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Nach Großbrand im Dresdner Industriegebiet: Gibt es endlich Räume für die Kreativszene?

Im Juni wurden bei einem Großbrand im Dresdner Industriegelände Proberäume und Ateliers zerstört. Die Katastrophe stieß die Debatte um fehlende Treffpunkte für junge Menschen an. Geht es nun voran?

Von Julia Vollmer
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Die Feuerwehr löschte von einer Drehleiter aus einen Brand. Bei einem Feuer im Dresdner Industriegelände war eine Gewerbehalle vollständig zerstört worden.
Die Feuerwehr löschte von einer Drehleiter aus einen Brand. Bei einem Feuer im Dresdner Industriegelände war eine Gewerbehalle vollständig zerstört worden. © Archivfoto: dpa/Christian Essler

Dresden. Das letzte Juni-Wochenende 2022 wird der Dresdner Kultur- und Clubszene noch lange in Erinnerung bleiben. Bei einem Großbrand im Industriegelände in Dresden wurden Proberäume und Ateliers zu großen Teilen zerstört, der Technoclub Sektor war monatelang nicht nutzbar. Einige Künstler haben bis heute ihre Ateliers und Proberäume nicht zurück. Die Firma Nestler stand vor kaputten Räumen.

Der Brand ereignete sich kurz vor dem zweiten Wahlgang im Dresdner Oberbürgermeisterwahlkampf und geriet schnell zum Wahlkampfthema. OB Dirk Hilbert (FDP) versprach "schnelle, unbürokratische Hilfe". Der Brand schob die Diskussion über die fehlenden Freiräume für junge Menschen und die kreative Szene an.

Das Thema wurde bereits nach dem Vorschlag der Verwaltung, ein Alkoholverbot am "Assi-Eck" einzuführen, seit dem Frühjahr diskutiert. Das Verbot schmetterte der Stadtrat ab, das Problem der fehlenden Treffpunkte blieb. Wie ist der Stand seitdem?

Sind die Bands und Künstler wieder zurück im Industriegelände?

Seit September öffnet der Club Sektor wieder seine Türen für die Feiernden. Außerdem seit September sind die Gewerbeeinheiten im Erdgeschoss unter anderem ein Getränkehandel und eine Holzwerkstatt wieder zurück im Industriegebiet.

Nach und nach ziehen laut seit November laut Stadt 30 Mieter der Kreativszene wieder ein. Der Eigentümer habe bis heute drei Millionen Euro für Wiederaufbau, Brandschutzertüchtigung und Brandschadenreparaturen in die Räume der Kreativwirtschaft aus Eigenmitteln investiert, so das Rathaus auf Saechsische.de-Anfrage.

Kann die kreative Szene die Alte Operette nutzen?

Am Wochenende des Brandes überboten sich die OB-Kandidaten und einige Stadträte mit Vorschlägen, welche Räume den Künstlern und Bands zur Verfügung gestellt werden könnten. Ins Gespräch gebracht wurden untern anderem die Alte Operette in Leuben, das Alte Theater Junge Generation und die Messe.

Nun gibt es Greifbares. Mit dem Beschluss zum Doppelhaushalt für die Jahre 2023/24 hat der Stadtrat finanzielle Mittel in Höhe von 800.000 Euro für die Instandsetzung und anschließende Nutzung von Teilen der zurzeit leer stehenden Operette Leuben beschlossen. Entstehen sollen dort Proben- und Atelierräume für die Kreativ- und Kunstszene. Ab wann diese genutzt werden könnten, lässt die Stadt unbeantwortet.

"Ich bin sehr froh, dass wir mit dem Geld, das wir zusätzlich im Haushalt verankert haben, einen Teil der alten Staatsoperette in Leuten als Atelier- und Probenräume wieder nutzen können. Dresden braucht dringend Räume für Kreative, Ateliers und Bands", betont Grünen-Stadtrat und Landtagsabgeordneter Thomas Löser. Für den Stadtteil Leuben sei es gut, dass eine Wiederbelebung der seit Jahren leer stehenden Staatsoperette nun schrittweise beginnen könne.

Wo könnten noch Räume geschaffen werden?

Hier antwortet die Stadt nur sehr ausweichend. Zwischen 2016 und 2019 hätte das Rathaus den Aufbau einer Vermittlungsplattform unterstützt, die leerstehende Gebäude in Zwischennutzungsmodelle und dauerhafte Modelle überführen und die Suche Kultur- und Kreativschaffender nach geeigneten Räumlichkeiten erleichtern sollte.

Leer stehende Gebäude gibt es mehr als genug, etwa die ehemals besetzten Häuser an der Lößnitzstraße oder die Putzi-Villen an der Königsbrücker. Das Objekte Lößnitzstraße gehört der Stadt, die Putzi-Villen einem privaten Eigentümer. Allerdings wurden beide Häuser ihrem Schicksal überlassen und sind dementsprechend verfallen.

In Kooperation mit lokalen Akteuren prüfe die Stadt diverse Standorte im gesamten Stadtgebiet für eine Nutzung der Kultur- und Kreativwirtschaft. Auch im Rahmen des geförderten Projekts "DD findet InnenStadt", das mit Erhalt des Förderbescheides im Oktober nun in die Umsetzung gehen kann, spielt die Vermittlung von Räumen eine bedeutende Rolle. Konkrete Objekte werden nicht benannt.

Wo könnten Treffpunkte für junge Menschen entstehen?

Im Zuge der Debatte um das Alkoholverbot in der Neustadt und die Folgen des Brandes wurde immer deutlicher, dass es im Kiez, aber auch in der gesamten Stadt an Freiräumen für junge Menschen fehlt. Sie fühlen sich oft nicht willkommen.

Die SPD-Neustadt hat Vorschläge erarbeitet, wo diese Freiräume entstehen könnten. "Wir brauchen mehr soziale und kreative Orte in der Neustadt, wo sich junge Leute voraussetzungsfrei treffen können", so Stadtbezirksbeirat Christian Demuth. Vor allem auch für Teenager, denn für diese Altersgruppe gibt es wenig Orte im Stadtteil.

Demuth schlägt konkret den Alaunpark, zwischen den sogenannten Reiterhallen, dem geplanten inklusiven Fahrradweg von der Tannenstraße Richtung Alaunpark und den Sportanlagen Richtung befestigter Fläche vor. "An einem solchen Ort könnte ein begrenzter (sicherer) sozialer Raum mit sozialer Kontrolle entstehen: Innerhalb des öffentlichen Raums können Beleuchtung oder gar beleuchtete Kunstobjekte einen entspannten Ort schaffen, der auch Sicherheit gibt", so Demuth.

Soziale Kontrolle bedeute, dass die Musik pünktlich leiser gedreht wird oder Verantwortlichkeiten für Ordnung und Sicherheit abgesprochen werden. Außerdem müsse dann die Einrichtung von Toiletten-Gelegenheiten geprüft werden, so die Genossen.