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Die Vierlinge von Dresden: So wurden die Babys gerettet

Beinahe wären die Dresdner Vierlinge extrem früh zur Welt gekommen. Wie es den Ärzten des Uniklinikums gelungen ist, den Geschwistern bessere Überlebenschancen zu ermöglichen.

Von Juliane Just
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Um die zwei Jungen und zwei Mädchen auf die Welt zu bringen, brauchte es ein 25-köpfiges Team im Dresdner Uniklinikum.
Um die zwei Jungen und zwei Mädchen auf die Welt zu bringen, brauchte es ein 25-köpfiges Team im Dresdner Uniklinikum. © UKD/Marc Eisele

Dresden. Medizinisch gesehen sind sie eine Seltenheit: Mitte August sind im Dresdner Uniklinikum Vierlinge geboren worden. Statistisch gesehen liegt die Wahrscheinlichkeit nach natürlicher Empfängnis dafür bei 1 zu 600.000. Die Geschwister Sham, Joud, Ahmad und Ayham sind also eine kleine Sensation - für ihre Eltern und die Ärzte.

Drei Wochen, bevor die Kinder auf die Welt kamen, wurde die mehrfache Mutter aus Sachsen im Uniklinikum stationär aufgenommen, erinnert sich Professorin Pauline Wimberger. Sie ist die Direktorin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Uniklinikum. Die Frau mit dem "riesigen Bauch" hatte vorzeitige Wehen und einen verkürzten Gebärmutterhals - keine guten Zeichen. "Bei diesem Fall handelte es sich um eine extreme Risikoschwangerschaft", sagt Pauline Wimberger.

Und obwohl das Uniklinikum auf Frühgeburten und Mehrlingsgeburten spezialisiert ist, kommen Vierlinge auch hier nicht alle Tage vor. Knapp 40 Jahre ist die letzte dokumentierte Vierlingsgeburt in dem Krankenhaus - damals noch mit dem Namen Johannstädter Klinikum - her. "So eine Vierlingsgeburt ist etwas ganz Besonderes", so Wimberger.

Kinder sollten solange wie möglich im Mutterleib verbleiben

Dass die Kinder zu früh geboren werden, ist rein medizinisch gesehen fast unumgänglich - im Bauch ist nur wenig Platz und der weibliche Körper hat zu kämpfen, um vier kleine Menschen zu versorgen. Die Mutter erhielt Medikamente, um die vorzeitigen Wehen zu stoppen. Das wichtigste Heilmittel für sie: Ruhe und Schonung.

Professorin Pauline Wimberger, Direktorin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Dresdner Uniklinikum, und der Leitende Oberarzt Professor Cahit Birdir. Er hat die Betreuung der Schwangeren und die anschließende Geburt koordiniert.
Professorin Pauline Wimberger, Direktorin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe am Dresdner Uniklinikum, und der Leitende Oberarzt Professor Cahit Birdir. Er hat die Betreuung der Schwangeren und die anschließende Geburt koordiniert. © UKD

"Wir wollten verhindern, dass die Kinder extrem früh auf die Welt kommen. In dieser Situation zählt jede Woche, die die Kinder im Mutterleib verbleiben", so Wimberger. Die Werte der Mutter und Kinder wurden überwacht - drei Wochen konnten so gewonnen werden.

In Absprache mit den Kinderärzten wurde geplant, wann die Kinder auf die Welt gebracht werden könnten - wenn nichts dazwischenkommt. "Die Vierlinge waren eine hohe Belastung für den Kreislauf der Mutter. Komplikationen hätten jederzeit auftreten können", erklärt Pauline Wimberger. Geht die Zahl der Kinder im Mutterleib über zwei hinaus, wird von einer natürlichen Geburt abgesehen, da das Risiko für die Kinder zu hoch ist, Schäden zu erleiden.

25-köpfiges Team für den Kaiserschnitt der Vierlinge

In der 30. Schwangerschaftswoche, also im achten Monat, wurden die Kinder schließlich per Kaiserschnitt auf die Welt gebracht. Jedes Neugeborene, das vor der 37. Schwangerschaftswoche auf die Welt kommt, gilt als Frühchen. Inzwischen ist die Medizin aber so weit, dass theoretisch Kinder gerettet werden könnten, die in der 24. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen.

Im OP-Saal des Klinikums arbeiteten Gynäkologen, Kinderärzte sowie Hebammen und Pflegekräfte Hand in Hand. "Insgesamt 25 Personen wirkten an der Geburt mit", sagt der Leitende Oberarzt Professor Cahit Birdir. Er verantwortet den Kreißsaal und hat im Fall der Vierlinge die Betreuung der Schwangeren und die anschließende Geburt in enger Absprache mit den Kinderärztinnen und Ärzten koordiniert. "Die Gesundheit der Mutter und der Kinder hatte oberste Priorität."

Es dauerte insgesamt 45 Minuten, um alle vier Kinder auf die Welt zu bringen. Das ist nicht viel länger, als ein Kaiserschnitt mit einer Einlingsschwangerschaft dauern würde. Für jedes einzelne Kind stand dabei ein komplettes Team bereit, dass die Erstversorgung nach der Entbindung übernahm. Die außerordentliche Teamleistung loben beide beteiligte Ärzte - geben aber auch zu, dass es ein Kraftakt war.

Sham kam mit 1.325 Gramm als Erste auf die Welt, gefolgt von ihrem Bruder Ahmad, der mit einem Gewicht von 1.405 Gramm der Schwerste der Vier war. Ayham, der mit 1.210 Gramm am wenigsten wog, lies seiner Schwester Joud mit 1.225 Gramm jedoch den Vortritt. Was für den Leser wenig klingt, bereitete den Medizinern jedoch keine Sorge. "Für den Umstand, dass es Vierlinge waren, war die Entwicklung der Kinder der Schwangerschaftswoche entsprechend", so Professorin Wimberger.

Mitte August wurden Sham, Joud, Ahmad und Ayham im Dresdner Uniklinikum geboren. Medizinisch gesehen sind sie eine Seltenheit.
Mitte August wurden Sham, Joud, Ahmad und Ayham im Dresdner Uniklinikum geboren. Medizinisch gesehen sind sie eine Seltenheit. © UKD/Marc Eisele

Auf der Neugeborenen-Intensivstation wurden die Geschwister dann in Inkubatoren, umgangssprachlich auch Brutkasten genannt, versorgt. Diese Geräte schaffen eine dem Mutterleib nachempfundene Umgebung. Darin werden alle wichtigen Körperfunktionen der Kleinen überwacht und gegebenenfalls unterstützt.

Zwei Monate blieben die Kinder in stationärer Behandlung in Dresden. Dabei wurden auch die Eltern auf die Versorgung von Frühgeborenen geschult. Außerdem haben sie Unterstützung für die Zeit zu Hause erhalten.