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Soll „Wahnsinnsfahrern“ das Auto entzogen werden dürfen?

Der nächste Verkehrsgerichtstag diskutiert strengere Strafen für schwere Verkehrsverstöße. In einigen Nachbarländern sind sie schon Realität. Was sächsische Verkehrsrechtler und der ADAC zu den Plänen sagen.

Von Andreas Rentsch
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Doppelt so schnell wie erlaubt: Die Dänen sprechen dann von einer "Wahnsinnsfahrt".
Doppelt so schnell wie erlaubt: Die Dänen sprechen dann von einer "Wahnsinnsfahrt". © Frank Rumpenhorst/dpa

Die Dänen nennen es „Vanvidsbilisme“, was übersetzt so viel heißt wie „Wahnsinnsfahrt“. In diese Kategorie fallen Autofahrer, die doppelt so schnell wie erlaubt oder unabhängig vom Tempolimit mit mehr als 220 km/h von der Polizei erwischt werden. Auch mit zu viel Alkohol im Blut gilt man als Wahnsinnsfahrer und riskiert die Beschlagnahme und Versteigerung des seines Autos. Sind solche Strafen bald auch hierzulande nötig? Darüber debattiert im Januar der 62. Deutsche Verkehrsgerichtstag in Goslar.

Können Autos nicht jetzt schon beschlagnahmt werden?

Ja, bei illegalen Autorennen. Seit 2017 gilt in Deutschland, dass die Beamten Teilnehmerfahrzeuge unmittelbar nach der Tat beschlagnahmen und als Beweismittel sichern können. Verurteilt ein Gericht den Raser, entscheidet es auch, ob das Auto dauerhaft eingezogen wird. „Das bedeutet, dass das Eigentum an dem Fahrzeug auf den Staat übergeht“, sagt Alexander Schnaars vom ADAC. Der Wagen muss dafür nicht mal Eigentum desjenigen sein, der an dem Rennen teilgenommen hat. Es träfe also auch Leasing- oder Mietwagen.

Wie oft so etwas in der Praxis passiert, ist eine andere Frage. „Ich habe schon mehrfach Mandanten aus Sachsen verteidigt, denen die Teilnahme an einem illegalen Autorennen vorgeworfen wurde“, sagt der Dresdner Verkehrs- und Strafrechtsanwalt Christian Janeczek. „Dabei war nie die Einziehung des Fahrzeugs ein Thema.“

Worum dreht sich dann die Debatte beim Gerichtstag?

Einer der acht Arbeitskreise behandelt die Frage, ob neben extremen Tempoverstößen künftig auch Fahrten im Alkohol- und Drogenrausch härter geahndet werden sollen – und wenn ja, ab welcher Grenze. Auch die Hürden für das Entziehen des Autos müssten diskutiert werden, so ADAC-Sprecher Schnaars. Der Verkehrsgerichtstag will eine Empfehlung für die Politik aussprechen.

Wie hoch sind die Hürden in anderen Ländern Europas?

In Lettland ermöglicht es ein im vergangenen Jahr verabschiedetes Gesetz, dass Autos beschlagnahmt und verkauft werden dürfen, wenn der Fahrer mit mehr als 1,5 Promille erwischt wurde. Gleiches gilt in Italien. Vorausgesetzt, dem Fahrer gehört das Auto oder Motorrad. In Dänemark droht seit Frühjahr 2021 bei einer „Wahnsinnsfahrt“ mit über zwei Promille der Verlust des fahrbaren Eigentums.

In Frankreich kann die Einziehung des Kfz als Zusatzstrafe angeordnet werden, wenn jemand wiederholt unter Alkohol oder anderem Drogeneinfluss unterwegs gewesen ist. Polen bereitet ein Gesetz vor, das ab Mitte 2024 die Beschlagnahme von Autos generell ab 1,5 Promille ermöglichen soll. Gleiches soll dann auch schon möglich sein, wenn jemand mit mindestens 0,5 Promille einen Unfall verursacht.

Halten Juristen das Einziehen von Autos für angemessen?

Aus Sicht des ADAC ist eine abschließende Bewertung bislang nicht möglich. Zu viele Fragen seien noch offen. Grundsätzlich verfüge das deutsche Verkehrsrecht auch jetzt schon über „starke Sanktionsmittel“ für schwere Verkehrsverstöße bei Alkoholfahrten. Möglich sind Geld- oder Freiheitsstrafen, ebenso der Entzug der Fahrerlaubnis. „Gegebenenfalls ist sogar eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung für die Wiedererteilung notwendig“, sagt Frank Schubert, Verkehrsrechtsanwalt aus Chemnitz.

Dazu kommt, dass Autofahrer nach einem Alkohol- oder Drogenverstoß von ihrer Versicherung in Regress genommen werden können, wenn es zum „Fremdschaden“ kommt. Zudem kann der Kaskoversicherer seine Leistung verweigern. All das birgt enorme finanzielle Risiken.

In welchen Ländern droht Rasern der Verlust ihres Wagens?

Neben Dänemark ist die Schweiz ein gefährliches Pflaster für notorische Raser. Großes Medienecho rief 2014 der Fall des „Gotthard-Rasers“ hervor: Nachdem ein Mann aus Baden-Württemberg mit mehr als 200 km/h durch den Alpentunnel gerast war, verurteilte ihn ein Kantonsgericht in Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten. Einen Teil davon verbüßte der Mann Jahre später in einem deutschen Gefängnis. Seinen Wagen bekam er nicht wieder: Der BMW Z4 wurde für knapp 5.000 Schweizer Franken versteigert.

Auch Österreich verschärft die Regeln: Wer ab März 2024 innerorts 80 km/h oder außerorts 90 km/h zu schnell gemessen wird, könnte unter bestimmten Umständen seinen Wagen verlieren. Laut ADAC träfe das auch in Deutschland zugelassene Fahrzeuge. Beschlagnahmt werden könne aber nur, wenn der Fahrer gleichzeitig Eigentümer des Autos ist.

Welche Optionen gibt es noch, Unbelehrbare zu stoppen?

Ist jemand als Straftäter im Verkehr aktenkundig geworden, drohen auch verwaltungsrechtliche Sanktionen. „Wenn derjenige zum Beispiel regelmäßig ohne Fahrerlaubnis fährt, ermöglicht das Polizeigesetz ein präventives Einziehen des Fahrzeugs“, sagt Verkehrsrechtsanwalt Janeczek.

Fünf Beispiele für Wahnsinnsfahrten