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Dresden: Mehr exzessive Trinker, mehr Raucher

Sechs Bier am Abend, für Tausende Dresdner ist das normal, wie eine Umfrage zeigt. Handelt es sich um Arbeitslose in sozial schwachen Stadtteilen? Keineswegs.

Von Julia Vollmer & Sandro Pohl-Rahrisch
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Der Anteil der exzessiven Trinker in Dresden ist gestiegen. Hat die Corona-Krise eine Mitschuld daran?
Der Anteil der exzessiven Trinker in Dresden ist gestiegen. Hat die Corona-Krise eine Mitschuld daran? © Franziska Gabbert/dpa (Symbolfoto)

Dresden. Genuss oder Gewohnheit? Jede dritte Dresdner greift mehr als einmal pro Woche zur Bier- oder Weinflasche. Das hat eine Umfrage der Stadt unter mehr als 6.000 Bürgern ergeben. Ein Teil von ihnen trinkt fast täglich - und viel. Das sind die Ergebnisse im Überblick.

Trinken die Dresdner denn mehr als früher?

Der Anteil der Abstinenzler ist der Bürgerumfrage zufolge seit 2014 gleichgeblieben, was im Umkehrschluss heißt, dass etwa genauso viele Menschen mehr oder weniger regelmäßig trinken. Wie intensiv das geschieht, ist aber höchst unterschiedlich. "Wie oft trinken Sie Alkohol wie Wein, Bier, Schnaps oder Likör", wollte die Stadt wissen. Die meisten, knapp 30 Prozent, antworteten, dass sie zwei- bis viermal im Monat etwas trinken. Ein Viertel greift zwei-, dreimal in der Woche zur Flasche und immerhin zehn Prozent viermal pro Woche und öfter. Der häufigere Konsum hat verglichen zur Befragung 2014 um einen Prozentpunkt zugenommen. Nur 13 Prozent verzichten komplett auf Alkohol.

Was weiß man von den Menschen, die häufig trinken?

Vor allem Befragte, die in der Äußeren und Inneren Neustadt sowie in Tolkewitz, Seidnitz und Gruna leben, trinken regelmäßiger. 17 Prozent greifen in diesen Stadtteilen täglich oder alle zwei Tage zum Alkohol. 2014 standen noch Gorbitz, Loschwitz und Leuben an der Spitze.

Zu den Gründen haben die Statistiker der Stadtverwaltung nicht gefragt. Somit ist unklar, ob die Corona-Krise den Alkoholkonsum erhöht hat. Die Befragung fand allerdings im Frühjahr des vergangenen Jahres statt, als die Pandemie ihren Lauf nahm und der erste Lockdown angeordnet wurde.

Corona hin oder her: Es zeigt sich, dass tendenziell in den Haushalten mehr getrunken wird, in denen vergleichsweise gut verdient wird. Je höher das Einkommen, umso häufiger der Alkoholkonsum, stellt die Verwaltung fest. Unter den Geringverdienern befinden sich dagegen die meisten Dresdner, die von sich sagen, nie zum Alkohol zu greifen. Besonders hoch ist der Anteil der Abstinenzler in Prohlis, Reick und Gorbitz.

Beim Alter sticht keine Gruppe heraus, die besonders häufig oder besonders selten trinkt. Die Annahme vom Einsamkeits-Alkoholismus im Alter lässt sich durch die Umfrage jedenfalls nicht eindeutig bestätigen.

Und wie viel trinken diejenigen, die häufig trinken?

Ein Bier pro Abend? Dabei bleibt es bei der Hälfte der Befragten nicht immer. Sie gaben zu, es komme vor, dass sie sechs oder mehr alkoholische Getränke konsumierten. Bei drei Prozent passiere das jede Woche, bei einem Prozent der 16- bis 90-Jährigen fast jeden Tag. Ein Prozent, das sind rund 4.700 Dresdner. Die Stadt spricht von exzessivem Verhalten.

Wie verbreitet ist es, täglich zu trinken?

Der Schwerpunkt des Alkoholkonsums liegt klar an den Wochenenden. Zwischen Freitag und Sonntag ist auch der exzessive Alkoholkonsum am höchsten. Immerhin: 63 Prozent der Befragten geben an, innerhalb der Woche keine alkoholischen Getränke zu konsumieren. Etwa 33 Prozent trinken montags bis donnerstags im Durchschnitt ein bis zwei Flaschen Bier, Gläser Wein oder Schnäpse pro Tag.

Was überwiegt: regelmäßiger Alkoholkonsum oder Rauchen?

80 Prozent der Befragten raucht nicht. Das waren bei den Bürgerumfragen 2016 und 2018 schon einmal etwas mehr. Nun ist der Nichtraucher-Anteil wieder etwas gesunken. Im Umkehrschluss heißt das: Hochgerechnet rauchen mehr als 94.000 Dresdner. Dabei ist zuletzt die Zahl der regelmäßigen Raucher wieder etwas gestiegen. In fast allen Altersgruppen sei der Trend zu mehr Tabakkonsum zu beobachten, so die Stadt.

"Besorgniserregend ist diese Verhaltensänderung in der jüngsten Altersgruppe von 16 bis 24 Jahre mit einem Anstieg um vier und in der Altersgruppe von 35 bis 44 Jahre von sechs Prozentpunkten." Vor allem Männer greifen zur Kippe. Ähnlich wie beim Alkohol: Wer Arbeit hat, raucht tendenziell häufiger. Unter den Arbeitslosen und den Rentnern ist der Anteil der Nichtraucher am höchsten. Die meisten regelmäßigen Raucher leben gemessen an allen Menschen in den jeweiligen Stadtteilen in Prohlis, Reick, der Leipziger Vorstadt sowie in Pieschen. Am seltensten glimmt es in Loschwitz und Schönfeld-Weißig. Nie rauchende Befragte geben auch häufiger an, nie oder nur gelegentlich zu trinken. Gleichzeitig scheinen regelmäßig Rauchende auch häufiger Alkohol zu konsumieren.

Wie schätzt die Stadt die Entwicklungen ein?

Alkohol ist nach wie vor der häufigste Grund, weswegen die Dresdner eine Suchtberatungs- und Behandlungsstelle aufsuchen, vermeldet der aktuelle Dresdner Suchtbericht. Im Jahr 2019 berieten die Mitarbeiter dieser Dresdner Beratungsstellen in fast jedem zweiten Gespräch Betroffene zum Thema Alkohol. Illegale Drogen hingegen waren in 41 Prozent aller Fälle der Grund, sich Hilfe zu holen.

Alkohol kann zur Gesundheitsgefahr werden und kostet die Krankenkassen beziehungsweise deren Mitglieder jedes Jahr viel Geld. Laut Krankenhausstatistik waren 2018 etwas über drei Viertel, genau 77 Prozent, der mit Drogen in Zusammenhang stehenden Krankenhausaufenthalte alkoholbedingt. Jeder vierte Klinikaufenthalt wird inzwischen auf riskanten Alkoholkonsum zurückgeführt.

Sieht die Stadt Handlungsbedarf?

Im Jahr 2020 haben etwa 500 suchtbelastete Dresdner Erwachsene, in deren Haushalten auch Kinder leben, die Hilfe der städtischen Suchtberatungsstellen in Anspruch genommen, berichtet die Suchtbeauftragte der Stadt, Kristin Ferse. Es gebe aber auch viele Kinder, deren suchtbelastete Eltern keine Hilfe suchen, oder inzwischen Erwachsene, die in ihrer Kindheit von der Sucht ihrer Eltern betroffen waren und bis heute darunter leiden. "Diese Zahlen sind alarmierend, da betroffene Kinder stark unter der Abhängigkeit ihrer Eltern leiden und ein sechsmal höheres Risiko als andere Kinder haben, später selbst eine Abhängigkeitserkrankung zu entwickeln."

Deshalb müsse dringend etwas getan werden, zumal in vielen betroffenen Familien die Suchtprobleme infolge der Corona-Pandemie eher zu- als abnehmen würden und die Isolation betroffener Kinder noch verstärkt werde, so Ferse weiter.

Aus diesem Grund engagiert sich Dresden bei der bundesweiten Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien. So starteten die Radebeuler Sozialprojekte gGmbH gemeinsam mit den Kindern der pädagogisch-therapeutischen Tagesgruppe im Bahnhof Niedersedlitz eine Malaktion. Die Sechs- bis Dreizehnjährigen thematisierten in ihren Zeichnungen ihren ganz persönlichen Umgang mit der Suchterkrankung der Eltern. Die Bilder werden in den kommenden Wochen ausgestellt, unter anderem im Universitäts-Kinder-Frauenzentrum des Uniklinikums.

Mehr zu Beratungsangeboten finden Sie auf www.dresden.de/sucht

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