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Löbau schafft die Tagesmütter ab

Die Stadt hat den beiden Frauen zum Jahresende überraschend gekündigt. Die kämpfen nun um ihre Existenz. Doch die Stadt führt triftige Gründe an.

Von Anja Beutler & Constanze Junghanß
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Katja Meyer aus Kittlitz (links) und Annett Gnieser aus Löbau haben von der Stadt die Kündigung erhalten.
Katja Meyer aus Kittlitz (links) und Annett Gnieser aus Löbau haben von der Stadt die Kündigung erhalten. © Matthias Weber/photoweber.de

„Die Stadt Löbau will uns Tagesmütter schließen, obwohl wir ausgebucht sind!“ Mit diesem Satz beginnt die Petition, die am vergangenen Montag im Internet startete. Aufgesetzt haben sie Katja Meyer und Annett Gnieser, die beiden Löbauer Tagesmütter. Allein bis Donnerstagvormittag unterschrieben bereits 565 Unterstützer - davon 222 aus Löbau und Umgebung. Sie unterstützen damit den Erhalt der Tagesmütter in der Stadt als alternative Betreuung zur Kita. Tagesmütter - oder -väter - betreuen maximal fünf Kleinkinder bis zu drei Jahren im eigenen Haus. Doch das werden sie in Löbau so wie bisher nur noch bis Jahresende tun können.

Ende November letzten Jahres erhielten die Tagesmütter die Kündigung von der Stadt Löbau zum 31. Dezember 2021. In der Begründung heißt es, der demografische Wandel ginge "leider auch an der Stadt Löbau nicht vorbei und spiegelt sich in der Geburtenstatistik wieder“. Jährlich seien das fünf bis zehn Geburten weniger. Auf SZ-Nachfrage liefert die Stadt konkretere Zahlen: Kamen 2015 in Löbau 143 Kinder zur Welt, waren es 2019 und 2020 jeweils 116 Kinder. Parallel dazu sank die Auslastung der Krippenplätze - denn nur um diese geht es: "Zum 1. Januar 2020 lag die Auslastung der Krippenplätze - einschließlich der acht Tagespflegeplätze - bei 80 Prozent. Zu Beginn dieses Jahres bei 76 Prozent", skizziert Stadtsprecherin Eva Mentele die Entwicklung.

In der Regel sollten Kommunen bis zu 15 Prozent freie Plätzen vorhalten, um auch kurzfristig auf Nachfragen reagieren zu können. Doch darüber ist Löbau längst hinaus, die Auslastung sinkt weiter. "Durch den Geburtenrückgang und die Reduzierung von Krippenplätzen um 13 Plätze in Löbauer Kitas zum 1. Januar dieses Jahres und der weiteren Reduzierung um die acht Kindertagespflege-Plätze zum 1. Januar 2022 gehen wir davon aus, die Auslastung bei 75 Prozent für 2022 zu halten", erklärt Frau Mentele.

Kreis bestätigt generellen Tagesmütter-Rückgang

Dass dabei alles seine Richtigkeit hat, kontrolliert das Jugendamt des Landkreises, denn es ist zuständig für die Bedarfsplanungen, muss sicherstellen, dass der Betreuungsanspruch der Eltern gehalten werden kann. An den Kreis hat Löbau die neuen Daten bereits geliefert, das bestätigt der Kreis auch, der nun alles anhand der Geburtenzahlen und gemeldeten Plätze überprüft. "Die Kindertagespflege ist dabei ein gleichwertiges alternatives Betreuungsangebot. Dieses kann die Kommune unterbreiten", ordnet Kreissprecherin Julia Bjar ein. Allerdings, so erklärt sie weiter, gehen sowohl im Landkreis Görlitz und als auch sachsenweit seit Jahren die Plätze in Kindertagespflege zurück. "Die Gründe dafür sind vielfältig. Im Landkreis steht ein altersbedingtes Ausscheiden der Tagespflegepersonen im Vordergrund", sagt Frau Bjar.

Tagesmutter Annett Gnieser will wie ihre Kollegin weitermachen.
Tagesmutter Annett Gnieser will wie ihre Kollegin weitermachen. © Matthias Weber/photoweber.de
Deshalb hat sie mit Katja Meyer aus Kittlitz eine Petition gestartet.
Deshalb hat sie mit Katja Meyer aus Kittlitz eine Petition gestartet. © Matthias Weber/photoweber.de

Annett Gnieser und Katja Meyer wollen aber weitermachen und nicht einfach "wegfallen". Sie sind traurig über die Entscheidung, suchten Gespräche mit einigen Stadträten und starteten die Petition in der Hoffnung, weitermachen zu können. In den letzten Tagen schlossen sich mehrere Hundert Petitions-Unterstützer an. Einer von ihnen ist Daniel Mögel, Pfarrer in Löbau. Er findet das Konzept und die Art und Weise des Angebots beider Tagesmütter ausgesprochen gut. „Es erhöht die Vielgestaltigkeit und die Attraktivität unserer Stadt. Das sind nicht zu unterschätzende Werte für unser Gemeinwesen“, sagt er und meldet sich als einer von bisher 250 Kommentatoren der Petition zu Wort: Solch ein alternatives Kinderbetreuungsangebot – unabhängig von möglichen freien Krippenplätzen – sei für eine Stadt sehr wichtig.

Eltern sehr zufrieden mit Alternative

Andere Löbauer äußern sich zum Teil anonym: „Tagesmütter müssen erhalten bleiben. Nicht jedes Kind ist für die Krippe geeignet.“ Es gibt auch Zuspruch von anderen Tagesmüttern, unter anderem aus Radebeul, Freiberg oder Seifhennersdorf. Karsten Bode hatte sein Kind bei Katja Meyer in Betreuung und – wie er sagt – besonders gute Erfahrung gemacht. „Diese Betreuungsform ist individueller gegenüber staatlichen Kitas“, sagt er. Der Vater sieht es als den falschen Weg an, „das hohe Engagement der beiden Tagesmütter so auszubremsen“. Auch Frau Meyer betont, dass sie ihren Job mit Herzblut machen: „Wir haben all die Jahre eine gute Arbeit gemacht.“

Die Nachfrage nach den Betreuungsplätzen sei groß. Monatlich, so erzählt Katja Meyer, bekäme sie im Durchschnitt zwei Anfragen von Eltern, die ihren Nachwuchs in der Tagespflege betreut haben möchten. „Anmeldungen gibt es teils sogar schon in der Schwangerschaft“, ist ihre Erfahrung. Künftig bleibe als Betreuungsangebot nur eine "normale" Kita. Auch für die Kinder, die jetzt bei den Tagesmüttern sind. Für sie können die Familien einen Krippen- beziehungsweise anschließenden Kindergartenplatz in einer Einrichtung der Gemeinde beantragen, betont die Stadt.

Ist da Kalkül dabei?

Aber ist dies vielleicht das Kalkül? Immerhin hat die Stadt über Jahre viel in die Betreuung der Kleinsten investiert, Einrichtungen wieder in Eigenregie übernommen? Haben die Tagesmütter deswegen "ausgedient" - ohnehin gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Konflikte? Dem widerspricht die Stadt: "Sämtliche Einrichtungen wurden saniert und einige haben die Trägerschaft gewechselt. Damit war aber in der Regel keine Änderung der Kapazitäten verbunden", erklärt Frau Mentele. Es habe auch nie die Planung gegeben, "die Tagespflegeplätze überflüssig werden zu lassen". Ausschlaggebend sei der Geburtenrückgang. Deshalb habe die Stadt zuerst 13 Plätze in eigenen Einrichtungen gestrichen und in einem zweiten Schritt steht der Wegfall der acht Kindertagespflege-Plätze an.

Allerdings hängen bei Frau Gniese und Frau Meyer ihre Existenzen an eben diesen Plätzen. Denn ohne eine Aufnahme in den städtischen Kita-Bedarfsplan haben sie finanziell kaum eine Chance, weil der Anteil der öffentlichen Finanzierung fehlt: Das ist bei einem vollen Krippenplatz pro Monat und Kind zum einen der Zuschuss vom Land mit 246,50 Euro. Zum anderen der Anteil der Stadt Löbau, der momentan bei 304,08 Euro liegt, durch einen Änderungsantrag der Tagesmütter aber voraussichtlich auf 472,97 Euro steigen wird. Sollten beide privat weitermachen wollen, müssten sie die Kosten dann mit den Eltern ganz neu aushandeln.

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