SZ + Update Dresden
Merken

Video: Erste Fahrt der neuen Dresdner Straßenbahn

Die neue, breite Bahn für Dresden hat am Vormittag den Betriebshof in Gorbitz verlassen. Was die erste Testfahrt gezeigt hat.

Von Christoph Springer
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Von Gorbitz hinauf nach Gompitz und Pennrich führte die erste Fahrt der neuen Dresdner Straßenbahn.
Von Gorbitz hinauf nach Gompitz und Pennrich führte die erste Fahrt der neuen Dresdner Straßenbahn. © Sven Ellger

Dresden. Abfahrt war um 10.32 Uhr und damit 13 Minuten früher als geplant. Im Linienverkehr ist so etwas undenkbar, mehr noch als eine Verspätung. Doch in diesem Fall passte es, schließlich soll die neue Dresdner Straßenbahn so bald wie möglich einsatzbereit sein. An diesem Montag fand die erste Ausfahrt der Bahn mit der Nummer 2901 statt. Sie dauerte etwa eine Stunde, und das Wichtigste für die Verantwortlichen der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) war dabei das Ergebnis: Es gab keine Probleme.

Abfahrbereit in Gorbitz: Die Neue ist an der Linie oberhalb der Drehgestelle zu erkennen. Dort werden die Wagenkästen breiter, so ist mehr Platz in der Bahn.
Abfahrbereit in Gorbitz: Die Neue ist an der Linie oberhalb der Drehgestelle zu erkennen. Dort werden die Wagenkästen breiter, so ist mehr Platz in der Bahn. © Archivfoto: Sven Ellger

Uwe Kretzschmar hatte die Ehre. Er ist Fahrlehrer und gehört zu den DVB-Mitarbeitern, die bereits erfolgreich die Schulung für die Neue absolviert haben. Kretzschmar durfte die 43 Meter lange Bahn auch schon fahren, bisher aber nur auf dem Betriebsgelände der Verkehrsbetriebe in Gorbitz. "Das ist schon anders, man merkt, dass sie breiter ist", beschreibt er, was er dabei erlebt hat.

Jetzt interessiert ihn, wie die Elektromotoren und Bremsen auf freier Strecke funktionieren, gerade beim Anstieg von Gorbitz hinauf nach Pennrich.

Mit der 2901 reiht er sich in Gorbitz in die fahrplanmäßigen Bahnen der Linie 7 ein. Dann drückt er links den Fahrhebel nach vorn und die Neue kommt in Schwung. Dabei rattert der letzte der fünf Wagenteile kräftig auf den glatten Schienen. "Die Räder sind nicht rund, bei Bremsproben wurden sie abgeschliffen", erklärt ein DVB-Mitarbeiter. Das ist laut, bei dieser Fahrt aber kein Problem. Sie müssen allerdings noch einmal bearbeitet werden.

Erste Fahrten in Schrittgeschwindigkeit

Vorn in der Bahn haben Techniker auf den Sitzen zwei Holzplatten mit allerlei Instrumenten und Computeranschlüssen montiert. Dort stehen normalerweise ihre Laptops, mit denen sie Daten wie die Beschleunigung messen und einstellen können. Bei dieser Fahrt prüft nur ein Kollege Daten auf einem Bildschirm, alle anderen Laptop-Plätze bleiben bei dieser Fahrt leer.

"Wir haben die Bahn in Bautzen statisch in Betrieb genommen", erklärt Alstom-Projektleiter André Daniel. Das heißt, sie wurde eingeschaltet, fahren konnte sie dort noch nicht. Das ging erst im Oktober in Dresden und nur in Schrittgeschwindigkeit. Das Abschleppen wurde geprobt, das Eingleisen der Bahn, dann durfte sie schnellere Runde in Gorbitz drehen. Bis zu 60 Stundenkilometer waren möglich, Bremsprüfungen wurden erledigt.

Kontrolle an Bahnsteigkanten

Uwe Kretzschmar muss an diesem Montag keine Zurückhaltung zeigen. Er darf auf den Gleisen neben der Straße die Höchstgeschwindigkeit fahren. Das sind 70 km/h, auch bergab. Mehr geht nicht, die Technik der Bahn greift ein, sollte die virtuelle Tachonadel in der Bildschirmanzeige vor dem Fahrer weiter klettern wollen.

Neben Kretzschmar stehen im Führerstand an diesem Montag Jan Silbermann und Holger Seifert. Silbermann ist Betriebsleiter der Verkehrsbetriebe, verantwortet damit den kompletten Fahrverkehr. Seifert leitet die Straßenbahn-Sparte des Unternehmens, hat die Vorgaben für die Neue federführend mit erarbeitet und kennt sie bereits aus dem Effeff.

Sie haben festgelegt: An den drei Haltestellen, die die Bahn bis hinauf nach Pennrich passiert, wird höchstens Schrittgeschwindigkeit gefahren. Sie selbst werden vorher aussteigen und genau beobachten, ob die Neue auch an die Bahnsteigkanten passt. Denn das ist bei der breiteren Bahn, die durch die Verjüngung der Karosserie in Höhe der Drehgestelle auffällt, eine der entscheidenden Fragen.

Das Kriechtempo kommt an diesem Montag zugleich allen zugute, die an der Strecke stehen, um die Neue zu fotografieren und zu filmen. Es sind hunderte Straßenbahnfans, sogar eine Kindergartengruppe gehört dazu.

Der Test beweist an allen Stationen stadtaus- und stadteinwärts sowie an der Endstation in Pennrich: Die Verantwortlichen haben richtig gerechnet. Die Neue bekommt keinen Kratzer und erfüllt auch sonst alle Erwartungen.

Weitere Fahrten ab Anfang Januar

"Die Beschleunigung ist toll", sagt Silbermann, "ganz weich geht es los und dann zieht sie so richtig an", hat er am Anstieg nach Gompitz festgestellt. Bergab bremst Fahrlehrer Kretzschmar auf freier Strecke bis zum Stillstand - noch ein Test, der problemlos funktioniert.

An den Haltestellen hat Jan Silbermann den Abstand zwischen der Bahn und der Kante genau im Blick.
An den Haltestellen hat Jan Silbermann den Abstand zwischen der Bahn und der Kante genau im Blick. © Sven Ellger

Doch es ist noch lange nicht der letzte Test, den die 2901 vor der offiziellen Inbetriebnahme bestehen muss. Voraussichtlich ab dem 5. Januar wird sie regelmäßig in Dresden zu sehen sein - vor allem auf der Strecke der Linie 2 (Gorbitz-Kleinzschachwitz). Dort soll sie ab dem Frühjahr zuerst im Linienbetrieb eingesetzt werden.

Testfahrten mit Gewichten

Dabei geht es erneut um die Haltestellen auf der Strecke und den Platz, den die Bahn dort braucht. Es geht dann auch darum, ob sie überall wie berechnet um die Kurven passt, ob es irgendwo trotz aller anderslautenden Rechenergebnisse Platzprobleme mit entgegenkommenden Straßenbahnen geben könnte und wie sie sich auf den Linienstrecken fährt. Dazu werden Gewichte und Sandsäcke eingeladen, insgesamt rund 28 Tonnen, um die Fahr- und Bremsleistungen mit "Passagieren" überprüfen zu können.

Zuvor werden in Gorbitz weiter Fahrer auf der Neuen geschult. Dabei werden sie bemerken, was auf Silbermann und Seifert bei der Testfahrt festgestellt haben. Der "Sound" der neuen Bahn ist anders, als der der bekannten. Sie fährt leiser, die Elektromotoren begleiten die Beschleunigung nur mit einem leisen Pfeifen. Ob sie dennoch zu laut ist, muss übrigens auch noch gemessen werden bei den Testfahrten durch die Stadt, bevor die Neue dann die Zulassung für den Linienbetrieb bekommt.

Alle anderen der 30 breiteren Straßenbahnen, die die DVB bestellt haben, müssen diesen umfangreichen Tests dann nicht noch einmal absolvieren. Alle dabei gewonnen Daten werden auf sie übertragen, sodass sie binnen kurzer Zeit ebenfalls eingesetzt werden können.