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Spendenaktion in Dresden: "Eisenfeustel" will historisches Wandregal aufmöbeln lassen

Das "Eisenfeustel" in der Dresdner Neustadt ist Anlaufpunkt, wenn's ums Heimwerken, Gärtnern oder Haushalten geht. Nun braucht der Mini-Baumarkt Hilfe: Das historische Warenregal soll renoviert werden.

Von Juliane Just
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Thomas Haaß ist der Inhaber von "Eisenfeustel" in Dresden-Neustadt. Hinter ihm befinden sich 252 kleine Schubladen, die aufgemöbelt werden müssen.
Thomas Haaß ist der Inhaber von "Eisenfeustel" in Dresden-Neustadt. Hinter ihm befinden sich 252 kleine Schubladen, die aufgemöbelt werden müssen. © Sven Ellger

Dresden. Er bräuchte da so ein "Dings", um die Fugen zu reinigen, sagt er. Thomas Haaß überlegt nicht lange, verschwindet in sein Lager, kommt mit einer Mini-Drahtbürste zurück. Der Kunde nickt zufrieden, zahlt, geht. Der nächste Kunde braucht eine bestimmte Art Schraube. Wieder verschwindet Thomas Haaß, kommt nach Sekunden mit der richtigen Variante zurück. Der hat einfach alles.

Dafür ist das "Eisenfeustel" an der Bautzner Straße auch bekannt. Wer verzweifelt auf der Suche nach einem "Dings" für sämtliche Arbeiten im und ums Haus ist, wird hier höchstwahrscheinlich fündig. Der Inhaber Thomas Haaß kennt sich in dem riesigen historischen Regal im Verkaufsraum und seinem endlosen Lager in den Hinterräumen bestens aus. Mehr als 5.000 Artikel tummeln sich hier in hunderten Schubladen und Kistchen.

Die Erfolgsgeschichte des Laden währt schon seit über 100 Jahren. Noch viel älter ist die Einrichtung. Das Wandregal, das unter anderem Schräubchen, Türknaufe und allerhand andere Habseligkeiten beinhaltet, könnte laut Thomas Haaß noch aus den 1870er-Jahren stammen und hat damit einige Zeit auf dem Buckel. Die bewegliche Leiter stammt ebenfalls aus der Zeit, gerade musste Haaß eine Stufe flicken, um nicht abzustürzen.

"Dieses Wandregal ist das Gesicht des 'Eisenfeustels'"

"Manche Leute kommen nur hier rein, um dieses Regal zu fotografieren", sagt der Inhaber und zeigt auf den Riesen hinter sich. Und wieder andere kennen das Regal aus ihrer Kindheit, das letztes Relikt einer vergangenen Zeit. "Dieses Wandregal ist das Gesicht des 'Eisenfeustels'. Manche erinnern sich noch, als sie früher mit Papa hier waren." Als Haaß die Geschicke des Ladens 2021 übernahm, baten Kunden ihn, dieses Regal nie abzubauen. Zu wertvoll sind die Erinnerungen.

Doch Fakt ist: Die 252 Schubladen müssen dringend aufgemöbelt werden. In ihrem Inneren befinden sich mitunter noch mehrere Beläge der Vorgänger - die einen arbeiteten auf purem Holz, die Nachfolger mit Pappe, danach kam Vlies zum Einsatz. "Jede Generation hat ihre Beschichtung hinterlassen und jede neue hat noch etwas drübergelegt", sagt Thomas Haaß und blättert in der Schublade wie in alten Zeiten. Manche Schubladen schließen nicht mehr richtig, klemmen an immer der gleichen Stelle.

In den 252 Schubladen des historischen Wandregals im "Eisenfeustel" tummeln sich unzählige Artikel. Hier sieht man Messingschrauben, an denen beispielsweise ein Herrnhuter Stern aufgehängt werden kann.
In den 252 Schubladen des historischen Wandregals im "Eisenfeustel" tummeln sich unzählige Artikel. Hier sieht man Messingschrauben, an denen beispielsweise ein Herrnhuter Stern aufgehängt werden kann. © Sven Ellger
In den alten Schubladen des "Eisenfeustel" kann man sozusagen in der Geschichte blättern. Jeder der Inhaber legte einen weiteren Belag über den alten.
In den alten Schubladen des "Eisenfeustel" kann man sozusagen in der Geschichte blättern. Jeder der Inhaber legte einen weiteren Belag über den alten. © Sven Ellger
Das riesige Wandregal macht das "Eisenfeustel" in der Dresdner Neustadt aus. Es war immer mit dabei und ist das Herzstück des Ladens.
Das riesige Wandregal macht das "Eisenfeustel" in der Dresdner Neustadt aus. Es war immer mit dabei und ist das Herzstück des Ladens. © Christian Juppe (Archivfoto)
Für den Kunden kaum sehbar: das Lager des "Eisenfeustels". Wie Inhaber Thomas Haaß hier den Überblick behält, weiß wohl nur er selbst.
Für den Kunden kaum sehbar: das Lager des "Eisenfeustels". Wie Inhaber Thomas Haaß hier den Überblick behält, weiß wohl nur er selbst. © Christian Juppe (Archivfoto)
Blick in die Bautzner Strasse vor 1940. Auf der linken Seite sind helle Markisen zu sehen, die Thomas Haaß für das "Eisenfeustel" gern wieder so anbringen würde.
Blick in die Bautzner Strasse vor 1940. Auf der linken Seite sind helle Markisen zu sehen, die Thomas Haaß für das "Eisenfeustel" gern wieder so anbringen würde. © Eisenfeustel

Um das alte Regal zu erhalten, setzt das "Eisenfeustel" auf die Hilfe der Dresdner. Bei der Plattform "Startnext" hat Thomas Haaß ein Crowdfunding, eine Art Schwarmfinanzierung, gestartet. Unter der Überschrift "Unser Eisenfeustel soll noch schöner werden" werden Spenden gesammelt. Dort kann jeder seinen Betrag selbst auswählen und erhält teilweise noch einen kleinen Gegenwert.

Wandregal als "wichtiger Kulturschatz" Dresdens

"Wir finden, das Regal ist ein wichtiger Kulturschatz, den wir gemeinsam erhalten wollen", so Haaß. Insgesamt 5.500 Euro sollen zusammenkommen, um die Schubladen zu renovieren und damit ein Dresdner Original zu erhalten. Das könne er aus dem normalen Betrieb finanziell nicht stemmen.

Dabei gebe es jedoch keinen Zeitdruck, das Massivholz halte viel aus. "Das könnte man auch in 30 Jahren machen, aber da müssen wir jetzt mal ran", so Haaß. Er habe das schon lange anpacken wollen, doch im Tagesgeschäft stehen die Kunden im Vordergrund. Nun hat er zwei Mitarbeiter, die ihn dabei unterstützen. Denn klar ist auch: Im laufenden Betrieb ist die Renovierung ein Kraftakt für das kleine Team.

Sollte die Spendenaktion funktionieren, könnte das Projekt Anfang 2024 starten. Die Spezialfirma, die sich den Schubladen annimmt, ist bereits gefunden: die Weißiger Werkstätten, nicht weit vom "Eisenfeustel" entfernt. Dann ist Logistik gefragt, denn der gesamte Schrankinhalt könnte im laufenden Betrieb nicht zwischengelagert werden. "Das darf keine Halbjahresbaustelle werden, wir brauchen die Schubladen ja", so Haaß.

Schubladen werden in Grüppchen in Weißiger Werkstätten renoviert

Die Schubladen würden sozusagen in Grüppchen ausziehen und renoviert werden. Sind sie zurück, werden sie wieder eingeräumt und die nächsten ziehen vorübergehend aus. Nach vier Wochen sollten alle 252 Schubladen wie neu sein. Dann sind sie wieder mit einem grünen Filz versehen wie einst und passen optisch auch wieder zum Wandregal, das ebenfalls grün ist.

Inzwischen sind schon etwa 80 Prozent der Spenden zusammengekommen. "Die Aktion wurde sehr gut angenommen." Trotzdem rührt der Inhaber weiter fleißig die Werbetrommel, denn die Renovierung der Schublädchen ist nur eine Idee für das "Eisenfeustel". Sollte mehr Geld zusammenkommen, wünscht sich der Inhaber Markisen. Auf einem Foto aus den 1940er-Jahren sind die Läden an der Bautzner Straße mit hellen Markisen abgebildet. So könnte das "Eisenfeustel" auch von außen optisch wieder dem Früher entsprechen und die Hitze vom mitunter empfindlichen Material im Schaufenster fernhalten.

Haaß will mit der Aktion die Bandbreite seiner Kunden - seinen Angaben nach sind sie zwischen 0 und 99 Jahren alt - bedienen. "Wer Interesse an einer Spende hat, kann diese auch hier am Tresen abgeben", so Haaß. Die Spender können sich in eine Liste eintragen, der Inhaber kümmert sich dann um die Aufstockung des Online-Budgets. Die Aktion läuft noch bis zum 25. November.

Nun hofft der Inhaber auf seine treuen Kunden, denen er so manches "Dings" aus seinem Fundus gekramt hat. "Es ist keine einfache Zeit für alle, aber wir wagen das jetzt, weil wir uns sicher sind, dass wir auch in Zukunft da sein werden."

Spendenplattform: www.startnext.com/eisenfeustel-wird-schoener