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Neue Götterskulpturen für Großen Garten: Herkules und Silen schmücken das Palais

Steinbildhauer haben nach historischen Vorbildern Marmorskulpturen von Herkules und Silen neu geschaffen. Welcher Aufwand dafür nötig ist, die Originale zu kopieren.

Von Peter Hilbert
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Während die Marmorskulptur von Herkules (l.) bereits steht, schwebt die Figur von Silen noch am Kranarm auf den Sockel. Nach Jahrzehnten zieren der antike Halbgott und der Waldgeist wieder die Rückseite des Palais.
Während die Marmorskulptur von Herkules (l.) bereits steht, schwebt die Figur von Silen noch am Kranarm auf den Sockel. Nach Jahrzehnten zieren der antike Halbgott und der Waldgeist wieder die Rückseite des Palais. © Sven Ellger

Dresden. Jahrzehntelang waren die Sockel am Palais im Großen Garten verwaist. Jetzt steht links bereits wieder Herkules mit Keule und Löwenhaut: Im Arm hält der antike Halbgott die Figur seines Sohnes Telephos. Währenddessen schwebt am Dienstagmittag die über zwei Meter große Marmorskulptur des antiken Waldgeistes Silen mit dem Bacchusknaben, die ebenfalls der antiken Mythologie entstammt, am Arm des hydraulischen Spinnenkrans auf ihren Sockel.

"Es ist schön, dass wir die Figuren von Herkules und Silen heute wieder aufstellen können", sagt Jörg Scholich, der die zuständige Dresdner Niederlassung des Staatsbetriebes Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB) leitet, bei der Übergabe. Für die beiden bedeutenden Kunstwerke habe der Freistaat im Zuge des Skulpturenprogramms rund 440.000 Euro investiert.

"Wir sind sehr zufrieden, wie es gelungen ist, die beiden Götterskulpturen neu zu kopieren", fügt SIB-Sachgebietsleiter Kai-Uwe Beger hinzu. Denn die alten Originale sind marode und stehen schon lange im Palais im Großen Garten. "Die Oberflächen waren so verwittert, dass die feinen Strukturen kaum noch zu erkennen sind", sagt er.

Steinbildhauer Frank Schauseil (l.) hat die Marmorskulptur von Herkules geschaffen, sein Kollege Stefan Dürre die von Silen, die im Hintergrund zu sehen ist.
Steinbildhauer Frank Schauseil (l.) hat die Marmorskulptur von Herkules geschaffen, sein Kollege Stefan Dürre die von Silen, die im Hintergrund zu sehen ist. © Sven Ellger

Die Herkules-Skulptur hat der Dresdner Steinbildhauer Frank Schauseil seit Ende 2019 geschaffen, die von Silen mit dem Bacchusknaben sein Kollege Stefan Dürre. Der 59-jährige Dresdner ist nicht nur Steinbildhauer, sondern auch promovierter Kunsthistoriker. Mit diesem Fachwissen plant er vor allem die Restaurierung historischer Skulpturen. Das weiß SIB-Sachgebietsleiter Beger zu schätzen. "Dr. Dürre hat die gesamte Historie der Skulpturen im Großen Garten erforscht und die wissenschaftliche Grundlage zur Herstellung von Kopien erarbeitet", sagt Beger.

Sachsens Kurfürst August der Starke hatte seine Einkäufer einst nach Italien geschickt, um Marmor-Kunstwerke zu erwerben und sie in Dresden aufstellen zu lassen. In Rom stellte der französische Bildhauer Pierre L 'Estache die Silen-Skulptur nach dem Vorbild eines antiken Originals aus dem zweiten Jahrhundert her. August der Starke hatte die Kopie bei ihm bestellt. Bei dieser Skulptur hält Silen den Bacchusknaben im Arm. Zuerst stand sie im Garten des Japanischen Palais. 1730 kam sie mit 160 weiteren Marmorskulpturen in den Großen Garten, wo die Skulptur auf der Stadtseite vor dem Palais aufgestellt wurde, erläutert Kunsthistoriker Dürre.

Das historische Foto zeigt die originalen Marmorskulpturen von Herkules (l.) und Silen, die bis 1945 vor dem Palais im Großen Garten standen.
Das historische Foto zeigt die originalen Marmorskulpturen von Herkules (l.) und Silen, die bis 1945 vor dem Palais im Großen Garten standen. © Deutsche Fotothek

Daneben stand das Marmor-Kunstwerk des Halbgottes Herkules, der seinen Sohn Telephos im Arm hält, das ebenfalls der französische Bildhauer in Rom hergestellt hatte. Beim Bombenangriff im Februar 1945 wurden Silen und Herkules beschädigt und eingelagert. Erst 1992 setzte die Dresdner Bildhauerfirma Hempel sie wieder zusammen, sodass die stark überarbeiteten und ergänzten Skulpturen seitdem im Palais stehen. Doch sie waren nicht standsicher genug, sodass die beiden Sockel vorm Palais verwaist blieben.

"Die 161 um 1730 aufgestellten Marmorskulpturen wurden bis in die 1750er Jahre noch um 60 weitere ergänzt", erläutert Dürre. "Es war ein sehr qualitätsvoller Skulpturenpark, der nördlich der Alpen nur mit Versailles vergleichbar war." Die Kunstwerke standen dort bis zum Siebenjährigen Krieg. Doch nachdem die Preußen Dresden besetzt hatten, wurden 1760 viele Skulpturen zerstört. Heute zieren den Großen Garten davon nur noch vier originale Marmorskulpturen und drei Kopien. Außerdem gibt es dort noch zahlreiche barocke Sandsteinskulpturen.

Der Freistaat investiert rund 3,9 Millionen Euro dafür, dass marode Marmorskulpturen im Großen Garten kopiert werden, erläutert SIB-Sachgebietsleiter Beger. Zum Auftakt waren jeweils rund fünf Tonnen schwere Marmorblöcke in die Werkstätten der Steinbildhauer im Dresdner Industriegelände gebracht worden, wo die Arbeiten an den Kopien Ende 2019 begonnen hatten.

Das ist Bildhauer Frank Schauseil zum Auftakt der Arbeiten im Dezember 2019 am Gipsmodell, nach deren Vorbild er die Marmorkopie fertigt. Am Gipsmodell bearbeitete er damals noch Feinheiten.
Das ist Bildhauer Frank Schauseil zum Auftakt der Arbeiten im Dezember 2019 am Gipsmodell, nach deren Vorbild er die Marmorkopie fertigt. Am Gipsmodell bearbeitete er damals noch Feinheiten. © Sven Ellger

Für die Bildhauer war viel Aufwand nötig, um die Skulpturen entsprechend dem historischen Vorbild herzustellen. Beispielsweise sei Anfang der 1990er Jahre der Kinderkopf für Telephos neu hergestellt worden, der anders als beim Original aussieht. Das Original von Herkules war so bearbeitet und ergänzt, dass es zu stark verändert ist, erläutert Frank Schauseil. Der 54-Jährige ist erfahren, hat schon als Geselle kleine Marmorkopien anfertigen können. Er hatte Steinmetz und später Steinbildhauer gelernt und dann noch ein Studium zum Diplom-Bildhauer absolviert.

Die Bearbeitung des harten Materials ist etwa dreimal so aufwendig wie das Formen von Sandstein, erklärt Schauseil. Denn Marmor ist wesentlich fester. "Man muss aber sehr behutsam rangehen", sagt der Bildhauer. Das hat er getan. Schließlich sollen die verschiedenen dargestellten Materialien, wie Haare, Fell oder Hautpartien, auch gut wirken.

Kunstformermeister André Zehrfeld zeigt die Negativform einer Skulptur in seiner Rähnitzer Werkstatt. So entstehen Gipsmodelle, nach deren Vorbild Kopien wie die von Herkules und Silen geschaffen werden.
Kunstformermeister André Zehrfeld zeigt die Negativform einer Skulptur in seiner Rähnitzer Werkstatt. So entstehen Gipsmodelle, nach deren Vorbild Kopien wie die von Herkules und Silen geschaffen werden. © Sven Ellger

Als Vorbild für die Kopien hatte der Dresdner Kunstformer André Zehrfeld genauso große Gipsmodelle geliefert. "Ich hatte am Ende die Nähte bearbeitet und das Modell anhand alter Fotos ergänzt, sodass es dem historischen Vorbild entspricht", erklärt Steinbildhauer Dürre. Nach dem Vorbild des Modells fertigte er die Silen-Kopie.

Zuerst wurden die groben Konturen hergestellt, erläutert Dürre den Auftakt. Mit seinem Stift habe er dabei etwa 350 Punkte auf ihr markiert, um danach die Oberfläche zu bearbeiten. Letztlich war die Oberfläche so, dass in der nächsten Runde bei der Feinbearbeitung noch etwa 1,5 Zentimeter von der Marmor-Skulptur abgetragen werden mussten.

Mit seinem kleinen Presslufthammer bearbeitete Steinbildhauer Stefan Dürre im November 2020 die Kopie der Silen-Skulptur. Als Vorbild dafür diente das Gipsmodell (l.).
Mit seinem kleinen Presslufthammer bearbeitete Steinbildhauer Stefan Dürre im November 2020 die Kopie der Silen-Skulptur. Als Vorbild dafür diente das Gipsmodell (l.). © Sven Ellger

Der Steinbildhauer schätzt, dass er dabei mit seinem Punktiergerät insgesamt rund 5.000 Punkte vom Modell zur Kopie übertragen hat, damit die Maße genau stimmen. Um beispielsweise ein Auge herzustellen, mussten etwa 20 Punkte auf wenigen Quadratzentimetern markiert werden, bei glatten Flächen waren es weniger.

Bei der Feinbearbeitung kam es letztlich auf den Millimeter an. "Um die Flächen zwischen den Punkten dem Original entsprechend genau zu bearbeiten, sind ein gutes Auge und Einfühlungsvermögen erforderlich", erzählt der Experte. Zum Schluss wurde die Oberfläche noch in drei Gängen mit über 20 verschiedenen Raspeln bearbeitet und letztlich mehrfach mit Sandpapier geschliffen. Nun stehen Herkules und Silen wieder vorm Palais im Großen Garten.