SZ + Leben und Stil
Merken

Lohnt der Wechsel der Kfz-Versicherung?

Die Wahl der passenden Police ist weit mehr als nur eine Preisfrage, sagt ein Versicherungsprofi aus Sachsen – und erklärt das Kleingedruckte.

Von Andreas Rentsch
 7 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Selbst verschuldet? Wohl dem, der jetzt einen Vollkasko-Versicherer hat, der für den Schaden aufkommt.
Selbst verschuldet? Wohl dem, der jetzt einen Vollkasko-Versicherer hat, der für den Schaden aufkommt. © 123rf

Noch bis 30. November läuft die heiße Phase der Wechselsaison für die Kfz-Versicherer. Viele Anbieter werben mit Rückerstattungen, wenn Kunden ihren Vertrag nicht kündigen. Von solchen Ankündigungen solle man sich nicht zu sehr beeinflussen lassen, sagt Nico Palitzsch. Aus Sicht des unabhängigen Versicherungsberaters aus Pockau-Lengefeld (Erzgebirge) entscheidet oft das Kleingedruckte, ob man gut versichert ist oder nicht. Im Interview erklärt der 42-Jährige auch, welche Fehler man beim Anbieterwechsel unbedingt vermeiden sollte.

Herr Palitzsch, wann sollte ich die Kfz-Versicherung wechseln?

Wenn Sie das Gefühl haben, zu viel zu zahlen oder vom Versicherer beim letzten Schadensfall übervorteilt worden zu sein. Ob sich der Wechsel tatsächlich lohnt, müssen Sie natürlich noch prüfen. Grundsätzlich gilt: Je höher der Wert des Fahrzeugs ist, desto sinnvoller ist es, den Inhalt des Versicherungsvertrags zu überprüfen. Sich eine Zweitmeinung von einem Spezialisten einzuholen, kann nie schaden. Es gibt gute Makler, die spezielle Vergleichssoftware nutzen. So jemanden kann man immer fragen. Wobei nur wenige Gesellschaften meinem Anspruch an die Versicherungsbedingungen genügen.

Welche Bedingungen erfüllen viele denn nicht?

Es gibt drei Punkte, die mir Bauchschmerzen bereiten. Der erste ist, dass sich Versicherer häufig an die Musterbedingungen des Versichererverbands GDV halten. Darin findet sich eine Klausel, die besagt, dass bei bestimmten Pflichtverletzungen die vereinbarte Versicherungssumme bei der Kfz-Haftpflicht aufs gesetzlich vorgeschriebene Niveau verringert werden kann.

Nico Palitzsch hat 22 Jahre Berufserfahrung im Versicherungsbusiness und ist als unabhängiger Versicherungsberater tätig. Der 42-Jährige lebt in Pockau-Lengefeld (Erzgebirge).
Nico Palitzsch hat 22 Jahre Berufserfahrung im Versicherungsbusiness und ist als unabhängiger Versicherungsberater tätig. Der 42-Jährige lebt in Pockau-Lengefeld (Erzgebirge). © Bildstelle

Auf welche Summe?

Von 100 Millionen runter auf 7,5 Millionen Euro bei Personenschäden, auf 1,22 Millionen für Sachschäden und auf 50.000 Euro für Vermögensschäden.

Wann wird so eine Kürzung möglich?

Laut den Bedingungen vieler Gesellschaften bei kleinsten Versäumnissen. Zum Beispiel, wenn Sie verpflichtet sind, einen Unfall binnen einer Woche zu melden, das aber – warum auch immer – nicht tun. Im Klartext: Wenn Sie nach einem Unfall im Krankenhaus liegen und den Schaden nicht innerhalb dieser Frist melden, laufen Sie schon Gefahr, die Versicherungssumme gekürzt zu kriegen. In meinen Augen ist das eine unwirksame Klausel. Auf meinen Hinweis hin hat der Bundesverband der Verbraucherzentralen einen Versicherer mit einer solchen Klausel zur Unterlassung gezwungen. Trotzdem sehe ich in diesem Punkt ein hohes Rechtsrisiko.

Welche Versicherer verzichten auf diese Klausel?

Ich weiß nur von der Allianz, der Huk-Coburg-Gruppe und der VHV, die definitiv darauf verzichten.

Kritikpunkt Nummer zwei?

Der zweite Punkt hat mit Fair Play zu tun. Versicherer tarifieren ja unter anderem nach den gefahrenen Kilometern pro Jahr. Nun ist die Frage: Wie reagiert der Versicherer, wenn Sie Ihre vereinbarten Kilometer überschreiten? Hier steht in fast allen Bedingungen, dass Sie verpflichtet sind, das zu melden, um dann den höheren Beitrag ab Beginn des Jahres nachzuzahlen.

Und wenn ich es nicht melde?

Ist auch das eine folgenreiche Pflichtverletzung. Es gibt viele Versicherer, die dann 50 bis 100 Prozent Beitragszuschlag verlangen. Zwar wird immer formuliert, dass diese Regel „bei vorsätzlichem Handeln“ zum Tragen komme. Jedoch unterstellen viele Anbieter gern mal Vorsatz, wenn sie die Möglichkeit dazu haben. Nach dem Motto: „Sie waren mit dem Auto in der Werkstatt, auf der Rechnung stand doch der Kilometerstand.“ Schon wenn Sie es unterlassen haben, mal nachzurechnen, wäre das bedingter Vorsatz. Bei meinen bisherigen Prüfungen habe ich nur zwei Anbieter gefunden, die auf solche Sanktionen verzichten: die Allianz und die Huk-Coburg. Deren Bedingungen sind für mich fair.

Und der dritte Kritikpunkt?

Die Summe der Leistungen. In einem Teilkasko-Vertrag sind alle möglichen Ereignisse definiert, bei denen der Versicherer zahlt. In der Vollkasko kommen dann noch zusätzlich Dinge wie der selbst verschuldete Unfall und Vandalismus dazu, die die Teilkasko nicht abdeckt. Letztlich ist es doch so: Wir schließen eine Kaskopolice ab, weil wir uns den Totalschaden nicht leisten können. Wenn es jetzt aber Ereignisse gibt, die bei meinem Fahrzeug zu einem Totalschaden führen und unversichert sind, wäre die Police im Ernstfall ja sinnlos. Deshalb gilt: Es müssen so viele Ereignisse wie möglich versichert sein, die zu einem Totalschaden führen.

Können Sie mal ein Beispiel geben, wo es knifflig wird?

Zum Beispiel bei Lawinen. Man kann sich streiten: Ist eine Schneelawine das Gleiche wie eine Gesteins-, Geröll- oder Schlammlawine? Weil es dazu juristische Auseinandersetzungen gab, fangen viele Versicherer an, Lawinen zu definieren. Das kann unter Umständen dazu führen, dass eine große Dachlawine, die ein Auto ebenfalls schwer beschädigen könnte, nicht mit versichert ist. Dieses Spielchen gibt es auch beim Thema Erdbeben, Erdsenkung oder Erdrutsch. Natürlich passiert so etwas äußerst selten, ist aber eine Katastrophe für denjenigen, den es beim Urlaub in Italien, Österreich oder Spanien trifft.