, die Hilfe brauchen, nimmt leicht zu, beobachtet aktuell Christian Knappe vom Sozialamt. Von den 361 Übernachtungsplätze in acht Einrichtungen sowie 28 Wohnungen in Dresden sind 324 belegt. "Unsere Botschaft ist aber ganz klar: Es muss in Dresden niemand draußen schlafen, der das nicht will", sagt er. Es gibt in der Stadt 30 Notfallschlafplätze, die bei Bedarf noch aufgestockt werden könnten.

Der Neustädter Stadtbezirksamtsleiter Andre Barth beobachtet immer wieder Menschen in seinem Kiez, die auf der Straße schlafen müssen. "Im Alaunpark, unter den Elbbrücken oder an der Schiefen Ecke sehen wir die Betroffenen", so Barth. Er setzt sich dafür ein, dass die Menschen nicht vertrieben werden, sondern in Unterstützungsangebote vermittelt werden.

Quarantäne-Zimmer für Corona-Infizierte

Seit dem 1. November bieten die Dresdner Kirchgemeinden mit den Ökumenischen Nachtcafés wieder nächtliche Ruhemöglichkeiten für wohnungslose Menschen an. Zwischen 20 Uhr abends und 7 Uhr morgens gibt es bis zum 31. März die Möglichkeit zum Duschen, Wäsche waschen und Essen. Das kostet einen Euro pro Nacht.

"Wir haben pro Abend rund 15 bis 25 Gäste da", erzählt Nachtcafé-Sprecher Gerd Grabowski. In den Nachtcafés können alle Menschen schlafen, die Bedürftigkeit muss niemand per Dokument ausweisen. "Wenn wir Platz haben, weisen wir niemanden ab", sagt er.

Nach engmaschiger Testung der Gäste wie auch der Helferinnen und Helfer auf das Corona-Virus im letzten Winter soll in dieser Saison eine "anlassbezogene Testung" passieren. Wenn der Schnelltest positiv ausschlägt, gibt es Quarantäne-Zimmer. "Wir empfehlen in jedem Fall, im Nachtcafé Abstand zu halten und die Maske zu tragen", sagt Gerd Grabowski.

Wo gibt es noch Hilfe in Dresden?

Da neben Dresdnerinnen und Dresdnern auch Menschen aus dem europäischen Ausland die Nachtcafés nutzen, gibt es nun Wegbeschreibungen in bulgarischer, rumänischer, tschechischer, russischer und ungarischer Sprache. Nachtcafés gibt es unter anderem in der Dreikönigskirche, der Christophoruskirche Laubegast und der Kirchgemeinde Loschwitz. In Summe sieben Gemeinden machen mit.

Die Diakonie Dresden versorgt ebenso ganzjährig wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen. Auf der Mohnstraße 43 in Pieschen beraten die Mitarbeitenden zu Themen wie Miet- und Energieschulden, Räumungsklagen, vorübergehende Unterkunftsmöglichkeiten oder Beantragung von Leistungen.

Eine warme Mahlzeit und ein offenes Ohr von Sozialarbeiterin Anne Klawa bekommen die Menschen auch in der Suppenküche auf der Kamenzer Straße. "Der Zulauf ist durch die hohen Lebensmittelpreise aktuell groß und steigt. 40 bis 50 Männer, Frauen und Familien kommen täglich", sagt sie. Darunter seien viele Rentner, die von Altersarmut betroffen sind.