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Tag X fürs Kabelfernsehen: Was Mieter jetzt tun müssen

Ab Juli dürfen alle Mieter beim TV-Empfang frei wählen. Für viele Sachsen, die beim Kabelfernsehen bleiben wollen, dürfte es teurer werden.

Von Andreas Rentsch
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Wenn sie wie gewohnt ihr Fernsehen empfangen möchten, müssen Zehntausende Mieter in Sachsen bald neue Verträge mit dem Kabelnetzbetreiber abschließen.
Wenn sie wie gewohnt ihr Fernsehen empfangen möchten, müssen Zehntausende Mieter in Sachsen bald neue Verträge mit dem Kabelnetzbetreiber abschließen. © dpa-Zentralbild/Montage: SZ

Viel Zeit ist nicht mehr: Wenn sie wie gewohnt ihr Fernsehen empfangen möchten, müssen Zehntausende Mieter in Sachsen bald neue Verträge mit dem Kabelnetzbetreiber abschließen. Zum 1. Juli fällt die seit Jahrzehnten übliche Umlage der Kabelgebühren als Betriebskosten - das sogenannte Nebenkostenprivileg - endgültig weg. Entsprechende Versorgungsverträge zwischen Großvermietern und Netzbetreibern werden gekündigt. Damit können viele Haushalte erstmals frei entscheiden, über welchen Weg sie ihr TV-Signal empfangen möchten – oder ob sie sogar ganz darauf verzichten. Der Mieterbund Sachsen und die Verbraucherzentrale warnen aber vor übereilt geschlossenen Folgeverträgen.

Betreffen mich die bevorstehenden Änderungen?

Hier hilft der Blick in die Betriebskostenabrechnung. „Taucht dort die Position ,Kabelgebühren‘ oder etwas Ähnliches auf, können Sie davon ausgehen, dass Ihr Haushalt betroffen ist“, sagt Florian Bau vom Mieterbund Sachsen. Wer sich unsicher ist, kann auch beim Vermieter nachfragen. Grundsätzlich spiele das Nebenkostenprivileg in Ballungszentren eine größere Rolle als auf dem flachen Land, sagt Thorsten Neuhetzki vom Technikmagazin Inside Digital. „Gleichzeitig gibt es ein West-Ost-Gefälle.“

Wie geht es jetzt weiter, muss ich aktiv werden?

Wer den eigenen Kabelanschluss nach diesem Tag X weiter nutzen möchte, muss einen eigenen, separaten Vertrag mit dem Netzanbieter abschließen. Ohne diese Vereinbarung ist grundsätzlich kein TV-Empfang mehr möglich. Das heißt: Entweder man wird selber aktiv, oder wartet auf die Information des Vermieters.

Welche Vermietern in Sachsen haben die Kabel-TV-Umlage?

Dazu ist keine pauschale Aussage möglich. Wer zwischen Zittau und Zwönitz lebt und Genossenschaftsmieter ist, wird in den meisten Fällen mit dem Nebenkostenprivileg in Berührung gekommen sein. Mirjam Philipp vom Verband Sächsischer Wohnungsgenossenschaften sagt, bei fast allen der über 200 Mitgliedsunternehmen seien die Kabelgebühren in den Betriebskosten enthalten gewesen.

Für den „deutlich überwiegenden Teil der Mitglieder“ im Regionalverband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (VDW) gelte das gleiche, so Verbandsdirektor Alexander Müller. Ein Teil der Vermieter hat schon vor Jahren auf das Privileg verzichtet. Für Mieter läuft die Kabelversorgung seitdem über Einzelverträge, die sie direkt mit den Kabelanbietern abschließen mussten. Nun trifft es auch alle anderen.

Viele Mieter seien bereits 2023 über den Wegfall der pauschalen Zahlungspflicht und die Notwendigkeit eines individuellen Vertrags informiert worden, sagt Claudia Neumerkel, Juristin bei der Verbraucherzentrale Sachsen.

Wird das Kabel-TV durch die neuen Einzelverträge teurer?

Dazu gibt es unterschiedliche Aussagen. Bei Vodafone, hierzulande größter Kabelnetzbetreiber, sollen Einzelkunden künftig bis zu 13 Euro im Monat zahlen. Bisher lagen die Durchschnittspreise bei sieben bis neun Euro. Die günstigeren Konditionen kamen durch Rabatte zustande, die der Konzern großen Vermietern gewährt hat. Für den Fall, dass Mieter weiterhin Kabel-TV buchen wollen, hat der Konzern im Herbst 2023 Preise von acht bis zehn Euro pro Monat in Aussicht gestellt. Dabei gilt: Umso größer eine Wohnanlage, desto größer die Chance auf einen günstigen Preis.

Mitbewerber Tele Columbus, der auch in Sachsen aktiv ist, beantwortet die Frage nach künftigen Konditionen bei seiner Marke Pyur anders. Firmensprecher Mario Gongolsky sagt mit Blick auf Vodafone: „Die pauschale Einschätzung, dass der Kabelanschluss in jedem Fall teurer wird, können wir nicht nachvollziehen.“ Wer Pyur-Kabel-TV künftig in einem Einzelvertrag nutze, habe keine nennenswerte Preissteigerung zu befürchten, so Gongolsky. „Der alte Preis ist der Maßstab.“

Damit Bewohner von großen Mietshäusern ihren Kabelanschluss auch künftig zu rabattierten Preisen bekommen, verhandeln manche großen Vermieter mit den Kabelanbietern. Das trifft beispielsweise für die Vonovia zu, der in Sachsen 55.000 Mietwohnungen gehören. Mit einem Ergebnis sei noch im Februar zu rechnen, sagt Konzernsprecher Marc Friedrich. Weitere Infos zum Kabelfernsehen finden Vonovia-Mieter hier.

Worauf muss ich beim Abschluss eines neuen Vertrags achten?

Vorsicht gegenüber Medienberatern, die telefonisch oder an der Wohnungstür zum Abschluss eines neuen Kabel- oder Glasfaservertrags drängen. „Niemals vorschnell unterschreiben“, sagt Claudia Neumerkel. Besser sei, die vorgelegten Papiere in Ruhe mit Familienangehörigen, Freunden oder anderen vertrauten Personen durchzugehen. Auch die Verbraucherzentrale berät zum Thema. Kabel-TV-Einzelverträge haben meist 24 Monate Mindestlaufzeit. Wichtig ist auch, sich keine ungewollten Zusatzleistungen unterschieben zu lassen.

Was passiert, wenn ich bis Ende Juni nicht reagiert habe?

Die Angst vor einem plötzlich schwarz bleibenden Bildschirm an Tag X halte er für unberechtigt, sagt Thorsten Neuhetzki. Vielmehr werde es eine Weile dauern, bis alle nicht mehr zahlenden Besitzer eines Kabelanschlusses abgeschaltet werden. Das hat technische und wirtschaftliche Gründe. „Die einzelne TV-Dose kann nicht einfach vom Servicecenter aus deaktiviert werden“, so Neuhetzki. „Gleichzeitig kann aber auch nicht ein ganzes Mietshaus vom Netz genommen werden, solange es darin noch zahlende Kunden gibt.“

Vodafone-Manager Marc Albers hat vor einiger Zeit gegenüber Journalisten erklärt, sein Unternehmen erarbeite sich technische Möglichkeiten für gezielte Sperren.

Wie wirkt sich die Änderung auf Bürgergeldbezieher aus?

Bisher war es zumindest bei älteren, vor Dezember 2021 geschlossenen Mietverträgen so, dass das Jobcenter die Kabelfernsehgebühren im Rahmen der Betriebskosten mit übernahm. Das ist künftig nicht mehr so. Ob die Neuregelung ungerecht ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Die Verbraucherzentralen verweisen auf eine aus ihrer Sicht überfällige Gleichbehandlung: Bei Nichtanwendung des Nebenkostenprivilegs hätten Bürgergeldempfänger den Kabelanschluss auch früher schon aus eigener Tasche zahlen müssen.

Für wen hat das Ende des Nebenkostenprivilegs Vorteile?

Die neue Wahlfreiheit dürfte all jene freuen, die ihr TV-Programm lieber übers Breitbandinternet streamen oder nur noch Netflix, Amazon Prime und Co. schauen, also gut auf einen Kabelanschluss verzichten können. Diese Haushalte werden nun nicht mehr doppelt zur Kasse gebeten oder zum Kabelfernsehen genötigt.

Statistisch gesehen sind es vor allem jüngere Menschen in Großstädten, die trotz Fernseher auf lineares Programm per Kabel, Satellit oder Antenne verzichten. Im Digitalisierungsbericht Video der Landesmedienanstalten werden sie als „Cord Cutter“, Kabelabschneider, bezeichnet. Ihr Anteil am Gesamtmarkt wächst seit Jahren. Dieser Trend könnte sich fortsetzen.

Was die Alternativen zum Kabelfernsehen leisten und kosten

  • Satellitenschüssel: Für Sat-TV braucht es eine Schüssel mit freier Sicht Richtung Süden. Laufende Kosten fallen erst dann an, wenn Privatsender über die Plattform HD+ verfügbar sein sollen. Dann sind es ab sechs Euro im Monat. Allerdings dulden manche Vermieter keine Schüsseln an ihren Fassaden oder auf Balkonen und verweisen auf sicherheitsrelevante und optische Aspekte. Tatsächlich sehe man Parabolantennen nicht so gerne, sagt Alexander Müller vom VDW Sachsen.
  • Antenne (DVB-T2): Terrestrischer Empfang über Zimmer- oder Außenantenne bringt rund 40 Sender ins Haus. Der Empfang öffentlich-rechtlicher Programme ist kostenlos. Privatsender gibt es beim Freenet TV ab rund acht Euro im Monat.
  • Internet-TV: Basis ist ein schneller Internetanschluss. Abos für Streaming-Dienste gebe es ab 6,50 Euro im Monat, sagt Michael Gundall von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. „Für rund sieben Euro sind bei den Streaming-Anbietern auch schon die privaten Sender in HD mit dabei.“ Wer bereits einen Telekom-Anschluss hat, kann Magenta TV für fünf Euro pro Monat hinzubuchen. Ohne Telekom-Anschluss sind es 10 Euro. IPTV-Dienste sind über Receiver (Set-Top-Boxen), HDMI-Sticks, Smart-TVs, Tablets oder Smartphones abrufbar – auch unterwegs.