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Cannabis wird legal – trotz Kretschmers Nein im Bundesrat

Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer hat im Bundesrat gegen das Cannabis-Gesetz gestimmt. Der Ärger bei Grünen und SPD hält sich dennoch in Grenzen.

Von Karin Schlottmann
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Beim Thema Cannabis alles andere als einer Meinung: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und seine beiden Vize Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD, r.) und Umweltminister Wolfram Günther (Grüße, l.)
Beim Thema Cannabis alles andere als einer Meinung: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und seine beiden Vize Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD, r.) und Umweltminister Wolfram Günther (Grüße, l.) © dpa; SZ

Dresden. Die Bemühungen von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), die Legalisierung von Cannabis im Bundesrat zu stoppen, sind gescheitert.

Vier Bundesländer stimmten am Freitag für die Überweisung der Ampel-Koalition in den Vermittlungsausschuss, die übrigen mussten sich aus Koalitionsräson enthalten. Damit sind der Anbau und der Konsum der Droge unter bestimmten Voraussetzungen für Erwachsene ab 1. April erlaubt.

Um das Gesetz in letzter Minute doch noch zu verhindern, hatte Kretschmer sogar den Frieden in seiner eigenen Koalition mit SPD und Grünen riskiert. Er stimmte überraschend in der Länderkammer gegen das Gesetz, obwohl der Koalitionsvertrag bei Uneinigkeit eine Pflicht zur Enthaltung im Bundesrat vorsieht. Kretschmer sagte am Freitag, bei diesem sehr zentralen und persönlichen Thema dürfe es nicht um Parteipolitik oder Koalitionsarithmetik gehen.

Kretschmer bei seiner Rede im Bundesrat.
Kretschmer bei seiner Rede im Bundesrat. © dpa/Bernd Von Jutrczenka

Nach seiner Rede, in der er erneut vor den Gefahren der Cannabisfreiheit warnte, meldete sich spontan Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) zu Wort und wies darauf hin, dass er für das Gesetz stimme. Es gebe Spielregeln in der Koalition, die es einzuhalten gelte, mahnte er. Nachdem beide bei der offenen Abstimmung ihre Uneinigkeit offen gelegt hatten, erklärte Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig (SPD) die Stimmen Sachsens für ungültig.

Verstimmung bei SPD und Grünen

Kretschmer muss zu dem Zeitpunkt schon bekannt gewesen sein, dass sein ungewöhnlicher Schritt folgenlos bleiben würde. Bei eine Probeabstimmung vor der Bundesratssitzung wurde deutlich, dass es für eine Überweisung in den Vermittlungsausschuss nicht genügend Stimmen geben würde. Grüne und SPD äußerten sich nach der Bundesratssitzung verstimmt über die Verletzung des Koalitionsvertrages. Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) erklärte: „Darüber werden wir im Koalitionsausschuss am Dienstag zu sprechen haben“. Was im Bundesrat passiert sei, dürfe nicht zur Regel werden, sagte Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) an die Adresse Kretschmers.

Nach einem handfesten Krach klingen diese Stellungnahmen aber nicht. Das liegt zum Einen daran, dass auch SPD und Grüne das Cannabisgesetz der Ampel für verbesserungswürdig halten. Vor einer Intervention von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei Kritikern auch aus den eigenen Reihen hatten sich sowohl Köpping als auch Sachsens Justizministerin Katja Meier (Grüne) unzufrieden mit einzelnen Regelungen gezeigt. Zum Anderen macht es für SPD und Grüne keinen Sinn, das Regierungsbündnis infrage zu stellen, wo doch das Cannabisgesetz in wenigen Tagen in Kraft treten wird.

Mit dem Hammer auf Gipskarton

Sein ungewöhnliches Abstimmungsverhalten begründete Sachsens Regierungschef mit der heftigen Kritik von Ärzten sowie von Innen- und Justizministern an der Legalisierung der Droge. Bei vielen psychisch Kranken habe der Leidensweg mit Cannabis begonnen, sagte er. Während eines Besuchs in der Psychiatrie in Großschweidnitz in Sachsen habe er Patienten gesehen, die mit einem Löffel Wasser von einem Glas ins andere gefüllt hätten. In einem weiteren Krankenhaus würden Suchtkranke, die ihre Drogenkarriere ebenfalls mit Cannabis begonnen hätten, Gipsplatten mit einem Hammer zerschlagen, um sich zu beschäftigen.

Während eine Reihe von Länderministern ebenfalls auf die Risiken hinwiesen und vor allem die Amnestieregelung als Belastung der Justiz ablehnten, verteidigte Gesundheitsminister Lauterbach sein Gesetz als richtige Antwort auf eine seiner Meinung nach gescheiterte Drogenpolitik. Zwar seien die Niederlande kein Vorbild für Deutschland. Aber andere Staaten hätten die Legalisierung gut gelöst.

Der auf offener Bühne ausgetragene Konflikt erinnert an eine spektakuläre Abstimmung im Bundesrat vor 22 Jahren. Beim Votum über das damalige rot-grüne Zuwanderungsgesetz am 22. März 2002 stimmte der Ministerpräsident von Brandenburg, Manfred Stolpe (SPD), mit Ja, sein Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) dagegen mit Nein. Stolpes Votum wurde als Entscheidung des Landes gewertet. Doch das Verfassungsgericht stoppte neun Monate später das Gesetz und gab der Klage von sechs unionsgeführten Ländern statt, weil Länder einheitlich abzustimmen hätten.