SZ + Freital
Merken

So sieht es in Freital ein Jahr nach dem Tagesbruch aus

Die Gefahr ist gebannt, die Sanierung des Schachtes an der Rotkopf-Görg-Straße dauert aber an. Und eine Frage bleibt.

Von Gabriele Fleischer
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Mitarbeiter der Bergsicherung arbeiten an der Rotkopf-Görg-Straße in Freital an der Stabilisierung des vor einem Jahr eingebrochenen Augustusschachtes.
Mitarbeiter der Bergsicherung arbeiten an der Rotkopf-Görg-Straße in Freital an der Stabilisierung des vor einem Jahr eingebrochenen Augustusschachtes. © Egbert Kamprath

Während die Kleingärtner ringsherum ihre Oasen pflegen, klafft in der Anlage an der Rotkopf-Görg-Straße in Freital noch immer ein etwa vier mal sechs Meter großes Loch. Auch hier waren einst Parzellen. Aber dann kam es zum Tagesbruch. Zwei Lauben sackten ab, vier Gärten wurden zerstört. An die 3.000 Quadratmeter waren vom Erdrutsch betroffen. Fast ein Jahr ist das nun her.

Inzwischen ist der Hang an der Bruchstelle unterhalb des Windberges längst gesichert. 400 Kubikmeter mit Baustahlmatten bewehrter Beton wurden dafür verbaut.

Die Arbeiten aber dauern an. Eigentliche Herausforderung ist die Sanierung des an dieser Stelle einst für den Steinkohleabbau genutzten Augustusschachtes. Bergleute der Bergsicherung Freital sind dafür im Auftrag des Oberbergamtes Freiberg vor Ort, bewegen sich aus Sicherheitsgründen angeseilt voran.

Doch bevor überhaupt mit der Sanierung und Sicherung begonnen werden konnte, mussten Schuttmassen aus dem Schacht gefördert werden. "Bisher waren das etwa 3.500 Tonnen", sagt Projektleiter Volkmar Scholz.

Loch für Loch entsteht für Sicherungsanker

Auch an diesem Vormittag wird im Schacht, der bis 342 Meter hinab ging, gearbeitet. In etwa 20 Metern Tiefe lassen die Bergleute auf einer Arbeitsbühne den Druckluftbohrer, die sogenannte Bohrlafette, an. 700 Kilogramm schwer ist so ein Gerät - und laut.

Ein Loch nach dem anderen entsteht im angrenzenden Gestein für Sicherungsanker aus Titanstahl, die die bereits früher eingebrachten Spritzbetonsicherungen verstärken. Pro eineinhalb Meter wird in die Tiefe eine Ankerreihe gebohrt.

In einer Ebene sichern künftig um die 30 Anker unterschiedlicher Größe den Schacht. Volkmar Scholz rechnet damit, dass die Bergleute noch bis in eine Tiefe von etwa 30 Metern vordringen müssen, um die Bruchstelle genau beurteilen zu können. Dort zweigte ein wasserabtragender Stollen, eine sogenannte Rösche, ab. Eine neue Plombe im Schacht unter dieser Stelle soll die endgültige Verwahrung sein, dauerhaft stand- und bruchsicher.

Aber schon jetzt geht laut Oberbergamt Freiberg keine Gefahr mehr von der Bruchstelle aus. Froh ist Projektleiter Scholz noch heute, dass vom Tagesbruch und den nachrutschenden Schuttmassen keine Menschen betroffen waren. Deshalb seien regelmäßige statische Prüfungen oberstes Gebot. Sicherheit gehe über alles. Das sehen auch die Kleingärtner so. Sie nehmen die nicht gerade geräuscharmen Arbeiten hin, auch im eigenen Interesse. "Es ist ein notwendiges Übel", sagt Vereinsvorstand Axel Uehla.

Auslöser von Tagesbruch in Freital ist noch immer unklar

Sicherheit ist auch der Grund dafür, warum sich die Bergleute in der Tiefe an den vergangenen Tagen mit ihrer Hebebühne nochmal etliche Meter, exakt drei Ankerreihen, nach unten bewegen mussten. Denn die notwendige regelmäßige Statikprüfung hatte ergeben, dass zusätzliche Anker zur Bewehrung nötig sind. Eine Vorsichtsmaßnahme.

Bereits nach den ersten Arbeiten im vergangenen Jahr war schnell klar, dass genau an der Bruchstelle das Ziegelgewölbe, mit dem 1894 der verfüllte Schacht nach dem Ende des Steinkohlenabbaus in 126 Metern Tiefe gesichert wurde, eingebrochen ist. Die etwa 1.600 Kubikmeter Füllmasse darüber konnten so nachrutschen.

Was der Auslöser für den Zusammenbruch des Gewölbes war, ist indes noch immer nicht klar. "Dazu gibt es weitere Untersuchungen", sagt Scholz. Möglicherweise hatten sich im Laufe der Zeit Hohlräume gebildet, die größer geworden sind. "Die Gewölbesicherung war damals allerdings der neueste Stand der Technik und galt als sicher", so Scholz.

Auf der Suche nach Grubenrissen

Altbergbau hätte aber auch hier im Döhlener Becken, in dem der Schacht liegt, wie überall in einstigen Abbaugebieten seine eigenen Gesetze. Scholz spricht von 100 bis 120 Tagesbrüchen, die in ganz Sachsen jährlich registriert werden. Tendenz gleichbleibend. Nicht immer sind die Gründe dafür restlos auszumachen.

Um das Risiko bei den Sicherungsarbeiten so gering wie möglich zu halten und den Intentionen der Altvorderen folgen zu können, sind die Verantwortlichen vom Oberbergamt über jeden alten Grubenriss dankbar, den sie im Bergarchiv, bei den Städtischen Sammlungen Freital oder bei der Wasserversorgung finden konnten.

An die 2,3 Millionen Tonnen Steinkohle sollen Aufzeichnungen zufolge im Augustusschacht, der 1846 bis 1849 von den Freiherrlich Burgker Steinkohlen- und Hüttenwerken abgeteuft, also in die Tiefe gegraben wurde, gefördert worden sein.

Nun beschäftigt er die Bergleute erneut - und kostet wie bei seiner Entstehung Geld. Geld, das vom Freistaat Sachsen kommt. Bisher sind 2,5 Millionen Euro in die Sanierung geflossen. Noch mindestens ein Jahr werden die Arbeiten am einstigen Steinkohleschacht andauern, sagt Scholz.

Keine Entschädigungen für Pächter

So lange müssen auch die Kleingärtner mit ihren neuen Nachbarn auf Zeit leben - und einer Ampelregelung auf der Straße vor ihrer Anlage für die Baustellenzufahrt.

Auf Zahlungen für die durch den Erdrutsch aufgetretenen Schäden dürften die betroffenen Gartenpächter allerdings vergeblich warten, weder von der Stadt Freital als Eigentümerin des Geländes noch vom Freistaat Sachsen. "Der finanziert lediglich Leistungen zur Gefahrenabwehr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung", sagt Volkmar Scholz.

Entschädigungen seien da nicht enthalten. "Zudem handelt es sich um Hinterlassenschaften eines Bergbaus ohne Rechtsnachfolge. Dieser Bergbau wurde Ende des 19. Jahrhunderts eingestellt. Danach erfolgte die Entlassung aus der Bergaufsicht für die Freiherrlich von Burgker Werke", erklärt Scholz die Hintergründe.

Und auch wenn es aus Sicht des Oberbergamtes durchaus unproblematisch sei, über dem dann nach neuestem Standard gesicherten Schacht wieder Parzellen anzulegen, ist eine Entscheidung darüber im Vorstand des Kleingartenvereins "Rotkopf-Görg" noch nicht gefallen.