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FDP-Fraktionschef Holger Zastrow: "Eine bürgerliche Mehrheit in Dresden würde mehr echte Radwege bauen"

Wie kaum ein anderer stellt FDP-Fraktionschef Holger Zastrow Autos ins Zentrum der Verkehrspolitik. Wann er dennoch in Dresden Radwege bauen würde - und mit welchen Mehrheiten.

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"Die gesamte aktuelle Verkehrspolitik in Dresden ist gescheitert": FDP-Fraktionschef Holger Zastrow.
"Die gesamte aktuelle Verkehrspolitik in Dresden ist gescheitert": FDP-Fraktionschef Holger Zastrow. © Marion Doering

Dresden. FDP-Fraktionschef Holger Zastrow will die Kommunalwahl 2024 zu einer Abstimmung über die Verkehrspolitik der Landeshauptstadt machen. Wann Radwege sinnvoll sind, welche Gefahren er für Dresden durch immer mehr Mitarbeiter im Rathaus sieht - und warum die FDP für ihre Ziele nach Rechtsaußen schielt.

Herr Zastrow, Sie sagen, Mehrheiten sind für die FDP nur mit der AfD möglich?

In bestimmten Sachthemen ist das so. Vor allem in zentralen verkehrspolitischen Fragen haben wir lernen müssen, dass es mit Grünen, SPD und Linken niemals eine Mehrheit für unsere Positionen geben wird. Wenn ich da die AfD ausschließen würde, würden wir kein einziges, unseren Wählern wesentliches Anliegen durchbekommen. Und auf die CDU war in den letzten Jahren leider oft keine Verlass, weil sie mit ihren Stimmen grünen Verkehrsprojekten ja erst zur Mehrheit verholfen hat.

Weshalb ist das so?

Das liegt an den Fundamentalpositionen vor allem der Grünen, aber auch der anderen linken Fraktionen. Diese Positionen richten sich gegen die Mehrheit der Dresdnerinnen und Dresdner. Für die Grünen ist der einzige zu beachtende Verkehrsträger faktisch das Fahrrad, stets und immer zulasten von Autofahrern und oft auch des öffentlichen Nahverkehrs.

Die Grünen sind 2019 aber doch stärkste Partei in Dresden geworden?

Mit 20 Prozent! Es gibt keine Partei, die den Anspruch erfüllt, für eine Mehrheit der Bevölkerung zu sprechen. Man müsste voller Demut also besonders kompromissbereit sein, doch das Gegenteil ist der Fall. Man zieht seine Position stur und starr durch, koste es, was es wolle, und selbst, wenn man nur eine einzige Stimme Mehrheit hat. Da ist weiterer Streit vorprogrammiert. Wie es anders geht, hat man beim Haushalt gesehen, der auf einem breiteren Fundament steht. Verkehrspolitisch ist das mit den Grünen unmöglich.

Was genau ist an der Dresdner Verkehrspolitik falsch?

Wir haben seit Jahren ein grün geführtes Verkehrsressort und Fahrradlobbyisten mit viel Einfluss. Der neueste Aufreger ist der geplante Radweg auf der gesamten Bautzner Straße. Dafür die Autospur wegzunehmen, ist falsch, unnötig und das ist es, worüber sich viele Dresdner zu Recht aufregen. Deshalb wird die Stadtratswahl 2024 auch eine Abstimmung über die Verkehrspolitik. Ich hoffe, dass viele Dresdner zur Wahl gehen und zeigen, was sie davon halten.

Was stört Sie an der Bautzner Straße?

Es gibt im Bereich der Elbschlösser stadtauswärts einen von der Straße baulich getrennten Hochbordradweg, was die sicherste Form eines Radweges überhaupt ist. Doch jetzt soll der Radverkehr auf Teufel komm raus runter auf die Straße und Autos und Wirtschaftsverkehr mit aufs Gleis. Der Straßenraum wird noch mehr verdichtet, alles wird enger und gefährlicher. Und wieso wird der Radweg stadteinwärts nicht ein paar Meter neben der Bautzner in der Heide angelegt, wie es mal vorgeschlagen war? Weil das ein Eingriff ins Landschaftsschutzgebiet wäre? Der gesunde Menschenverstand ist der Dresdner Verkehrspolitik abhandengekommen.

Wie gut ist Ihre Einschätzung da? Sie haben bereits an einigen Stellen Staus vorhergesagt, die nicht eingetreten sind.

An der Bautzner Straße wurde bisher zunächst nur ein kleines Stück Radweg angelegt. Das hat vielleicht noch nicht die Wirkung. Aber ich behaupte, dass längst geplant ist, Radwege auf der gesamten B6 vom Albertplatz bis zur neuen Wendeschleife Rossendorfer Straße anzulegen – auf Kosten der Autospur. Das hat dann durchaus heftige Auswirkungen. Das ist die typisch grüne Salami-Taktik: ein Stückchen bauen, dann zu sagen, es hat keine Auswirkungen, und dann weiter Radwege bauen, bis alle im Stau stehen.

Was würden Sie denn anders machen?

Man könnte ab der Schillerstraße bis zum Weißen Hirsch Radwege einordnen. Der Zustand am Mordgrund ist tatsächlich hochkritisch. Dort ergibt es Sinn, dass sich Bahn und Auto eine Spur teilen, zumal es am Parkhotel sowieso enger wird. Das würde die Sicherheit erhöhen und wäre intelligente Verkehrspolitik. Ein Antrag von uns wurde vor etwa sechs Jahren beschlossen, aber er wird nicht umgesetzt und auch dem ADFC ist das völlig egal. Das zeigt: Den Grünen geht es nicht um Verkehrssicherheit. Lieber pinselt man an eher unkritischen Stellen weiße Linien auf den Asphalt und klaut die Autospur.

Worum geht es Ihrer Meinung nach dann?

Es geht nur um Ideologie. Auto schlecht, Fahrrad gut. Deshalb wird alles getan, um den Leuten das Autofahren zu vermiesen, damit sie endlich begreifen, dass sie auf Rad, Bahn und Bus umsteigen sollen. Es ist ja gerade im linksgrünen Parteienspektrum in Mode, die Bürger belehren und umerziehen zu wollen. Das machen die aber nicht mit. Das Auto ist nach wie vor das meistgenutzte Verkehrsmittel und die Zulassungszahlen steigen genauso wie die Zahl der Pendler. Trotz 49-Euro-Ticket und Staus.

Die DVB benötigen mehr Geld: Wo könnte dort gespart werden?

Die Erhöhung von Parkgebühren, inklusive Anwohnerparken, ist mit der FDP nicht zu machen. Die DVB-Finanzierung entscheidet sich auch daran, wann der grüne Bürgermeister endlich eine vernünftige Verkehrsplanung hinbekommt. Denn am meisten Geld kosten die DVB die durch den schlechten Zustand von Straßen und Gleisen bedingten Langsamfahrstellen und der Schienenersatzverkehr. Weshalb muss eine Mini-Maßnahme wie der Bau an der Prießnitzbrücke zwei Jahre dauern und die DVB derart massiv einschränken? Das ist eine Frage der Verkehrsplanung und lässt einen fassungslos zurück.

An welchen Stellen wollen Sie konkret etwas ändern?

Überall. Die gesamte aktuelle Verkehrspolitik in Dresden ist gescheitert. Das fing mit dem Radweg an der Albertstraße an und zieht sich jetzt durch die ganze Stadt. Zur Erinnerung: Der Radweg auf der Albertstraße wurde gebaut, damit die Leute nicht mehr über die Hauptstraße fahren müssen. Das tun sie aber weiter mit dem Ergebnis, dass Dresdens schönster Einkaufs- und Fußgängerboulevard immer mehr zu einer "Radrennstrecke" verkommt. Ganz ähnlich sieht es auf der Prager Straße aus. Und wann endlich bauen wir den Elberadweg vernünftig aus? Noch mal 15 Jahren warten? Alles gehört auf den Prüfstand. Ich behaupte sogar, dass eine bürgerliche Mehrheit mehr echte Radwege bauen und moderne Lösungen wie operative Verkehrssteuerung und der Bau separater Fahrradrouten in Angriff nehmen würde, anstatt nur den Pinsel zu schwingen.

Das würden Sie alles mit einer Partei umsetzen wollen, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft ist?

Wir sind hier in der Kommunalpolitik. Ich suche die besten Lösungen für unsere Stadt und eine Mehrheit dafür, den von mir vermuteten mehrheitlichen Willen der Bürger umzusetzen. Und zwar nicht am Sankt Nimmerleinstag, sondern zügiger als zurzeit. Da bin ich pragmatisch.

Die FDP will auch beim Rathaus-Personal sparen, weshalb?

Überall nehmen Gängelei und Bevormundung zu. Wir sind so weit weg von der viel beschworenen ermöglichenden Verwaltung wie nie zuvor. Ob für Veranstalter oder Bauherren – überall werden Regeln verschärft. Teile der Verwaltung sind nach Corona aus dem Homeoffice zurück und treiben die Bürokratie zu immer neuen Blüten. Und kein Bürgermeister stoppt sie. Weshalb ist zum Beispiel neuerdings ein Schilder-Beauftragter für jede Veranstaltung notwendig? Das lähmt so sehr und vernichtet Kraft, Kreativität und Kapital. Das bringt die Leute auf die Palme.

Sie klingen frustriert. Was motiviert Sie noch?

Ich will etwas verändern und es muss sich was ändern. Dabei mache ich mir keine Sorgen um mich. Wenn ich zur Wahl aufgestellt werde, wählen mich die Bürger im Dresdner Norden bestimmt wieder. Aber es braucht insgesamt neue Mehrheiten und dazu müssen wir viel stärker werden.

Wie stark?

Die FDP muss zweistellig werden, wir waren ja schon mal bei zwölf Prozent. Dann können wir durch punktuelle Zusammenarbeit mit anderen etwas durchsetzen. Dresden ist keine linksgrüne Stadt, sondern ziemlich genau in der Mitte und eher ein Stück konservativer. Und die Politik muss aufhören, sich mit grünem Firlefanz wie dem Gendern zu beschäftigen.

Das Gespräch führten Dirk Hein und Andreas Weller.