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Kamenz: Kein Bedarf mehr an Kinderbetreuung bei Tagesmüttern?

Früher gab es mitunter Wartelisten, heute haben Kamenzer Tagesmütter freie Plätze. Macht sich da ein Geburtenknick bemerkbar?

Von Ina Förster
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Anna Pilz (l.) und Almut Baumann sind Tagesmütter in Kamenz. Aktuell betreuen beide vier Kinder. Doch es gibt weniger Neuanmeldungen als früher.
Anna Pilz (l.) und Almut Baumann sind Tagesmütter in Kamenz. Aktuell betreuen beide vier Kinder. Doch es gibt weniger Neuanmeldungen als früher. © Foto: Anne Hasselbach

Kamenz. Eigentlich ist es eine schöne, bunte Kinderschar, die da durch das Gras im Garten hinterm Haus fegt. Ein paar sind flink, ziehen ihre Bagger lautrasselnd hinterher. Andere drücken sich noch ein bisschen scheu und wacklig auf den Beinen an ihre Tagesmuttis. Es ist vormittags 9 Uhr. Rausgeh-Zeit. Das Wetter spielt dabei keine Rolle. Selbst wenn es regnet, geht es raus.

Almut Baumann und Anna Pilz haben sich heute verabredet. Sie wollen reden. Jahrelang sei ihr Service - die Tagesbetreuung von Kleinkindern bis drei Jahre - ein echter Selbstläufer gewesen. "Wir konnten uns nie über mangelndes Interesse beklagen, hatten mitunter Wartelisten. Doch das änderte sich in der letzten Zeit schleichend", sagt Almut Baumann. Die nächsten Monate sei sie noch ausgelastet, dann fehlen weitere Neuanmeldungen. Das habe es noch nie gegeben.

Individuelle Betreuung in kleinen Gruppen

Almut Baumann arbeitet schon seit 14 Jahren als Tagesmutter. Sie hat bereits unzählige Mädchen und Jungen in ihrer "Kinder-Oase" am Kamenzer Gartenweg 6 betreut, war ein Teil ihrer frühkindlichen Entwicklung, sah auch Geschwisterkinder kommen und gehen. Ihre Lieblinge von einst werden heute konfirmiert oder feiern Jugendweihe. Aktuell betreut Almut Baumann vier Kinder. Fünf dürften es sein.

Ihre jüngere Kollegin Anna Pilz ist ebenfalls schon geraume Zeit Tagesmutter. Früher in Leipzig und, seitdem die Familie 2018 in die Lessingstadt zog, auch hier in Kamenz. Die Diplom-Ergotherapeutin betreut seit fast drei Jahren Kinder aus Kamenz und Umgebung in angemieteten Räumen an der Rathenaustraße. "Annas Glückspilze" steht an der Tür. "Aktuell sind es ebenfalls vier Kinder bei mir. Doch es fehlt an weiteren Nachfragen", sagt die 37-Jährige.

Zahl der Tagesmütter in Kamenz ist gesunken

In Kamenz gibt es noch drei weitere Tagesmuttis. Doch Brigitte Kothe, die Kinder am Siedlungsweg betreut, gehe demnächst in den Ruhestand. "Früher gab es deutlich mehr Tagesmütter in Kamenz, die meisten haben aus Altersgründen aufgehört. Aber trotzdem sich die Zahl halbiert hat, ist die Nachfrage der Eltern gesunken. Das macht uns Sorgen", sagt Almut Baumann. Es sei auch nicht nur in Kamenz so. Berufskolleginnen im ganzen Landkreis hätten die gleichen Probleme. "Wir sind im Verein für Tagesmütter Bautzen engagiert, überall hören wir ähnliches", berichtet die 53-Jährige.

Ob sich hier schon ein Geburtenknick bemerkbar macht? "Leider muss man davon ausgehen, denn die aktuelle globale Lage macht vielen jungen Leuten mental zu schaffen", schätzt Anna Pilz ein. Nicht jeder wolle Kinder in eine solch angeknackste Welt setzen. "Und doch gibt es andersherum unzählige Gründe fürs Kinderkriegen", sagt die Tagesmutter.

Tagesmütter stehen im Bedarfsplan der Stadt

Es könne natürlich auch sein, dass Eltern immer noch zu wenig über diese spezielle Form der Kinderbetreuung wissen, vermuten die beiden Kamenzer Tagesmütter. Dabei sind Tagesmütter schon seit Jahren den Kindertagesstätten gleichgestellt. Als Tagespflegepersonen wurden sie mit in den Bedarfsplan der Kommunen aufgenommen. Dadurch zahlen Eltern für die Betreuung bei der Tagesmutter den gleichen Preis wie für einen Krippenplatz in der Kita.

In Kamenz gibt es seit 2021 das Elternportal „KIVAN“ zur Anmeldung für Betreuungsplätze in den Kitas. Dort sind die Tagesmütter auch mit aufgelistet. "Wir finden es schön für die Eltern, dass sie eine Wahl haben", sagt Anna Pilz.

Auch wegen veränderter Arbeitsbedingungen der Eltern sei ein solch alternatives Betreuungsangebot sinnvoll. "Bei uns gibt es zudem viel Raum, auf die Charaktere und individuelle Entwicklung der Kinder einzugehen", so Pilz. "Und wir können mit großer Geduld agieren, uns mehr Zeit für die Dinge lassen", ergänzt Almut Baumann. Dennoch arbeiten auch Tagesmütter nach dem sächsischen Bildungsplan. In der Regel laufe der Übergang in einen normalen Kindergarten problemlos.

"Die meisten Eltern lieben eben das Individuelle, das fängt beim selbst gekochten Essen an und hört beim gemeinsamen Tischritual auf. Auch der Familienanschluss bei uns gefällt vielen", sagt Almut Baumann.

Tagesmütter-Aktion am 10. Mai auf dem Kamenzer Markt

"Eine Tagesmutti ist - wie der Name es schon sagt - eben fast wie eine echte Mutti", sagt Sandra Schlenkrich. "Wir haben uns bewusst dafür entschieden, wollten es kleiner und familiär in den ersten Lebensjahren unseres Kindes. Und wurden nicht enttäuscht", erzählt die Kamenzerin.

Dennoch stockt es bei den Neuanmeldungen. Um auf die besondere Betreuungsform aufmerksam zu machen, sind die beiden Tagesmütter am 10. Mai von 9 bis 10 Uhr auf dem Kamenzer Markt anzutreffen. Sie beteiligen sich damit an einer Aktion innerhalb der sachsenweiten Aktionswoche für Kindertagespflege. "Wir freuen uns über jedes Gespräch und Interesse", sagen sie.