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Bahnt sich in Freital ein Zweikampf der Supermärkte an?

Während Edeka auf den Baustart für das Stadtzentrum wartet, verfolgt Rewe plötzlich ebenfalls Baupläne. Irritiert ist man auch bei Aldi.

Von Annett Heyse
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Plötzlich wollen zwei große Lebensmittel-Händler in Freital eröffnen. Gerät das Projekt Stadtzentrum in Gefahr?
Plötzlich wollen zwei große Lebensmittel-Händler in Freital eröffnen. Gerät das Projekt Stadtzentrum in Gefahr? © Egbert Kamprath

Die Stimmung war optimistisch, als Edeka, Aldi und DM im Februar dieses Jahres öffentlich machten, was lange ein Gerücht war: Alle drei Handelsketten wollen Mieter im neuen Freitaler Stadtzentrum werden.

Der Geschäfts- und Wohnkomplex soll auf dem Gelände des ehemaligen Sächsischen Wolfs entstehen. Geplant wird daran seit langem, vor einigen Monaten hat der Investor gewechselt. Baustart soll nun im zweiten Quartal 2023 sein, Übergabe Ende 2024.

Doch das schicke Bild vom neuen Stadtzentrum mit mehreren Einkaufsmöglichkeiten bekommt aber plötzlich Risse. Denn es tritt ein direkter Wettbewerber von Edeka in Freital an. Rewe möchte nur wenige hundert Meter entfernt vom neuen Einkaufszentrum ebenfalls bauen. Droht ein Zweikampf, der auch andere beschädigt?

Konkurrenzsituation verschärft sich

Bei Edeka jedenfalls ist man nicht sehr erfreut. "Mit Aldi als Nachbarn können wir gut leben, wir ergänzen uns", sagt Jan Hasek, zuständig für den Bereich Expansion in Sachsen. Auch mit der Drogerie-Handelskette DM als dritten Mieter im Bunde habe man kein Problem. Was nicht passe, seien die Rewe-Pläne.

Rewe spielt preislich und auch vom Verkaufsniveau her in derselben Liga wie Edeka. Lange ging man sich in Freital aus dem Weg, was auch am Grundstücksangebot lag. Rewe etablierte in Freital-Deuben einen Markt, übrigens direkt neben Aldi.

Edeka war entlang der Dresdner Straße gar nicht vertreten, sondern auf den Markt am Dorfplatz in Pesterwitz beschränkt. Das sollte sich ändern.

Absage aus dem Freitaler Rathaus

Über ein Dresdner Maklerbüro ließ Edeka im Sommer 2017 bei der Stadtverwaltung Freital anfragen, ob auf dem Gelände des ehemaligen Kupplungswerkes hinter der Aral-Tankstelle an der Dresdner Straße ein Einkaufsmarkt, ein Drogeriemarkt sowie weitere Dienstleistungsgebäude denkbar wären.

Nur wenige Wochen später telefonierte das Maklerbüro mit der zuständigen Stadtplanerin im Rathaus. "Nach Aussage ist eine Bebauung aufgrund des für die Stadt Freital favorisierten Projektes Ortsteilzentrum Freital-Deuben Sächsischer Wolf nicht umsetzbar", steht in der Aktennotiz des Maklerbüros vom September 2017, die der SZ vorliegt.

Daraufhin ließ Edeka die Idee, das Gelände hinter Aral selbst zu kaufen und zu bebauen, fallen. So berichtet es Expansionsleiter Hasek. Wenige Monate später wurden Vorverträge mit dem Investor für das Freitaler Stadtzentrum am Sächsischen Wolf unterzeichnet.

Rewe will acht Millionen Euro investieren

Seitdem wartet man bei Edeka, aber auch bei Aldi und DM auf den Baustart. Währenddessen muss Rewe in der Stadtverwaltung Tuchfühlung aufgenommen haben. Und plötzlich scheint man bei der Stadt Freital keine Bedenken mehr gegen eine weitere Ansiedlung eines oder mehrere Läden auf dem Gelände des alten Kupplungswerkes zu haben.

Denn im September 2022 verkündete die Lebensmittelkette, hinter der Aral-Tankstelle einen Lebensmittelmarkt sowie ein weiteres Gebäude für Einzelhandel zu errichten. Rewe hat das Grundstück selbst gekauft. Geplant ist, in Freital ein besonders energiesparendes Green Building zu bauen. Die Verkaufsfläche soll etwa 1.900 Quadratmeter betragen - das wäre unwesentlich kleiner, als der zukünftige Edeka mit seinen 2.000 Quadratmeter Verkaufsfläche sein soll.

Der Rewe-Markt wird zusätzlich zu dem bereits bestehenden Geschäft in Freital-Deuben gebaut. Es geht um eine Investition von rund acht Millionen Euro. Zum Vergleich: Am Sächsischen Wolf geht es um eine größere Summe im zweistelligen Millionenbereich.

"Wir sind verunsichert", sagt Edeka-Mann Hasek. Ihm fehle Planungssicherheit und seitens der Stadt ein klares Bekenntnis zum Zentrumsneubau am Sächsischen Wolf. Auch bei Aldi ist man irritiert. "Wir stellen uns an allen Standorten dem Wettbewerb, Rewe ist auch kein direkter Konkurrent. Aber wir werden sehr genau beobachten, was Edeka und Rewe in Freital jetzt machen", sagt Dennis Boczek, Pressesprecher von Aldi-Nord.

Denn letztendlich, so Boczek weiter, stehe und falle das Konzept am Freitaler Stadtzentrum mit allen zusammen: mit Edeka, DM und Aldi. Die Rewe-Pläne hätten Konfliktpotenzial.

Bei DM will man sich vorerst gar nicht zu der Situation äußern. Dabei wird in der Branche längst spekuliert, ob Rewe mit dem erwähnten zweiten Fachmarkt einen Drogeriemarkt meint. Und falls ja, welchen? Will man DM selbst für sich gewinnen oder dessen Konkurrenten Rossmann?

Edeka rechnet mit Umsatzeinbußen

Mit Spannung beobachtet man die Vorgänge bei der Industrie- und Handelskammer Sachsen (IHK). Bereits zu den Geschäftsplänen am Sächsischen Wolf hatte die IHK im Bebauungsplanverfahren Bedenken geäußert und das Projekt abgelehnt. Ein weiterer Aldi, ein Edeka und ein DM würden anderswo zu Umsatzeinbußen führen und eventuell sogar Geschäftsschließungen zur Folge haben, schrieb die IHK damals.

Auf die Rewe-Pläne angesprochen, äußert IHK-Geschäftsführer Lars Fiehler: "Dass die Wettbewerber im Umfeld Umsatzeinbußen in Kauf nehmen müssten, ist klar. Schließlich wird keine zusätzliche Kaufkraft generiert, sondern der vorhandene Kuchen nur neu verteilt."

Edeka selbst hat die Situation in Freital nun nochmals analysiert und sieht für sich einige Nachteile. Zum Beispiel: In Fahrtrichtung Tharandt, in die Nachmittag zur besten Einkaufszeit die meisten Pendler unterwegs sind, liegt Rewe dann besser erreichbar rechts der Dresdner Straße, Edeka aber links.

"Das hat dann nicht mehr viel mit einem integrierten Standort zu tun, denn bei den bisher bekannten Plänen seitens Rewe handelt es sich definitiv um einen reinen Standort für Autofahrer, also komplett anders, als es bei einem Stadtteilzentrum der Fall wäre", sagt der Edeka-Expansionsleiter.

Allein schon die Lage vom zukünftigen Rewe hätte Einflüsse auf Kaufverhalten und Kundenströme, sagt Hasek. "Eröffnet Rewe dort einen Markt, rechnen wir mit deutlichen Umsatzeinbußen."

Zentrums-Investor ist zuversichtlich

Die Stadt Freital hat im Rahmen des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes, welches vor wenigen Monaten beschlossen wurde, auch Analysen zum Einzelhandel durchführen lassen. Darin wird attestiert, dass die Kaufkraftentwicklung in Freital zuletzt weit unterhalb des Bundesdurchschnitts lag, die Versorgungsdichte mit Einzelhandel jedoch über dem bundesweiten Durchschnitt. Allerdings lagen dem Daten von 2015 zugrunde.

Derzeit, heißt es auf Nachfrage aus dem Rathaus, werde für die Stadt ein Einzelhandelskonzept erarbeitet. "Deutlich ist bereits jetzt, dass Freital aktuell durch eine unterdurchschnittliche Verkaufsflächenausstattung und gestiegene Verbrauchsausgaben insbesondere im Lebensmittelbereich gekennzeichnet ist", sagt Matthias Weigel, Pressesprecher der Stadt.

Innerhalb weniger Jahre ist somit - laut Stadtverwaltung - das Verhältnis von Angebot und Nachfrage gekippt. "Wirklich?", fragt ein Branchenkenner, der selbst in Freital lebt. Ihm sei nicht bekannt, dass in jüngerer Vergangenheit in der Stadt Einkaufsmärkte geschlossen hätten. "Im Gegenteil", sagt der Mann: So habe sich Norma mit einem Neubau deutlich vergrößert. Vor Kurzem hat auch Netto an der Poisentalstraße seinen Laden umgebaut und Verkaufsfläche erweitert.

Auf die Frage, ob auf dem Gelände des ehemaligen Kupplungswerkes Einzelhandel möglich ist, sagt Stadtsprecher Weigel: "Im Flächennutzungsplan ist das Grundstück als Mischgebiet ausgewiesen. Ein Lebensmittelmarkt ist dort grundsätzlich genehmigungsfähig."

Und was sagt der Investor vom Sächsischen Wolf? Das ist mittlerweile die Firma Schoofs aus Hessen. "Neben dem Einzelhandelsangebot sind auch Dienstleister, Gastronomie und Sozialeinrichtungen wichtige Frequenzbringer", äußert Schoofs-Geschäftsführer Mohamed Younis. Das Interesse an den zukünftigen Gewerbeflächen sei ungebrochen hoch. Younis: "Wir haben keinen Anlass, Vermietungsrisiken zu sehen."