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Panometer: So entsteht "Dresden im Barock"

Im Asisi-Panometer legt sich Dresden zurzeit wieder ein barockes Gewand an. So spektakulär verschwindet die Zerstörung von 1945 hinter der Prachtkulisse.

Von Peter Ufer
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Derzeit wird im Asisi-Panometer in Reick das Rundbild "Dresden im Barock" angebracht.
Derzeit wird im Asisi-Panometer in Reick das Rundbild "Dresden im Barock" angebracht. © Panometer

Dresden. Eine Tonne Dresden hängt an den Schienen. Die Frauenkirche, die Augustusbrücke, das Schloss, der Zwinger, das Italienische Dörfchen und die Oper füllen den schweren Stoff, der von der Decke baumelt wie eine gigantische Übergardine. Die feuerfeste Textilbahn ist 107 Meter lang und 27 Meter hoch, zeigt das Dresden des Augusteischen Zeitalters.

Das Riesenrundbild „Dresden im Barock“ im Asisi-Panometer in Reick verdrängt gerade das Panorama der zerstörten Stadt von 1945. „Wir wollen auf den Neustart nach der Pandemie vorbereitet sein“, sagt Mandy Streit. Seit einem Jahr verantwortet sie im Auftrag der DDV-Mediengruppe das Panometer Dresden. Seit 2015 wird in den Februartagen üblicherweise „Dresden 1945“ gezeigt. Doch zurzeit hat das Museum mindestens bis Mitte Februar geschlossen.

Die Schließzeit wird genutzt, um das barocke Bild aufzuziehen, die dazugehörige Exposition zu aktualisieren und zu erweitern. „Bei der Wiedereröffnung wartet auf die Besucherinnen und Besucher neben dem 360-Grad-Panorama auch eine neue digitale Zusatzausstellung: Dresden – Barock erleben“, sagt Streit.

Vom 15 Meter hohen Turm aus können Besucher das Panorama aus einem anderen Blickwinkel erleben.
Vom 15 Meter hohen Turm aus können Besucher das Panorama aus einem anderen Blickwinkel erleben. © Panometer

New York 9/11 im Panometer Leipzig

Vergangenen Montag wurden deshalb die bedruckten Textilbahnen von „Dresden 1945“ gerafft und über die Laufschienen nach hinten geschoben. Zwei Jahre hing das Bild von der zerstörten Stadt. Jetzt verschwindet es in den Hintergrund. Dort hingen die Stoffbahnen mit der Darstellung von Elbflorenz aus dem 18. Jahrhundert.

„Vier Tage braucht der Austausch der Bahnen insgesamt“, sagt Ginny Lehmann, die den Umbau leitet. Die Architektin verantwortet für das Unternehmen Asisi sämtliche technischen Wechsel von Ausstellungen. „Nach der Arbeit in Dresden kommt Leipzig dran. Dort soll im Herbst New York 9/11 als Panorama zu sehen sein“, sagt Lehmann.

Doch jetzt muss sie nachsehen, ob der Stoff mit dem barocken Dresden exakt und ohne Falten an den 350 Laufwagen von dem Schienensystem unter der Decke herunterhängt. Dafür müssen 360 Gurte gespannt werden. Insgesamt 15 Beschäftigte vom Höhenarbeiter, über den Lichtgestalter bis zum Soundfachmann seien nötig, um den Wandel der Panoramen so zu gestalten, dass die Inszenierung der Geschichte perfekt sei, erklärt Lehmann.

Der Stoff, auf den das barocke Dresden gedruckt ist, muss bei der fertigen Ausstellung faltenfrei von der Decke hängen, damit die Illusion perfekt wird.
Der Stoff, auf den das barocke Dresden gedruckt ist, muss bei der fertigen Ausstellung faltenfrei von der Decke hängen, damit die Illusion perfekt wird. © Panometer

Erschaffen hat das digitale Bild der Vergangenheit Yadegar Asisi. Er sagt zu seiner Idee, das barocke Dresden zu zeigen: „Es ist eine Mischung aus dokumentarisch Belegtem, wissenschaftlich Erforschtem und Fantasie im Kontext der Zeit.“ Und er ergänzt: „Es ist nicht für immer und ewig feststehend, sondern ich arbeite an seiner Vollkommenheit, die dennoch nie erreicht werden kann. Hier fließen immer neue Erkenntnisse ein. Ich habe es inzwischen zweimal überarbeitet. Die Grundstrukturen der Stadt sind jedoch alle dokumentarisch belegt, über den Zustand des einzelnen Hauses kann man jederzeit diskutieren.“ Zu sehen ist die Königsstadt, die Stadt der Obrigkeit, die Sachsen regierte und für ihre Repräsentation Pracht entfaltete.

Der Künstler Yadegar Asisi hat das 360-Grad-Panorama erschaffen.
Der Künstler Yadegar Asisi hat das 360-Grad-Panorama erschaffen. © picture alliance / Philipp von Ditfurth/dpa

Dresden war schon damals ein Ort mit seiner besonderen Lage am Fluss. Eine Brücke teilte die Stadt, um sie zu verbinden. Die Gebäude waren umringt von einer weiten, grünen Landschaft. Dieses Zusammenspiel von Stadt und Natur gehört zur DNA der einstigen Residenz. „Wenn diese Natur nicht gewesen wäre, hätte Dresden so nicht entstehen können“, sagt Asisi.

Vom 15 Meter hohen Besucherturm sowie durch den 15-minütigen Tag- und Nachtwechsel, der sowohl akustisch als auch optisch simuliert wird, tauchen die Betrachterinnen und Betrachter des Bildes in eine grandiose Historie ein. „Im Panorama ist der Mensch, im Unterschied zum Film, der Regisseur seines eigenen Blickes“, sagt Yadegar Asisi. Es sei eine Art körperliches Sehen.

Insgesamt 15 Beschäftigte arbeiten daran, dass die Inszenierung der Geschichte perfekt wird. Darunter auch Höhenarbeiter.
Insgesamt 15 Beschäftigte arbeiten daran, dass die Inszenierung der Geschichte perfekt wird. Darunter auch Höhenarbeiter. © Panometer

Und je länger sich die Gäste darauf einlassen würden, desto mehr Details erkennen sie, umso tiefer sei die Erkenntnis. „Panoramen sind eine Oase der Besinnung und regen alle Sinne an, selbst den Geschmack. Und noch etwas: Sie spüren die Stille. Panoramen sind meines Erachtens der Gegenentwurf zur Vielfalt der Bilder, insbesondere der bewegten Bilder, denen der Mensch heute in einer gigantischen Flut ausgesetzt ist“, sagt Asisi.

Im Januar 2020 startete die Kooperation zwischen der DDV-Mediengruppe, die auch die Sächsische Zeitung herausgibt, und der Berliner Asisi GmbH. Seit Dezember 2006 sind die Asisi-Panoramen zur Geschichte von Dresden im Panometer zu sehen. Wann genau dieses einzigartige Erlebnis wieder genossen werden kann, stehe noch nicht fest, erklärt Ausstellungsleiterin Mandy Streit. Aber sobald Museen wieder besucht werden können, öffnet das Panometer seine Türen und erwartet seine Gäste. „Wir können es kaum erwarten und freuen uns sehr darauf.“

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