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Eine zweite Chance für den Schulabschluss

In der Dresdner Straßenschule lernen Jugendliche, die auf der Straße gelebt oder eine Suchterkrankung haben. Viele erfahren hier erstmals Wertschätzung.

Von Julia Vollmer
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Peggy Schramm, Leiterin der Straßenschule am Albertplatz in Dresden.
Peggy Schramm, Leiterin der Straßenschule am Albertplatz in Dresden. © Marion Doering

Dresden. Acht Jahre. Oder acht Monate. Viele der Schüler der Straßenschule waren eine Weile nicht mehr in der Schule. Oft haben sie schlechte Erfahrungen dort gemacht. Mit Mobbing oder ungerechten Lehrern. So wie Sophie. "Ich war auf einer Förderschule vorher, dort waren mit mir viele Schüler, die dort eigentlich nicht hingehören und sich 'aussortiert' gefühlt haben", erzählt die junge Erwachsene. Es habe Lehrer gegeben, welche die Schüler von oben herab behandelt hätten. "Durch den Förderschulstatus wurden die Kinder auch gesellschaftlich stigmatisiert", sagt Sophie.

Auch das Klima in der Klasse, mit den Mitschülern sei schlecht gewesen. Wohl und aufgehoben fühlte sich Sophie, die eigentlich anders heißt, nicht. Das ist jetzt anders. Seit Schuljahresstart ist sie Schülerin bei der Straßenschule des Trägers Treberhilfe e. V. am Albertplatz. Ein Projekt, das Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Chance bietet, ihren Hauptschul- oder Realschulabschluss nachzuholen. "Seit 2014 gibt es das Projekt, etwa zehn Schüler holen jedes Jahr hier ihren Abschluss nach", sagt Peggy Schramm, Geschäftsführerin der Treberhilfe.

"Hier erlebe ich Wertschätzung für uns als Schüler, die Dozenten erklären uns auf Augenhöhe, wenn wir etwas nicht verstehen", sagt Sophie. Und es sei auch in Ordnung, wenn jemand mal aus gesundheitlichen oder persönlichen Gründen nicht zum Unterricht komme.

Dieser beginnt täglich um 9 Uhr und umfasst die Prüfungsfächer, die für den Schulabschluss relevant sind: Deutsch, Mathematik, Geografie und Co. "Denn am Ende des Schuljahres, im Mai, steht für die Schüler der Straßenschule die Schulfremdenprüfung", erklärt Beate Rohde, Sozialpädagogin an der Straßenschule. Das heißt, sie legen die schriftlichen und mündlichen Prüfungen an einer Regelschule ab.

Viele Schüler haben einen steinigen Weg hinter sich

Neun Prüfungen, vier schriftliche und fünf mündliche sind es. Vor Lehrern, die sie noch nie davor gesehen haben. Keine leichte Aufgabe. Vorbereitet werden die aktuell 19 Schüler von ehrenamtlichen Lernbegleitern und Honorardozenten, meist Studenten oder pensionierte Lehrer. Und gesucht werden auch immer weitere Dozenten. "Wir setzen auf eine gute Beziehung zu den Schülern und auf Wertschätzung. Etwas, das viele unserer Teilnehmer von ihren Eltern leider nicht kennen", sagt Rhode. Es seien immer wieder tolle Momente, wenn ein Schüler eine Eins in einer Prüfung schreibt und seinen Schulabschluss schafft. Selbstverständlich ist das nicht, denn viele der Jugendlichen und jungen Erwachsenen haben schon einen steinigen Weg hinter sich.

"Manche unserer Teilnehmer haben keinen festen Wohnsitz, Drogen spielen eine große Rolle, Geldsorgen", erzählt Marcus Bernhardt, Sozialpädagoge bei der Straßenschule. Damit die Schüler möglichst angstfrei lernen können, kümmert er sich gemeinsam mit ihnen um eine Wohnung, Ämtergänge und vermittelt sie an Suchtberatungsstellen. "Einige waren jahrelang nicht in der Schule und müssen sich erst wieder an eine Tagesstruktur gewöhnen", so Bernhardt. Am Nachmittag nach dem Unterricht bietet das Team dann Workshops in Musik, Fotografie oder Kunst an. Oder einfach nur zusammen reden und lernen.

Diesen Zusammenhalt schätzt auch Sophie. "Hier lacht keine über den anderen und niemand wird ausgegrenzt." Ihr gefällt, dass die Sozialarbeiter sich Zeit nehmen und zuhören. "Das fehlt an der Regelschule komplett." Sie hat schon ganz konkrete Pläne für die Zeit nach dem Abschluss. Sie möchte nach dem Realschulabschluss Abitur machen und sich dann ein Studium im Bereich Medien suchen.