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Über 100 Dresdner Kinder und Jugendliche wegen Alkoholvergiftung im Krankenhaus

Stress, Sorgen, das Verlangen "cool zu sein": Tausende Dresdner greifen regelmäßig zu Alkohol. Sogar Kinder müssen wegen Alkoholvergiftungen in die Klinik, zeigen die neuesten Zahlen.

Von Julia Vollmer
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Immer wieder müssen Menschen auch im Krankenhaus behandelt werden.
Immer wieder müssen Menschen auch im Krankenhaus behandelt werden. © Silas Stein/dpa

Dresden. Feierabendbier, Sekt beim Kollegen-Geburtstag, Eierlikör mit der Oma: Alkohol gehört für viele Dresdner zum Alltag. Dass der Konsum aber auch gefährlich sein kann, darauf wird in dieser Woche mit einer Präventionskampagne aufmerksam gemacht. Unter anderem am Bahnhof Neustadt und am Wiener Platz. Die neuesten Zahlen des Gesundheitsamtes bestätigen das.

Wie viele Dresdner trinken regelmäßig Alkohol?

"Wie oft trinken Sie Alkohol wie Wein, Bier, Schnaps oder Likör", wollte die Stadt in ihrer letzten repräsentativen Bürgerumfrage unter 6.000 Dresdnern wissen. Die meisten, knapp 30 Prozent, antworteten, dass sie zwei- bis viermal im Monat etwas trinken. Ein Viertel greift zwei-, dreimal in der Woche zur Flasche und immerhin zehn Prozent viermal pro Woche und öfter. Der häufigere Konsum hat verglichen zur Befragung 2014 um einen Prozentpunkt zugenommen. Nur 13 Prozent verzichten komplett auf Alkohol. Zu den Gründen haben die Statistiker der Stadtverwaltung nicht gefragt.

Die Hälfte der Befragten gab zu, es komme vor, dass sie sechs oder mehr alkoholische Getränke an einem Abend konsumierten. Bei drei Prozent passiere das jede Woche, bei einem Prozent der 16- bis 90-Jährigen fast jeden Tag. Ein Prozent, das sind umgerechnet rund 4.700 Dresdner. Die Stadt spricht von exzessivem Verhalten.

Wie viele Minderjährige landen im Krankenhaus?

Dresden nimmt am sogenannten Halt-Projekt teil. Das steht für "Hart am Limit" und ist ein Alkoholpräventionsprogramm für Kinder und Jugendliche. Nicht wenige konsumieren laut Stadt so viel Alkohol, dass sie mit Vergiftungserscheinungen ins Krankenhaus müssen. Im Rahmen des Projekts sind dem Gesundheitsamt von den Dresdner Kliniken 112 Einweisungen im vergangenen Jahr gemeldet worden, davon 36 Mädchen, die infolge einer Alkoholintoxikationen medizinische Hilfe benötigten. Die Altersspanne reichte insgesamt von 11 bis 17 Jahren.

Wie viele Dresdner mussten insgesamt in die Klinik?

Auch bei den Erwachsenen steht der Alkoholmissbrauch an erster Stelle bei den sogenannten substanzbedingten Krankenhausbehandlungen. In der aktuellen Statistik von 2021 machte dieser rund 74 Prozent aus, so das Gesundheitsamt. Dahinter folgen stationäre Behandlungen aufgrund von multiplem Substanzgebrauch mit rund neun Prozent, wegen Crystal mit sieben Prozent und im Zusammenhang mit Cannabis mit rund fünf Prozent.

"Regelmäßiger Alkoholkonsum ist zwar gesellschaftlich weitestgehend akzeptiert, aber immer riskant. Das Zellgift Alkohol wirkt auf Gehirnzellen ein, diese leiten Informationen daraufhin langsamer weiter", so das Gesundheitsamt. Der Alkoholkonsum habe nicht nur Konsequenzen für die trinkende Person selbst, sondern auch für ihr direktes Umfeld. Des Weiteren berge regelmäßiger Alkoholkonsum auch die Gefahr von Langzeitfolgen, etwa ein erhöhtes Risiko an verschiedenen Krebsarten zu erkranken, das Herz-Kreislauf-System nachhaltig anzugreifen oder eine Abhängigkeit zu entwickeln.

Warum trinken die Menschen zu viel Alkohol?

Die Sozialarbeiterinnen Linda Knechtel, Fanny Klemm und Anne Grötzsch vom Team Suchtprävention der Diakonie beobachten, dass Stress und "cool sein wollen" bei Jugendlichen eine Motivation ist, Alkohol zu trinken. Sie arbeiten viel an Schulen in Präventionsprojekten. Dabei geht es darum, nicht mit dem erhobenen Zeigefinger zu arbeiten, sondern mit den Mädchen und Jungen ins Gespräch zu kommen. Auch zu den Gefahren des Konsums.

"Alkohol wird oft verharmlost, in den Familien gehört das zum Teil dazu, und die Oma bietet dem Kind, ohne etwas Böses zu wollen, zur Jugendweihe den Eierlikör an", sagt Sozialarbeiterin Knechtel. Klinikeinweisungen würden gerade bei Teenagern passieren, da diese noch wenig Erfahrung mit der Substanz hätten oder etwa auf nüchternen Magen trinken.

Die Sozialarbeiter Anne Grötzsch, Arian Speer und Fanny Klemm (v.l.) von SafeDD und sowie dem Fachteam Prävention der Diakonie klären am Bahnhof Neustadt über Alkoholmissbrauch auf.
Die Sozialarbeiter Anne Grötzsch, Arian Speer und Fanny Klemm (v.l.) von SafeDD und sowie dem Fachteam Prävention der Diakonie klären am Bahnhof Neustadt über Alkoholmissbrauch auf. © Sven Ellger

Die Sozialarbeiter von SafeDD, die suchtspezifische Straßensozialarbeit leisten, beobachten, dass die Menschen mitunter auch Probleme wie Arbeits- oder Wohnungslosigkeit mit Alkohol "wegspülen". "Zuletzt haben wir auch beobachtet, dass sich im Zusammenhang mit Corona Mythen gebildet haben, dass Alkohol gegen das Virus helfe", so Sozialarbeiter Arian Speer, der mit seinen Kollegen auch bei der Präventionswoche dabei ist.

Wie viele Suchterkrankte lassen sich helfen?

In den sechs Dresdner Suchtberatungsstellen gab es im Jahr 2020 mit 3.215 Beratungsfällen einen Rückgang der Fallzahlen. 2019 waren es noch 3.533. Alkoholbezogene Anliegen dominierten wie in den Vorjahren mit einem Anteil von rund 48 Prozent das Beratungsgeschehen, gefolgt von Anliegen aufgrund des Konsums illegaler Drogen mit rund 40 Prozent, pathologischem Spielverhalten (5,3 Prozent) und problematischem Mediengebrauch (4,8 Prozent).