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Selbsttest: Wie geht das mit dem E-Rezept?

Seit Jahresbeginn dürfen Ärzte Rezepte nur noch digital ausstellen. Für Patienten gibt es drei Wege, sie einzulösen. Klappt das? Unsere Redakteurin Kornelia Noack hat es getestet.

Von Kornelia Noack
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Chipkarte gegen Medikament: Redakteurin Kornelia Noack löst bei Apotheker Sven Lobeda ihr E-Rezept ein.
Chipkarte gegen Medikament: Redakteurin Kornelia Noack löst bei Apotheker Sven Lobeda ihr E-Rezept ein. © kairospress

Die Aufholjagd bei der Digitalisierung hat begonnen. So hat es zumindest Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zum Pflichtstart des E-Rezepts am 1. Januar verkündet. Und wir Patienten dürfen hautnah bei dieser Jagd dabei sein. Was das bedeutet? Ich habe es getestet.

Der Arztbesuch

Mein Hausarzt sieht mich etwa jedes Vierteljahr. Ich muss ein Mittel gegen hohen Blutdruck nehmen, täglich eine kleine Pille. Die letzte Packung neigte sich dem Ende. Eine gute Gelegenheit also, gleich mal zu schauen, ob tatsächlich auch in „meiner“ Praxis in Dresden-Klotzsche die Digitalisierung Einzug gehalten hat. Bislang zeigten sich die drei Ärzte dort nicht gerade als, sagen wir, digitale Vorreiter. Mich stört das wenig, denn beim Arzt meines Vertrauens kommt es mir auf andere Dinge an.

Ich bin gespannt. Seit Jahren schon ist das E-Rezept im Gespräch. Doch die flächendeckende Einführung verzögerte sich immer wieder, insbesondere wegen technischer Probleme und weil die Akteure untereinander kaum vernetzt sind. Bislang waren Ärzte, die ihren Patienten digitale Verordnungen schreiben, die Ausnahme – auch in Sachsen. Obwohl es technisch bereits seit Monaten möglich ist. Nun sind alle Ärzte in der Pflicht. Werktäglich stellen sie mehr als 1,5 Millionen Rezepte aus, pro Jahr sind das über 400 Millionen. Tun sie das nun künftig nicht digital, wird das Honorar pauschal um ein Prozent gekürzt.

Im Sprechzimmer werde ich wie immer kurz durchgecheckt. Mein Arzt – der namentlich nicht genannt werden möchte, aber bereitwillig meine Fragen beantwortet – tippt die Infos in seinen PC und setzt hier und da ein paar Haken. Dann nimmt er ein spezielles Kartenlesegerät zur Hand, steckt seinen elektronischen Heilberufsausweis – kurz eHBA – ein und tippt eine PIN ein. Mit dem eHBA bestätigen Ärzte ihre Identität in der digitalen Welt und können zum Beispiel ein digitales Rezept signieren, erklärt er mir. Die Signatur entspreche in dem Fall der Unterschrift auf dem altbekannten rosa Zettel. Apropos, solch einen müsse ich natürlich künftig nicht mehr bei der Sprechstundenhilfe abholen. „Sie können Ihre Tabletten einfach mit der Krankenkassenkarte in einer Apotheke Ihrer Wahl bekommen“, so mein Arzt. Ich bin positiv überrascht. Und habe das Gefühl, mein Gegenüber ebenso. Erst über den Jahreswechsel habe man die Verwaltungssoftware in der Praxis endgültig fürs E-Rezept fit gemacht, erzählt er. Zu groß sei lange Zeit die Skepsis gegenüber den Veränderungen im Praxisalltag gewesen. Und wie andere Mediziner auch habe er sich mit den technischen Anforderungen und Kosten alleingelassen gefühlt. Beim Datenschutz habe er nach wie vor Bedenken.

Und natürlich habe es ein paar Anlaufschwierigkeiten gegeben. So riefen am ersten Tag zwei Apotheken an, die die Rezepte nicht einlösen konnten. Auch das Verschicken in die E-Rezept-App klappe noch nicht hundertprozentig. „Insgesamt funktioniert es aber ganz gut. Viel hat sich für mich im Grunde gar nicht geändert. Allerdings sparen wir nun einiges an Papier“, so mein Arzt. Um Fragen zur Anwendung zu klären, bietet die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen Ärzten diverse Webinare an.

Die Technik

Wie funktioniert das ganze Verfahren nun technisch? Um das zu verstehen, benötigt man ein wenig Vorstellungsvermögen. Denn greifbar ist das E-Rezept nicht mehr. Es besteht vielmehr aus einem Token, ähnlich einem QR-Code. Dieser enthält dieselben Informationen wie früher das rosa Rezept. Dazu gehören etwa die Patienten- und Arztdaten, die verordneten Medikamente, Wirkstoffe und Dosierhinweise.

Löst ein Arzt nun ein E-Rezept an seinem Rechner aus, schickt er es verschlüsselt auf einen zentralen Server der Telematikinfrastruktur – die sogenannte Datenautobahn des Gesundheitswesens. Wenn der Apotheker die Verordnung später dort abrufen möchte, benötigt er eine Art Schlüssel, den er nur vom Patienten erhalten kann. 28 Tage lang bleibt für das Einlösen Zeit, ansonsten wird der Token zeitnah auf dem Server gelöscht.

Verschreibt ein Arzt mehrere Medikamente, gibt es für jede Verordnung einen eigenen Code. Das bedeutet also, wenn eine Apotheke eines von drei Medikamenten nicht vorrätig hat, kann der Patient den dritten Code in einer anderen Apotheke einlösen. Das war bislang nicht möglich.

Das Einlösen

Seit Einführung wurden laut der Gematik bundesweit rund 21,1 Millionen E-Rezepte eingelöst. Diese Zahl dürfte nun natürlich rasant steigen. Um nach einem Arztbesuch an sein Medikament zu kommen, gibt es inzwischen drei Möglichkeiten.

Das Wichtigste: Wer kein Smartphone und ohnehin mit der digitalen Welt nicht viel am Hut hat, wird nicht ausgeschlossen. Viele Ärzte bieten gerade ihren älteren Patienten an, den Rezept-Code auf Papier auszudrucken. Der Apotheker scannt einfach den Code auf dem Zettel und kann so die Verordnung auf dem Server abrufen.

Wer digitaler unterwegs ist, kann sich die App „E-Rezept“ von der Gematik auf sein Smartphone laden. Mehr als 650.000 Deutsche haben das bislang getan. Der Arzt schickt dann den Code auf die App, und der Patient zeigt ihn in der Apotheke vor. Mit der Familienfunktion lassen sich auch Rezepte für Angehörige aufrufen. Die Registrierung in der App ist aber nicht ganz unkompliziert. Das Smartphone muss NFC-fähig sein. Versicherte brauchen zudem eine elektronische Gesundheitskarte mit NFC-Funktion und die PIN-Nummer für die Karte. An dieser Stelle scheiter ich. Ich habe meine PIN verlegt. Eine neue bei der Krankenkasse zu beantragen, ist jedoch nicht so einfach. Das gehe nur, so musste ich erfahren, indem meine Chipkarte gesperrt und eine neue ausgestellt wird. Dauer: etwa zwei bis drei Wochen.

Wer eine elektronische Patientenakte – kurz ePa – bei seiner Kasse besitzt, soll künftig auch darüber E-Rezepte empfangen können. Erforderlich ist dafür eine Verknüpfung mit der „E-Rezept“-App der Gematik. Die Verfahren und Möglichkeiten sind jedoch bei jeder Krankenkasse unterschiedlich.

Deutlich einfacher ist der Einlöseweg, den es seit vergangenem Juli gibt und den mir auch mein Hausarzt ans Herz gelegt hat: mit der Chipkarte in der Apotheke.

Allerdings und das gilt für alle drei Wege: Ein Apotheker kann ein E-Rezept erst dann abrufen, wenn der Arzt es elektronisch unterschrieben hat. Angenommen also, eine Praxis signiert alle Verordnungen erst gesammelt am Ende eines Tages, kommen Patienten so lange nicht an ihre Arzneien. Dasselbe gilt bei Versandapotheken, denn auch hier lassen sich digitale Verordnungen natürlich einlösen.

In der Apotheke

Die Apotheker sind schon länger digital unterwegs. Seit dem 1. Juli 2022 sind sie bereits dazu verpflichtet, E-Rezepte einlösen zu können. Auch in meiner Hausapotheke am Dresdener Postplatz habe ich schon oft Reklame dafür gesehen. Nun zum ersten Mal mit leeren Händen in die Apotheke zu gehen, ist ein wenig befremdlich. Sonst hielt ich die Verordnung schwarz auf rosa in der Hand und konnte noch einmal nachlesen, was der Arzt genau verordnet hat.

Nun reiche ich Apotheker Sven Lobeda statt des Zettels lediglich meine Krankenkassenkarte rüber. Er steckt sie in ein spezielles Lesegerät und schon erscheint auf seinem Bildschirm mein E-Rezept. Eine PIN muss ich nicht eingeben. „Viele Kunden denken, dass das Rezept auf der Karte gespeichert ist. Das stimmt nicht. Die Karte dient nur zur Identifizierung“, erklärt mir der Filialleiter. Er klickt noch zwei-, dreimal auf dem Bildschirm und schon spuckt der Medikamentenautomat hinter dem Tresen meine Pillenpackung aus. Ich reiche Sven Lobeda einen Fünf-Euro-Schein für die Zuzahlung. Fertig.

In den ersten Tagen des Jahres habe sich die Zahl der Kunden mit einer digitalen Verordnung deutlich erhöht, erzählt der Apotheker noch. Allerdings sei bislang kein einziger darunter gewesen, der es per „E-Rezept“-App hätte einlösen wollen.

Der Ausdruck: Einige Ärzte geben den Code auf Papier mit.
Der Ausdruck: Einige Ärzte geben den Code auf Papier mit. © David Inderlied/dpa
Die Chipkarte: Der Apotheker liest die Karte ein und ruft das Rezept ab.
Die Chipkarte: Der Apotheker liest die Karte ein und ruft das Rezept ab. © kairospress
Die App: Kompliziert, aber mit einigen Zusatzfunktionen.
Die App: Kompliziert, aber mit einigen Zusatzfunktionen. © Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Fazit

Es mag in einigen Arztpraxen hier und da noch haken. Da hilft sicher Verständnis auf beiden Seiten. Für mich als Patientin war das E-Rezept problemlos händelbar. Abzuwarten bleibt, wie schnell es sich für andere Verordnungen umsetzen lässt. Bislang funktioniert es für verschreibungspflichtige Medikamente für gesetzlich Versicherte. Hilfsmittel sind ebenso noch außen vor wie Betäubungsmittel oder Rezepturen. Auch für Privatversicherte wird es vorerst das blaue Rezept weiter in Papierform geben.