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Tod eines 22-Jährigen aus Afghanistan: Totschlag oder Mord?

Ein 22-Jähriger aus Afghanistan soll 2021 einen Landsmann in Dresden getötet haben. Das Schwurgericht kommt nach der Beweisaufnahme zu einem anderen Ergebnis als die Staatsanwaltschaft.

Von Alexander Schneider
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Ende Juni wurde ein 21-jähriger Mann aus Afghanistan in seiner Wohnung getötet. Der Täter, der sich anschließend freiwillig stellte, wurde nun verurteilt - allerdings nicht wegen Mordes, wie es die Staatsanwaltschaft gefordert hatte.
Ende Juni wurde ein 21-jähriger Mann aus Afghanistan in seiner Wohnung getötet. Der Täter, der sich anschließend freiwillig stellte, wurde nun verurteilt - allerdings nicht wegen Mordes, wie es die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. © Archivfoto: Benno Löffler

Dresden. Kleine Überraschung im Prozess um den gewaltsamen Tod eines Afghanen im Sommer dieses Jahres. Der Angeklagte Omid A. (22) wurde nun am Landgericht Dresden nicht wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe, sondern wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren und vier Monaten verurteilt.

Laut Anklage soll Omid A. seinen "Freund" und Landsmann Ahmad am frühen Morgen des 27. Juni 2022 in dessen Wohnung in einem Hochhaus am Amalie-Dietrich-Platz getötet haben. Er habe zunächst seinem Opfer mit einem Messer in den Hals gestochen. Anschließend habe A. mindestens 100 Euro des Schwerverletzten genommen und das Geld in einer Spielothek in der Kesselsdorfer Straße verzockt.

Dann sei er wieder in die Wohnung des 21-Jährigen zurückgekehrt, habe den verletzten mit einem Gürtel erdrosselt und sich noch an dem Morgen der Polizei gestellt. Die Staatsanwaltschaft wertete das Vorgehen des Angeklagten zum Prozessauftakt als versuchten Totschlag und anschließenden Mord, um die vorangegangene Straftat, den Diebstahl des Geldes, zu verdecken. Zahlreiche Videos von Überwachungskameras schienen diese Version zu belegen.

Richter gehen von anderem Tatablauf aus

Das Schwurgericht kam nach dem mehrwöchigen Prozess jedoch zu einem anderen Tatablauf. "Es war ein zeitlich begrenzter Rahmen. Die Tötungshandlungen gingen nahtlos ineinander über", sagte der Vorsitzende Richter Herbert Pröls.

Danach habe der Angeklagte mit dem Opfer gestritten, zugestochen und dem Gegner unmittelbar danach mit dem Gürtel die Luft abgewürgt. Dieser Ablauf sei spontaner und entspreche mehr dem Vorgehen des Angeklagten. "Wir wissen, wie schnell der Angeklagte aggressiv wird", so Pröls mit Blick auf Vortaten des 22-Jährigen.

Die Kammer zog aus den Videobildern den Schluss, dass A. seinen bekannten bereits nach der ersten Begegnung getötet und sich umgezogen und gereinigt habe. Was der Angeklagte, der im selben Haus wie sein Opfer lebte, beim zweiten Besuch in der Wohnung machte, blieb unklar. Möglicherweise habe er das Opfer mit Decken und Kissen bedeckt.

Todeszeitpunkt korrigiert

Zwei weitere Punkte unterstützten das Ergebnis der Richter. So hätten nach der Tatversion der Staatsanwaltschaft deutlich mehr Blutspritzer am Tatort gefunden werden müssen. Hinzu kommt, dass die Gerichtsmedizinerin angeblich erst in der Hauptverhandlung erfahren habe, dass der Leichnam bedeckt worden war und daher den Todeszeitpunkt habe korrigieren müssen.

Ob das Geld, das A. verzockt habe, tatsächlich vom Geschädigten stammte, blieb ebenso unklar, wie der verbleib der Tatwaffe und des Handys des Angeklagten. Es gab auch Hinweise, dass die Männer sich wegen der früheren Partnerin des Opfers gestritten haben könnten.

Im Prozess wurde offenbar auch deutlich, dass Ahmad gastfreundlich gewesen sei und dem Angeklagten mehrfach geholfen habe. A. sei bei ihm "ein und aus gegangen", habe auch Essen von ihm bekommen. "Persönlichkeitsimmanent", so Pröls, sei jedoch, dass A. bei Streiten schnell in ein aggressives Verhalten übergehe.

Nachdem sich A. freiwillig gestellt hatte, machte er keine Angaben mehr zu den Vorwürfen. Auch im Gerichtssaal schwieg er. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.