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Monatelanges Warten auf Hautarzt-Termin in Dresden: "Wir sind alle überlastet"

Dresdner Hautärzte fühlen sich überlastet – Patienten bekommen das bei der Terminvergabe zu spüren. Woran das liegt und warum sich die Lage noch verschärfen könnte.

Von Theresa Hellwig
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Facharztmangel in Dresden: Viele Dresdner sagen, dass sie nur schwer an einen Termin beim Hautarzt gekommen sind. Dermatologen berichten, dass sie überlastet sind.
Facharztmangel in Dresden: Viele Dresdner sagen, dass sie nur schwer an einen Termin beim Hautarzt gekommen sind. Dermatologen berichten, dass sie überlastet sind. © Symbolfoto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Dresden. Keine Hautarztpraxis habe sie als Neupatienten aufnehmen wollen, schreibt eine Frau bei Instagram. Sie habe jetzt einen Termin bekommen – in sechs Monaten. Eine andere Frau berichtet, dass sie extra in ein anderes Bundesland gefahren sei, um einen Termin bei einem Dermatologen oder einer Dermatologin zu bekommen. Eine dritte Leserin schreibt, dass sie acht Monate auf einen Termin gewartet habe.

Die Kommentare bei Instagram sind Reaktionen auf einen Artikel über eine junge Dresdnerin, die Hautkrebs hatte. Als sie einen Leberfleck am Rücken entdeckte, musste sie lange suchen, bis ein Hautarzt die damalige Neu-Dresdnerin aufnahm. In ihrem Fall besonders drastisch, da sich der Leberfleck als Melanom entpuppte. Die Diagnose und damit auch die Terminsuche beim Hautarzt liegt bereits ein paar Jahre zurück. Doch die Kommentare der Leserinnen und Leser zeigen: Das Problem ist noch immer akut.

Das bestätigen auch Gespräche mit Dresdner Hautärztinnen und Hautärzten. "Können Sie mich bitte nur anonym zitieren?", wünscht ein Dermatologe bei der Anfrage von Sächsische.de. "Es würde sonst nur mehr Probleme bei den Wartezeiten geben", begründet das der Facharzt aus dem Dresdner Norden. Auch er spüre den zunehmenden Druck, obwohl er nur selbst zahlende Kassenpatienten und Privatpatienten behandle. "Unsere Wartezeit auf Termine lag früher bei zwei bis drei Wochen, jetzt sind es zwei bis drei Monate."

Der Mangel an Hautärzten in Dresden mache sich zum einen dadurch bemerkbar, dass viele Patienten aus dem ländlichen Raum zu ihm kommen. Zum anderen ist das einer der Gründe für überlaufene Praxen in Dresden. In seinem Fall kommen Patientinnen und Patienten aus Görlitz, Zittau, Senftenberg und Cottbus, berichtet er.

Patienten kommen aus Görlitz, Zittau oder Altenberg

Und damit ist er nicht alleine. Auch eine Dresdner Hautärztin berichtet von Patientinnen und Patienten, die aus Zittau, Cottbus, Altenberg oder sogar aus Berlin anreisen. Sie möchte ihren Namen nicht in der Zeitung lesen: Sie habe Angst vor Repressalien der Kassenärztlichen Vereinigung, erklärt sie. "Es gibt definitiv einen Fachärztemangel", sagt jedenfalls auch sie. "Wir sind alle überlastet."

Viele verschiedene Gründe spielen dabei zusammen, sagt sie – und holt aus. "Das liegt zum Beispiel daran, dass die Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigung überaltert ist", sagt sie. Aus dieser Bedarfsplanung geht hervor, wie viele Ärztinnen und Ärzte in Dresden überhaupt eine Praxis eröffnen dürfen. Sie zum Beispiel würde gerne eine zweite Person mit in ihre Praxis aufnehmen. Das könne sie aber nicht, weil kein Sitz frei ist.

Außerdem steigt der Bedarf der Bevölkerung. Denn die wird im Schnitt älter – und damit einher gehen Krankheiten. Zudem wachse Dresden – und mit der Einwohnerzahl natürlich ebenfalls der Bedarf.

Dresdner Hautärztin: "Der Job ist unattraktiv"

Soweit zur Patientenseite. Auf der Gegenseite, so berichtet die Dresdner Dermatologin, gebe es immer weniger Ärztinnen und Ärzte, die dazu bereits sind, eine Praxis zu eröffnen. Der Job sei unattraktiv geworden.

Immer höher werde der Aufwand, der in die Bürokratie gesteckt werden müsse. Ein ständiger Begleiter sei für sie beispielsweise die Sorge, in Regress genommen zu werden. Immer schlechter werde zudem die Vergütung der Ärztinnen und Ärzte. Viele wüssten das nicht, aber die Ärzte bekommen ihr Geld über Pauschalen. "Ich bekomme pro Patient ein bestimmtes Budget pro Quartal", erklärt die Ärztin. "In der Zeit kann der Patient kommen, so oft er will – ich bekomme die Summe nur einmal."

Manche kämen fünf Mal – auch, wenn es aus ärztlicher Sicht nicht nötig sei. "Nur mit dem Budget wäre die Praxis nicht tragbar", sagt sie. Dazuverdienen könnten Praxen durch besondere Behandlungen, sogenannte IGL-Leistungen, also individuelle Gesundheitsleitungen, Operationen oder Hautchecks.

Nicht nur das mache den Job immer unattraktiver. Eine eigene Praxis zu betreiben, bedeute, selbstständig zu sein. "Viele junge Ärzte wollen lieber angestellt sein", sagt sie. Krank sein können, ohne arbeiten zu müssen, Möglichkeiten zu Elternzeit und Mutterschutz. "Bleibe ich zu Hause, laufen die Kosten wie die Miete ja weiter", sagt die Ärztin, die selbst Mutter ist. "Ich stand immer bis kurz vor der Geburt am Operationstisch." Situationen, die sich heutzutage weniger Menschen antun wollen, sagt sie. Deshalb werde es zunehmend schwerer, offene Stellen mit Nachfolgern zu besetzen.

Kassenärztliche Vereinigung weist Verantwortung von sich

Auch die Hautärzte am Dresdner Uniklinikum wissen um lange Wartezeiten auf Termine. Immer wieder kommen Menschen in die Klinik, weil sie ambulant keinen Termin bekommen haben.

Tatsächlich gilt die Stadt Dresden aus Sicht der Kassenärztlichen Vereinigung im Hautarztbereich sogar als überversorgt. Für Praxis-Neuzulassungen ist das Stadtgebiet gesperrt. Auch das Problem, dass Patientinnen und Patienten aus dem Umland nach Dresden in die Praxen kommen, sei bekannt: Dort gibt es nämlich auch auf dem Papier eine Unterversorgung.

Sieben offene Hautarztstellen gibt es derzeit laut Kassenärztlicher Vereinigung (KVS) in Sachsen. Das Problem der veralteten Bedarfszahlen weist die KVS von sich. "Es handelt sich aus unserer Sicht vielmehr um ein Problem der Nachbesetzung und der Verteilung", sagt ein Sprecher. Um angehenden Medizinern die Sorge vor der Selbstständigkeit zu nehmen, rät er Ärzten, Versicherungen abzuschließen.

Sicher ist: Das Problem dürfte sich in den kommenden Jahren noch verschärfen. Von den 30,5 Hautärzten in Dresden (umgerechnet in Vollzeitäquivalente), so die KVS, sind 5,25 bereits 61 Jahre alt oder älter. Nicht wenige werden also bald in den Ruhestand gehen.