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Was Dresdens Kulturbürgermeisterin mit dem Heidefriedhof plant

Die Gestaltung des Rondells auf dem Dresdner Heidefriedhof sei eine "Gleichsetzung der Dresdner Opfer mit Millionen ermordeten Juden" und "historisch falsch", sagt Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch. Deshalb will sie etwas ändern.

Von Andreas Weller
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Das Rondell auf dem Heidefriedhof in Dresden wurde mehrfach beschmiert und soll nun umgestaltet werden.
Das Rondell auf dem Heidefriedhof in Dresden wurde mehrfach beschmiert und soll nun umgestaltet werden. © Tino Plunert

Dresden. Nach drei Monaten unfreiwilliger Auszeit ist auch Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Linke) zurück in der Dresdner Stadtspitze. Im Zuge des Bürgermeisterstreits wäre sie allerdings beinahe weg gewesen, sagt sie nun Sächsische.de. Neben vier Leitlinien ist es der Kulturbürgermeisterin ein Anliegen, auf dem Heidefriedhof umzugestalten. Weshalb Veränderung aus ihrer Sicht wichtig ist.

Bewerbungen bereits abgeschickt

Klepsch freut sich, dass sie nach dem Hin und Her wieder ihre Arbeit aufnehmen konnte. "Ich habe mich bereits anderweitig beworben", erzählt sie. Konkret habe sie nach Stellen in der öffentlichen Verwaltung und in den Bereichen Wissenschaft und Kultur geschaut. "Ich freue mich über neue Herausforderungen und habe eine Familie zu ernähren, mit drei Kindern und einem studierenden Sohn." Deshalb habe auch sie sich umschauen müssen, als die Besetzung der Dresdner Bürgermeister zur monatelangen Hängepartie geworden ist.

"Ich hätte mich auch als Quereinsteigerin für den Schuldienst beworben. Denn ursprünglich wollte ich Lehrerin werden, nur war das in den neunziger Jahren in Sachsen perspektivlos. Es war von vornherein klar, dass Bürgermeisterin ein zeitlich begrenztes Wahlamt ist. Deshalb muss man immer in der Lage sein, sich in so einer Situation neu zu erfinden", so Klepsch. "Aber ich bin sehr gerne zurückgekommen." Schließlich habe sie noch viel vor in ihrem Geschäftsbereich.

"Familien waren zerrissen"

Schlaglichtartig definiert Klepsch vier Leitlinien bis 2030, um die es konkret gehen soll: Klimaschutz und Nachhaltigkeit in den Dresdner Kultureinrichtungen, Internationalisierung und Diversität, kulturelle und soziale Teilhabe und das große Thema Frieden und Demokratie.

Insbesondere beim letztgenannten Komplex sieht sie es als Aufgabe, die Diskursfähigkeit der Dresdner Stadtgesellschaft zu fördern. Corona und die Schutzmaßnahmen hätten diese erneut gespaltet. "Alle waren auf sich selber zurückgeworfen, Familien waren bei Themen wie dem Impfen zerrissen", so Klepsch. "Jetzt bewegt der Krieg in der Ukraine und die Friedenssicherung die Menschen."

Klima-Kleber sind "eine Art Kulturkampf"

Die Frage des Umgangs mit Putin und Russland spalte nun erneut. "Wir brauchen den Diskurs, müssen aufeinander zugehen und zuhören", fordert Klepsch. "Kultur hat die Möglichkeit, diesen Diskurs zu befördern." Deshalb sei es auch so wichtig, dass beispielsweise die Dresdner Philharmonie und die Zentralbibliothek Veranstaltungen wie die unter dem Titel "Meinungsfreiheit" am 24. März anlässlich der Jahrestage "90 Jahre Bücherverbrennungen in Dresden" im Kulturpalast organisieren.

Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch will Diskursmöglichkeiten für die "auseinanderdriftende Mitte" schaffen.
Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch will Diskursmöglichkeiten für die "auseinanderdriftende Mitte" schaffen. © René Meinig

Dort diskutieren unter anderem die häufig attackierte ZDF-Moderatorin Dunja Hayali und Thomas de Maizière (CDU), den Studierende in Berlin 2013 als Bundesverteidigungsminister nicht zu Wort kommen ließen. "Diskursfähigkeit einer Gesellschaft braucht permanente und auch analoge Angebote – aber nicht immer für die extremen Pole, sondern für die auseinanderdriftende Mitte", so die Kulturbürgermeisterin. Die Diskussion sei nie abgeschlossen, weil sich Rahmenbedingungen permanent ändern – sei es durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz oder geopolitische Entwicklungen. Dazu gehöre auch das Festkleben auf Straßen. "Die Aktionen von Letzte Generation und Fridays for Future sind eine Art Kulturkampf um die Frage, wie der Klimaschutz gelingen kann", meint Klepsch.

"Das ist eine Täter-Opfer-Umkehr"

Beim Thema Erinnerungskultur müsse man künftig den Fokus noch mehr auf die Aufarbeitung und das Sichtbarmachen der NS-Diktatur in Dresden legen. "Mit dem Ideenwettbewerb "Gedenkareal Dresdner Norden" zum Zeigen von Täter- und Opferorten und der Entwicklung des Alten Leipziger Bahnhofs als Gedenkort an die Deportationen sowie der Transformation der AG 13. Februar in einen Beirat für Erinnerungskulturen haben wir diese Themen neu akzentuiert, das muss nun fortgesetzt werden", sagt Klepsch.

Besonders im Blick hat sie da den Heidefriedhof. Dort müsse vor allem am "Rondell im Ehrenhain" etwas geändert werden. Denn für die 14 Sandsteinstelen dort wurden 1964 jeweils Orte ausgewählt, die stellvertretend für die Stätten des Zweiten Weltkrieges stehen – sieben Säulen für die Vernichtungslager Auschwitz, Bergen-Belsen, Buchenwald, Dachau, Ravensbrück, Sachsenhausen und Theresienstadt, vier für von Deutschland angegriffene und zerstörte Städte (Coventry, Leningrad, Rotterdam und Warschau), für Massaker an der Zivilbevölkerung durch Wehrmacht und SS stehen Lidice und Oradour und dazu gibt es eine Stele für die Opfer der Bombardierung Dresdens. "Diese Gleichsetzung der Dresdner Opfer mit sechs Millionen ermordeten Juden ist historisch falsch. Das ist eine Täter-Opfer-Umkehr", so Klepsch. Deshalb müsse mindestens die Dresden-Stele in geeigneter Form eine Erklärung zur Einordnung erhalten.

Wie genau, daran soll in diesem Jahr mit Fachleuten gearbeitet werden. Ziel ist es, die unter Denkmalschutz stehende Gedenkanlage bis zum 80. Jahrestag der Zerstörung Dresdens zu kontextualisieren, also bis zum 13. Februar 2025. "Wir stimmen uns dazu sowohl mit dem für die Friedhöfe zuständigen Umweltbereich als auch mit dem zukünftigen Beirat für Erinnerungskulturen ab", erklärt Klepsch. Allerdings sei im Haushalt noch kein Geld dafür eingeplant, auch das müsse geklärt werden.

Die Menschenkette zum 13. Februar wird inzwischen in Teilen der Stadt als ambivalent gesehen angesichts unterschiedlichster Akteure, die sich einreihen. Mit Blick auf Überlebende des Februar 1945 und deren Nachfahren sei sie weiterhin notwendig auf den innerstädtischen Plätzen, "solange Rechtsextreme diesen Tag instrumentalisieren", so die Kulturbürgermeisterin. "Ich denke, dass man die Menschenkette als geeignete Form erst hinterfragen kann, wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt."