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Als hätte Söders Büro mitgemacht: Kein schöner Land im "Tatort" aus München

Im Krimi am Sonntag werden bayerische Produktköniginnen gekrönt und sexuell missbraucht. Der spannende „Tatort“ verknüpft MeeToo und Mädchenträume.

Von Rainer Kasselt
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Drei von 100 bayerischen Produktköniginnen jedes Jahr: die Mehlkönigin (Corinna Blädel, l.), die Teichnixe (Franziska Wagner) und die Krautkönigin (Corinna Grimmeißen) im Werbefilm des bayerischen Produktköniginnen-Tages. Dahinter ihr „Gönner“ Josef Gehrl
Drei von 100 bayerischen Produktköniginnen jedes Jahr: die Mehlkönigin (Corinna Blädel, l.), die Teichnixe (Franziska Wagner) und die Krautkönigin (Corinna Grimmeißen) im Werbefilm des bayerischen Produktköniginnen-Tages. Dahinter ihr „Gönner“ Josef Gehrl © BR

Königin für ein Jahr. Das möchten viele junge Frauen sein. In Bayern ist die Chance besonders groß. Weit über 100 Produktköniginnen krönt der Freistaat jährlich. Sie werben für Gemüse, Obst und Fisch. Zwiebelkönigin Annelie freut sich wie Bolle über die Ehre. Stolz vertritt sie die Zwiebeln und ihre Heimatregion. „Du kannst etwas erreichen für den Bauern und den Händler, auch für dich selbst, für die eigene Karriere.“ Sie steckt mitten in der Ausbildung zur Polizeianwärterin. Das kommt dem bewährten Münchner Duo Ivo Batic (Miroslaw Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) gerade recht. Sie setzen Annelie, fabelhaft von Daria Vivien Wolf gespielt, als verdeckte Ermittlerin ein. Noch ahnen die Kommissare nicht, dass die Zwiebelkönigin sie locker um den Finger wickeln wird.

Kurz vorm Gipfeltreffen der Königinnen ist der Förderer des Festes und Präsident des Bavaria-Bundes mit einem Bolzenschussgerät schwer verletzt worden. Mordanschlag, Suizid oder Unfall? Die Kommissare finden heraus, dass der joviale Herr Dreck am Stecken hat. Keine Königin war vor seinen sexuellen Übergriffen sicher. Er nutzte seine Machtposition und die Karrierewünsche der Frauen schäbig aus. Drei der Missbrauchten haben allen Grund, sich an ihm zu rächen. Der Verdacht fällt in gleicher Weise auf Weißwurst-, Honig- und Spargelregentin.

Der spannende „Tatort: Königinnen“ verknüpft MeeToo und Mädchenträume. Autor Robert Löhr meint, es habe zugegeben etwas Anachronistisches, „Frauen in ein Dirndl zu stecken, ihnen einen Korb und ein Zepter in die Hand zu drücken“ und sie Reklame laufen zu lassen. „Sex sells“ in Reinkultur. Veronica Ferres spielt eine abgebrühte Managerin, die das Vorkommnis unter den Teppich kehren möchte, obwohl sie von den Belästigungen des Präsidenten aus eigener Erfahrung weiß. „Dazu gehören immer zwei“, zischt sie. Verächtlich spricht sie die Königinnen als Kirsche, Kartoffel oder Hopfen an.

Bei aller Tragik kommt die Komik nicht zu kurz. Ziemlich verdattert bekommen die Kommissare mit, dass die Spargelkönigin früher ein Mann war. Die Transfrau wird selbstbewusst von der queeren Aktivistin Phenix Kühnert gespielt. Hübsch die Aschenputtel-Anspielung: ein verlorener Stöckelschuh überführt die Täterin.

Die Erntefest-Atmosphäre wird mit Blasmusik, Heuballen und reichlich Fassbier eingefangen. Laut ertönen Lobeshymnen auf Bayern, kein schöner Land in dieser Zeit. Sie klingen verdächtig nach Söders Pressebüro.