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"Selbstverletzendes Verhalten und Essstörungen sind vermehrt Themen bei Mädchen"

Carolin Pollack und Claudia Döring arbeiten in Dresden mit Mädchen, aber auch mit Lehrkräften und Sozialarbeitenden. Welche Herausforderungen sie beobachten.

Von Julia Vollmer
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Die Sozialarbeiterinnen Claudia Döring (li.) und Carolin Pollack.
Die Sozialarbeiterinnen Claudia Döring (li.) und Carolin Pollack. © Marion Doering

Dresden. Notenstress in der Schule, immer neue Phänomene bei den sozialen Netzwerken TikTok, Instagram und Co. und Probleme in den Familien. Auf den Dresdner Kindern und Jugendlichen lastet mitunter ganz schön viel Druck. Vor allem auch auf den Mädchen hier schnellen psychische Probleme und Essstörungen in die Höhe. Das beobachten auch Claudia Döring von der Fachstelle Mädchenarbeit und Sozialarbeiterin Carolin Pollack aus dem Stadtteilzentrum Emmers in Pieschen.

"Ungesunde Körperbilder in sozialen Netzwerken"

"Wir bemerken immer noch die Langzeitfolgen von der Corona-Pandemie, den geschlossenen Schulen und Freizeitmöglichkeiten", sagt Döring von der Fach- und Koordinierungsstelle Mädchenarbeit in der Dresdner Neustadt. Das führte mitunter bei den Kindern und Jugendlichen - auch bei Mädchen - zu Depressionen und Einsamkeit.

Dazu beobachte Carolin Pollack einen hohen Leistungsdruck in der Schule, von dem die Teenager, die das Emmers besuchen, berichten. "Gerade beim Wechsel auf die weiterführende Schule, also Oberschule oder Gymnasium, machen sich viele große Sorgen und entscheiden sich dann öfter für die Oberschule, weil sie sich dem Druck auf dem Gymnasium nicht gewachsen fühlen", erzählt Pollack. Beide Frauen bemerken auch, dass das selbstverletzende Verhalten, das "Ritzen", zugenommen hat und sie beobachten das häufiger bei den Mädchen. "Das ist für die Betroffene selbst, aber auch für die Fachkräfte, also Lehrkräfte und Sozialarbeitende, die mit den Mädchen zu tun haben, sehr herausfordernd", sagt Döring. Sie selbst berät die Fachkräfte zu Themen rund um die Mädchenarbeit. Aber auch Essstörungen seien immer wieder Thema. "Bei TikTok und Instagram werden oft sehr ungesunde Körperbilder gezeigt, hier ist es wichtig, mit den Mädchen ins Gespräch zu kommen", sagt Pollack.

Mit der Situation nach Corona beschäftigte sich auch eine Studie. Sichtbar wurde hier ein Unterschied zwischen den Geschlechtern und Diagnosen vor allem bei den Mädchen. Das zeigt die "Studie zur psychischen Gesundheit von sächsischen Schülern im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie", die 2023 vom Sozialministerium vorgestellt wurde.

Die vom IGES-Institut durchgeführte Studie konzentrierte sich auf Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 16 Jahren. Es standen psychisch kranke Kinder, die behandelt wurden, im Fokus – es ist also keine Vollerhebung der psychischen Situation aller sächsischen Kinder und Jugendlichen. Ausgewertet wurden alle in Sachsen bei den gesetzlichen Krankenkassen durch Ärzte oder Psychotherapeuten zwischen Anfang 2018 und Ende 2021 eingereichten Diagnosen. Zudem wurden Experteninterviews durchgeführt. Die Experten berichteten, dass ihre Kapazität auch schon vor der Pandemie ausgelastet war, Anfragen zugenommen und sie eher kränkere Kinder behandelt haben.

Nach Pandemiebeginn war der Neuzugang von Patienten bei Mädchen von durchschnittlich 3,1 Prozent auf 3,3 Prozent angestiegen und bei Jungen von 2,9 Prozent auf 2,8 Prozent gefallen. Das heißt, insgesamt sieben Prozent mehr Mädchen wurden neu mit einer psychischen Erkrankung diagnostiziert. Besonders auffällig war laut Studie die Altersgruppe der 15- bis 16-jährigen Mädchen. In engem zeitlichen Zusammenhang zur Pandemie stieg der Anteil Erkrankter an der Gruppe aller 10- bis 16-Jährigen bei Depressionen, Angststörungen und Essstörungen - vor allem bei den Mädchen - an, so die Studie. Bei den Jungen zeigten sich keine merklichen Veränderungen. Die Experten berichteten, dass der Schweregrad der Erkrankungen zugenommen habe und betonten die Bedeutung der Prävention und niedrigschwelliger Maßnahmen, vor allem im schulischen Bereich.

Genau hier setzen Carolin Pollack und Claudia Döring an. Carolin Pollack und ihre Kollegen im Emmers bieten einen offenen Treff und ein offenes Ohr für die Mädchen an , helfen bei Hausaufgaben. Und es gibt täglich kostenloses Mittagessen im Emmers. "Das wird sehr gut angenommen, denn viele Familien kämpfen mit den stark gestiegenen Preisen", sagt Pollack. Claudia Döring und ihr Team organisieren Aktionen zum Weltmädchentag oder den Kickerinnen-Cup, um auf die Themen rund um die Mädchenarbeit aufmerksam zu machen.