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Kommt jetzt das Aus für Treffen am Dresdner "Assi-Eck"?

In der Neustadt, in Gorbitz und an anderen Treffpunkten gibt es Anwohnerbeschwerden über laute Feiernde. Nun will Dresden Personen dazu verpflichten, sich von lauten Menschenansammlungen fernzuhalten.

Von Julia Vollmer
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Das "Assi-Eck" in der Neustadt ist ein beliebter Treffpunkt im Kiez.
Das "Assi-Eck" in der Neustadt ist ein beliebter Treffpunkt im Kiez. © Symbolfoto: Sven Ellger

Dresden. Es ist nur ein Satz im Entwurf zur neuen Polizeiverordnung für Dresden, aber er könnte für große Diskussionen sorgen: "Während der Nachtruhezeiten ist jede Person verpflichtet, sich aus einer Menschenansammlung im öffentlichen Bereich zu entfernen oder von ihr fernzuhalten, wenn und solange von dieser Ansammlung unzumutbarer Lärm ausgeht".

Konkret würde das also heißen, es wäre nicht mehr erlaubt, sich zum Beispiel am "Assi-Eck", im Alaunpark, im Großen Garten oder am Amalie-Dietrich-Platz im Stadtteil Gorbitz zu treffen, wenn die Stadt dort "unzumutbaren Lärm" ausmacht. Was genau unter unzumutbar zu verstehen ist, lässt die Stadt offen.

Lage am "Assi-Eck" hat sich letzten Sommer beruhigt

Klar ist aber, dass die Lage an der Kreuzung Louisenstraße, Görlitzer Straße, Rothenburger Straße Anlass für den neuen Passus in der Polizeiverordnung ist, die Stadt ist unter Zugzwang. Zuletzt hatte die Stadt nach einem Gerichtsurteil versucht, am "Assi-Eck" ein Alkoholverbot durchzusetzen. Vorausgegangen war eine Aufforderung des Oberverwaltungsgerichtes, für Ruhe und Ordnung an der Kreuzung zu sorgen. Anwohner hatten geklagt. Die Verwaltung scheiterte aber mit dem Alkoholverbot am Nein des Stadtrates.

Ob Alkohol- oder Menschenansammlungsverbot: Die Lage an der Neustadt-Kreuzung ist durchaus umstritten. So beklagen Stadträte und Sozialarbeiter, dass Verbote Probleme wie fehlende Freiräume und Treffpunkte für junge Menschen nicht lösen.

Zuletzt hatten Polizei, Ordnungsamt und Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) übereinstimmend berichtet, dass sich die Lage am Eck im Sommer 2022 deutlich beruhigt habe. Auch durch präventive Maßnahmen wie die Nachtschlichter, die Gespräche mit Feiernden und Anwohnern suchten.

Nachtruhezeiten gelten von 22 bis 7 Uhr

Derzeit gibt es bereits Nachtruhezeiten in der ganzen Stadt. Diese gelten montags bis donnerstags und sonntags von 22 bis 7 Uhr des nächsten Tages, freitags und sonnabends von 24 bis 8 Uhr des nächsten Tages.

Wenn die Polizeiverordnung beschlossen werden sollte, gilt das Gebot, sich von lärmenden Menschenansammlungen fernzuhalten, in den Nachtruhezeiten im gesamten Gebiet der Landeshauptstadt - auf öffentlichen Straßen und in Parks. Sie gilt auch, so steht es in der Vorlage, "wenn eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder die öffentliche Ordnung von Privatgrundstücken ausgeht".

"Die Ansammlung vieler Personen zu den Nachtruhezeiten stellt in ihrem Gesamtgepräge unter rechtlichen Aspekten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar", heißt es in der Vorlage für die Polizeiverordnung. "Langanhaltendes oder zumindest häufiges lautstarkes Schreien, Pfeifen und Kommunizieren der sich ansammelnden Personen" sei aktenkundig, da sich seit 2014 die Beschwerden der Anwohner häufen würden.

Es gibt neben dem Passus zu den Menschenansammlungen in den Nachtruhezeiten noch einen an anderer Stelle in der Verordnung, der Unklarheiten hinterlässt. "Es ist im öffentlichen Bereich untersagt, durch Verweilen in einer Menschenansammlung dazu beizutragen, dass andere Personen erheblich belästigt, an einer dem Gemeingebrauch entsprechenden Nutzung des öffentlichen Bereichs gehindert oder davon abgehalten werden." Hier gibt es weder örtliche noch zeitliche Grenzen.

Viele Beschwerden in der Neustadt und in Gorbitz

Zu einigen Orten gebe es eine höhere Beschwerdelage. Als Beispiele nennt die Stadt zum Beispiel den Rosengarten, den Alaunpark, das "Assi-Eck" und den Amalie-Dietrich-Platz. "Dieser Lärm entsteht durch laute Musik sowie Gegröle der Beteiligten", so die Verwaltung.

Die Gruppen könnten unterschiedlich zusammengesetzt sein, heißt es weiter. "Es beginne mit drei bis vier Personen jugendlichen Alters, welche auf einem Spielplatz Musik aus einer Bassbox hören." Als weitere Beispiele nennt das Rathaus Gruppen von über 10 bis 20 Personen "mittleren Alters, welche vor einem Spätshop Alkohol konsumieren und dabei laut herumschreien oder gar Ansammlungen von über 300 Personen gemischten Alters vor einer Lokalität, welche Lärm durch laute Musik und Gegröle verursachen."

Dabei gebe es mehr Lärmbeschwerden, je wärmer es draußen werde. In den kalten Wintermonaten seien nur vereinzelt Lärmmeldungen festzustellen, wobei der Lärm dann auch eher aus Menschenansammlungen mit geringer Personenanzahl ausgehe. Die Regelung mache es den Anwesenden einer Menschenansammlung nicht unmöglich, sich zu treffen. auch könnten sich Gruppen zusammenschließen. Diesen Personen werde durch die neue Verordnung nichts Unmögliches abverlangt, so die Stadt. Die Regelung beziehe sich schließlich nicht auf jegliche Menschenansammlung, sondern nur auf "belästigende Ansammlungen, von welchen unzumutbarer Lärm ausgeht".

Über die Verordnung muss jetzt der Stadtrat entscheiden.

Grüne: "Neues Verbot durch die Hintertür"

Grünen-Stadträtin Tina Siebeneicher ärgert sich. "Mit der neuen Polizeiverordnung droht ein neues Verbot durch die Hintertür, indem der 'Aufenthalt in einer Menschenansammlung, von der unzumutbarer Lärm ausgeht' zur Ordnungswidrigkeit erklärt werden soll", sagt sie. Der Entwurf werfe viele Fragen auf und scheine eine Fortsetzung der Alkoholkonsumverbots-Debatte zu sein. "Mit Verboten allein wird die Neustadt nicht ruhiger, daran halten wir Grüne fest", so Siebeneicher.

Auch die SPD äußert Kritik an dem Vorschlag. "Wir sehen Gesprächsbedarf zur neuen Polizeiverordnung. Lärmschutz und Ruhestörung sind aus unserer Sicht bereits jetzt ausreichend geregelt. Mangelhaft ist die Durchsetzung durch die Stadtverwaltung", sagt SPD-Stadtrat Vincent Drews. Daran würden auch eine neue Regelungen nichts ändern, vor allem, wenn sie so unbestimmt seien. "Wie erkennen Menschen die Unzumutbarkeit des Lärms? Wie weit muss man entfernt sein? Diese und weitere Fragen sind völlig offen", betont Drews.

Linken-Fraktionschef André Schollbach äußert Verständnis dafür, dass sich Anwohnerinnen und Anwohner vor allem für die Nachtstunden weniger Lärm wünschen. "Für dieses legitime Anliegen bedarf es einer vernünftigen Lösung. Was Oberbürgermeister Hilbert hier durchsetzen will, dürfte aber in der Praxis für erhebliches Konfliktpotential sorgen und bringt die Gefahr unnötiger Eskalationen mit sich", ärgert sich Schollbach.

Auch die FDP kritisiert den Vorstoß aus dem Rathaus. Die Regelungen zu den Menschenansammlungen im neuen Entwurf zur Polizeiverordnung ziele zwar auf die Probleme an der 'schiefen Ecke' ab, könne aber schnell von den Ordnungsbehörden dazu gebraucht werden, um generell dagegen vorzugehen, wenn Menschen sich treffen, so FDP-Fraktionschef Holger Zastrow. Irgendeiner finde sich immer, der sich belästigt fühle. "Dann trifft die Regelung auch Menschen, die einfach als Gruppe zusammenstehen oder an den Elbwiesen sitzen. Die Gefahr der Freiheitseinschränkung steht weit über der beabsichtigten Lösung eines lokalen Problems in der Neustadt. Sofern die Regelung für das gesamte Stadtgebiet gelten soll, werden wir dies als FDP ablehnen."

CDU-Stadtrat Hans Joachim Brauns findet den Vorschlag "in Ordnung. Jeder weiß doch, wann was zu laut ist." Brauns betont: "Auch im Kiez muss es Regeln geben. Das Ruhebedürfnis der Anwohner hat Grundrechtecharakter."