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So teuer werden Sachsens größte Krankenkassen 2024

Angesichts steigender Ausgaben müssen viele Kassen ihre Beiträge für die Versicherten erhöhen. Eine dauerhafte Lösung kann das nicht sein, sagen sie. Einen Überblick gibt es hier.

Von Katrin Saft & Kornelia Noack
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Freie Behandlung auf Chipkarte.
Freie Behandlung auf Chipkarte. © Jens Kalaene/dpa

Jedes Jahr Ende Dezember entscheiden die gesetzlichen Krankenkassen über ihren Haushalt für das nächste Jahr – und damit auch über die Beiträge für die Versicherten. Beschlossen wird beides von den Verwaltungsräten, die aus Vertretern der Beitragszahler bestehen. In diesem Jahr keine angenehme Aufgabe, denn die Finanzlage ist überaus angespannt.

Die Finanzlage

Deutschland leistet sich eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt, schneidet bei den Ergebnissen im OECD-Vergleich aber nur mittelmäßig ab. Die Ausgaben steigen von Jahr zu Jahr, vor allem angesichts des medizinisch-technischen Fortschritts und der älter werdenden Bevölkerung. So haben die 96 gesetzlichen Krankenkassen in den ersten drei Quartalen dieses Jahres 228,1 Milliarden Euro für ihre Versicherten ausgegeben, aber nur knapp 227,2 Milliarden Euro eingenommen.

Eine Ursache für dieses Defizit ist, dass die Kassen gesetzlich verpflichtet wurden, 2023 insgesamt 2,5 Milliarden Euro aus ihren Finanzreserven in den Gesundheitsfonds einzuzahlen. In den Fonds fließen die Beiträge von Arbeitgebern, Sozialversicherungsträgern und Kassenmitgliedern sowie ein Bundeszuschuss von 16,5 Milliarden Euro in diesem Jahr. Zudem sind die Leistungsausgaben gestiegen – bis Ende September um 5,2 Prozent – vor allem durch Inflation und Vergütungsanpassungen.

Die Kassenbeiträge

Für alle gesetzlich Versicherten werden 14,6 Prozent vom Bruttoeinkommen fällig. Außerdem kann jede Kasse einen Zusatzbeitrag erheben, dessen Höhe sie selbst festlegt. In diesem Jahr liegt er im Schnitt bei 1,51 Prozent. Das ergibt einen durchschnittlichen Kassenbeitrag von 16,11 Prozent. Davon zahlen Arbeitgeber oder Rentenversicherungsträger die Hälfte. Angesichts der angespannten Finanzsituation hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den gesetzlichen Kassen empfohlen, den Zusatzbeitrag nächstes Jahr um 0,1 Prozentpunkte anzuheben.

Die AOK Plus

Die AOK Plus, bei der jeder zweite Sachse versichert ist, muss ihren Zusatzbeitrag ab Januar um 0,3 Prozent auf 1,8 Prozent erhöhen. Der Gesamtbeitrag steigt damit auf 16,4 Prozent. „Der fehlende politische Wille in Berlin, die gesetzliche Krankenversicherung nachhaltig zu stabilisieren, führt dazu, dass die Ausgaben schneller steigen als die Einnahmen“, sagt Daniela Kolbe, Vorsitzende des Verwaltungsrats. Im kommenden Jahr werde die AOK Plus für die Gesundheitsversorgung ihrer 3,5 Millionen Mitglieder in Sachsen und Thüringen insgesamt 15,8 Milliarden Euro ausgeben, aber keine Abstriche an Service und Leistungen machen. Zu den größten Kostenblöcken gehören die Ausgaben für Krankenhäuser, Arzneimittel und Ärzte, die alle spürbar gestiegen sind.

Die IKK classic

Der Zusatzbeitrag für die rund 409.000 IKK classic-Versicherten im Freistaat steigt ab Januar von derzeit 1,6 auf 1,7 Prozent. Der Gesamtbeitrag erhöht sich auf 16,3 Prozent. „Unsere Leistungsausgaben steigen im nächsten Jahr um 5,8 Prozent auf bundesweit 12,6 Milliarden Euro“, sagt Hans Peter Wollseifer, Verwaltungsratsvorsitzender der IKK classic. „Für die hochwertige medizinische Versorgung planen wir, 4.179 Euro pro Versichertem auszugeben.“

Die Barmer

Die knapp 313.000 Barmer-Versicherten in Sachsen müssen sich auf deutliche Mehrausgaben einstellen. Die Kasse erhöht ihren Zusatzbeitrag um 0,69 Prozentpunkte – von derzeit 1,5 auf 2,19 Prozent. Der Gesamtbeitrag steigt damit von 16,1 auf 16,79 Prozent. Hauptgründe seien die „Teuerung im Gesundheitswesen und die stark steigenden Ausgaben für die Krankenhausversorgung“. Hierfür habe man in diesem Jahr bundesweit bereits 1,1 Milliarden Euro mehr ausgegeben. „Leistungskürzungen kommen aber für uns nicht infrage“, sagt Sprecher Athanasios Drougias. Mit exklusiven Zusatzleistungen gehe der Versicherungsschutz weit über die gesetzlich vorgeschriebene Grundversorgung hinaus.

Die DAK-Gesundheit

Die drittgrößte Krankenkasse in Deutschland wird ihren Zusatzbeitrag von 1,7 Prozent nicht erhöhen. Der Gesamtbeitrag der DAK, bei der in Sachsen etwa 150.000 Menschen versichert sind, beträgt unverändert 16,3 Prozent. „Wir liegen damit erstmals seit Jahren wieder im offiziellen Durchschnitt aller Kassen“, sagt Johannes Knollmeyer vom Verwaltungsrat.

Die Techniker Krankenkasse

Auch die TK belässt ihren Zusatzbeitrag 2024 weiterhin bei 1,2 Prozent. Damit liegt der Gesamtbeitrag für die 235.000 Versicherten im Freistaat bei 15,8 Prozent – deutlich unter dem bundesweiten Schnitt. Zwar sind die Ausgaben pro TK-Versicherten in den ersten drei Quartalen dieses Jahres um 4,9 Prozent gestiegen. „Unsere Finanzsituation lässt aber diese Entscheidung zu“, sagt Alexander Krauß, TK-Chef in Sachsen. Hinzu komme, dass die TK stetig daran arbeitet, Prozesse zu verschlanken und Verwaltungskosten zu senken.

Die Knappschaft

Drei Jahre lang waren die Beiträge der Knappschaft-Bahn-See (KBS) stabil. Im kommenden Jahr soll der Zusatzbeitrag um 0,6 Prozent auf 2,2 Prozent steigen. Damit erhöht sich der Gesamtbeitrag für die knapp 90.000 Versicherten im Freistaat auf16,8 Prozent. „Wie alle gesetzlichen Kassen mussten auch wir große Teile unserer Reserven zur Finanzierung des Gesamtsystems beisteuern“, sagt Sprecherin Christiane Krüger . „Für unsere bundesweit 1,4 Millionen Versicherten bedeutet das in diesem Jahr einen Abbau von 119,2 Millionen Euro.“ Trotz seriöser und vorausschauender Finanzplanung reichten die verbleibenden Mittel jetzt nicht mehr aus, um ohne Beitragsanpassung die Leistungsausgaben der Versicherten 2024 decken.

Der Kassenwechsel

Erhöht die Krankenkasse ihren Zusatzbeitrag, gilt ein Sonderkündigungsrecht, auch bei Wahltarifen. Versicherte müssen nicht förmlich kündigen, sondern nur der neuen Kasse mitteilen, dass sie Mitglied werden wollen. Diese übernimmt dann die Wechselmodalitäten.

Versicherte sollten ihre Entscheidung aber nicht allein vom Beitragssatz abhängig machen, sondern auch von Service und Zusatzleistungen der Kasse wie Zahnarzt- oder Kinderwunschbehandlungen, alternative Heilmethoden oder Impfungen. Rund 95 Prozent der Leistungen sind gesetzlich vorgeschrieben und damit bei allen Kassen gleich.

Die Forderungen der Krankenkassen

Die gesetzlichen Kassen fordern Finanz- und Strukturreformen im Gesundheitswesen. „Es kann keine dauerhafte Lösung sein, dass Versicherte und Arbeitgeber durch Beitragserhöhungen Jahr für Jahr für die Unterfinanzierung sowie die strukturellen Defizite des Gesundheitssystems aufkommen müssen“, sagt Frank Hippler, Vorstandsvorsitzender der IKK classic.

Ähnlich sieht es die AOK. „Mit Blick auf die absehbaren Kostensteigerungen aufgrund von Gesetzesvorhaben und der lautstark vorgetragenen Begehrlichkeiten von Krankenhäusern, Ärzten, Apotheken und Arzneimittel-Herstellern werden die finanziellen Ressourcen nicht ausreichen“, sagt Michael Bernatek, Pressereferent des AOK Bundesverbands. Umso wichtiger seien echte Strukturreformen, die auch die Leistungsfähigkeit des Systems verbessern.

Zu den Forderungen der Kassen gehören kostendeckende Beiträge für Bürgergeldempfänger und eine faire Preisbildung für neue Arzneimittel. Laut AOK Plus zahlt der Bund für jeden Bürgergeldempfänger 1.371 Euro im Jahr in den Gesundheitsfonds. Die durchschnittlichen Leistungsausgaben lägen derzeit aber bei etwa 3.100 Euro pro Versichertem.

Ausgewählte Beiträge:

AOK Plus
Beitrag 2023*: 16,1 %, Beitrag 2024*: 16,4 %

Barmer
Beitrag 2023*: 16,1 %, Beitrag 2024*: 16,79 %

Continentale BKK
Beitrag 2023*: 16,0, Beitrag 2024*: 16,0 %

DAK
Beitrag 2023*: 16,3 %, Beitrag 2024*: 16,3 %

Debeka BKK
Beitrag 2023*: 16,29 %; Beitrag 2024*: 16,29 %

hkk
Beitrag 2023*: 15,58 %, Beitrag 2024*: 15,58 %

IKK classic
Beitrag 2023*: 16,2 %; Beitrag 2024*: 16,3 %

IKK Gesund Plus
Beitrag 2023*: 15,7 %, Beitrag 2024*: 16,09 %

KKH
Beitrag 2023*: 16,1 %, Beitrag 2024*: 16,58 %

Knappschaft
Beitrag 2023*: 16,2 %, Beitrag 2024*: 16,8 %

TK
Beitrag 2023*: 15,8 %, Beitrag 2024*: 15,8 %

*Jeweils Prozent vom Bruttoeinkommen des Versicherten. Die Hälfte zahlt der Arbeitgeber.
Quelle: SZ/test.de

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