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"Radweg führt nicht automatisch zu mehr Stau auf der Bautzner Straße in Dresden"

Für Radfahrer sollen zwei Fahrstreifen an der Bautzner Straße in Dresden wegfallen. Ob es zwei oder vier Streifen gibt, spielt keine große Rolle, sagt Verkehrsplaner Axel Ahrens. Entscheidend seien die Knotenpunkte.

Von Kay Haufe
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Die Knotenpunkte an der Bautzner Straße in Dresden sind knifflig, sagt Verkehrsplaner Axel Ahrens.
Die Knotenpunkte an der Bautzner Straße in Dresden sind knifflig, sagt Verkehrsplaner Axel Ahrens. © Marion Doering

Dresden. Im Oktober soll die Bautzner Straße zwischen Brockhaus- und Schillerstraße beidseits drei Meter breite Radfahrstreifen erhalten. Dann müssen sich Busse genau wie der Autoverkehr eine Spur mit den Straßenbahnen teilen. Diese Pläne von Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne) hatten vor wenigen Tagen für Diskussionen gesorgt. Der Wegfall einer Auto-Fahrspur führe zu Staus, unter denen auch der öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) leide, befürchten viele. Der Radfahrverband ADFC dagegen begrüßte die Pläne.

Probleme sieht die Industrie- und Handelskammer (IHK) mit dieser Lösung. "Die Bautzner Straße ist eine Bundesstraße und mit täglich knapp 22.000 Fahrzeugen eine der wichtigsten Verkehrsmagistralen Dresdens. Ich kann wirklich nicht nachvollziehen, warum dem Radverkehr der gleiche Raum zugesprochen wird wie ÖPNV, Wirtschaftsverkehr und Pendlern zusammen", sagt Lukas Rohleder, Hauptgeschäftsführer der IHK Dresden.

Der Fahrradverkehr sei da und müsse unterstützt werden. Diese Entwicklung dürfe aber nicht dazu führen, dass wichtige Verkehrsadern in diesem Maße verengt werden. "Pendler, Paket-, Handwerker-, Dienstleistungs-, Pflegedienst-, Entsorgungsfahrzeuge und ungezählte mehr 'wegzuzwingen', ist keine Lösung" so Rohleder. "Wer der Wirtschaft so in die Parade fährt, schadet der Gesellschaft insgesamt." Die IHK fordert, die zwei Spuren beizubehalten und dennoch gute Lösungen für den Radverkehr zu suchen.

Zahl der Spuren sorgt kaum für mehr Staus an Bautzner Straße in Dresden

Einer, der zu einer sachbezogenen Diskussion auf fachlicher Grundlage über die geplanten Radwege aufruft, ist Axel Ahrens, der von 2000 bis 2017 als Professor am Institut für Verkehrsplanung und Straßenverkehr der TU Dresden gearbeitet hat und heute noch als Berater tätig ist. Ahrens kennt neben der Theorie auch die praktische Seite, war vor seiner Zeit an der TU der oberste Verkehrsplaner in Bremen.

"Etliche der immer wieder kontrovers ausgetauschten Positionen zur Bautzner Straße fußen auf verkehrstechnischen und verkehrsplanerischen Fehleinschätzungen", sagt er. Staus und Leistungsfähigkeiten des städtischen Verkehrs würden kaum durch die Streckenkapazitäten von vier oder zwei Spuren beeinflusst, sondern in erster Linie durch die Geometrie und begrenzte Grünzeiten an den Knotenpunkten.

"In den meisten Fällen verkraften die Knotenpunkte wegen begrenzter Spuren und Grünzeiten kaum mehr als den Zulauf aus einer Spur. Gleichzeitig heißt das, dass der Verlust einer Fahrspur auf der Bautzner Straße kaum einen der vielen prophezeiten Staus verursacht", erklärt er. "Ausschlaggebend ist, wie Spurenaufteilung und Verkehrsmanagement an den Knotenpunkten und Engstellen aussehen."

Zweite Spur auf Bautzner Straße bringt keinen Reisezeitgewinn

Die zweite Spur auf der Bautzner Straße sei deshalb unwirtschaftlich und verursache einen unstetigen Verkehrsfluss mit Überholvorgängen und erhöhten Unfallrisiken insbesondere für querende Fußgänger und abbiegende Radfahrer. Letztlich böte sie zwar die Möglichkeit, zwischen den Ampeln schneller zu fahren und zu überholen, einen Reisezeitgewinn brächten sie aber nicht, weil alle wieder an der Ampel warten müssen.

"Moderne verkehrsplanerische Lösungen stellen zielgenau sicher, dass Busse und Bahnen möglichst vorbei an den Staus vor den Knoten geführt werden, sodass diese dann als Pulkführer auf einer Spur gemeinsam mit den Kraftfahrzeugen den Knoten passieren", sagt Ahrens. Auch diese Lösung bedeute keine Reisezeit- und Kapazitätseinbußen für den Kfz-Verkehr. Der Stau sei zwar doppelt so lang, werde aber schneller über die Kreuzung geführt.

In anderen Städten, wo es räumlich machbar ist, würden die Gleise in Gänze abschraffiert. "Bei diesen Lösungen mit genügend Platz für Radverkehrsanlagen wäre die Verkehrssicherheit deutlich höher, als bei in Dresden üblichen Beispielen wie auf der Leipziger, der Antonstraße oder der Bautzner Straße."

Tempo 30 auf Straßen ohne genügend Überholabstand

Und Ahrens weist auf einen weiteren Punkt hin: Auf Straßen ohne Radverkehrsanlagen sei inzwischen zu prüfen, ob der Überholabstand von 1,50 Meter vom Kraftfahrzeug zum Fahrrad eingehalten werde. "Wo dies nicht der Fall ist oder andere gefährdende Elemente bestehen, wäre bei pflichtgemäßen Handeln der Straßenverkehrsbehörde nach den beschlossenen Grundsätzen der Vision Zero [Ziel: keine Getöteten und Schwerverletzten im Straßenverkehr, Anm. d. Red.] präventiv Tempo 30 anzuordnen."

Der Fachverwaltung obliege auch die Pflicht, die politischen Entscheidungsträger entsprechend aufzuklären. Ahrens habe in seiner Bremer Zeit immer wieder Gespräche mit Politikern und Gewerbetreibenden geführt, um Entscheidungen im Vorfeld zu erklären und um Verständnis zu werben. "In Dresden aber wird im Stadtrat über jedes Projekt gestritten."

Er habe viele Jahre gesehen, dass in Dresden Verkehrsplanung stets unter der Maßgabe der Leistungsfähigkeit und Flüssigkeit des Kfz-Verkehrs betrieben wurde. "Die Waldschlößchenbrücke ist im Prinzip eine Autobahnbrücke", sagt er. Inzwischen aber spiele die Verkehrssicherheit eine viel größere Rolle. Auch, weil in Dresden inzwischen rund 19 Prozent aller Wege mit dem Rad erledigt werden.

Dabei ist es Ahrens wichtig zu betonen, dass er nicht der Radfahrlobby angehört. "Die meisten Menschen nutzen doch heute Auto und Rad." Er wünscht sich, dass über die geplanten Radfahrstreifen an der Bautzener Straße integrativer und weniger polarisierend diskutiert und in Dresden ganzheitlicher geplant wird. "Es kommt jetzt darauf an, die Ampeln und anderen Knotenpunkte an der Bautzner leistungsfähig zu gestalten. Keine einfache Aufgabe bei den Kurven und dem Gefälle."