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Künstlicher Wein - Ja, das geht schon!

Sachsens Top-Sommelier Silvio Nitzsche über die ersten Versuche, auch Wein künstlich herzustellen - und ob Laien den Unterschied merken.

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Echt oder unecht?
Echt oder unecht? © dpa

Bei uns können Sie eine Flasche des berühmten Champagners Dom Pérignon für 50 Euro statt für 200 Euro erwerben! Ein Angebot, das nicht schlecht klingt. Doch ist der Inhalt auch wirklich echt? Die Offerte zumindest war es.

2016 sorgte das Start-up „Ava Winery“ in San Francisco für weltweite Aufmerksamkeit. Sein großes Versprechen war, eine Flasche 1992er Dom Pérignon für ein Viertel des Preises zu produzieren. Dafür sollten keine Trauben mehr nötig sein, sondern lediglich die Moleküle beziehungsweise Bestandteile eines Weines. Darunter fallen Aminosäure, Zucker, Ethanol, Säuren und flüchtige organische Verbindungen. Denn in der Ava Winery wurde Wein im Labor erzeugt, ohne Gärung, binnen 15 Minuten. „Wir erstellen eine digitale Kopie und machen daraus unser eigenes Produkt“, so Firmengründer Lee damals. Seit 2018 hat man von ihm nichts mehr gehört. Der Traum jedoch ist nicht ausgeträumt und geistert immer wieder durch die Weinbranche.

Rotwein schwer zu "klonen"

Der kommerzielle Weg für diese Weinunart ist bereits geebnet. In Deutschland sind synthetische Herstellungsverfahren zwar verboten, aber in der EU ist mit Inkrafttreten des Weinhandelsabkommens 2006 der Verkauf von sogenannten Kunstweinen erlaubt. Es gibt Analogkäse, und es gibt Analogschinken. Warum denn eigentlich nicht auch künstlichen Wein?

Laut Professor Helmut Guth, Lebensmittelchemiker und Aroma-Spezialist an der bergischen Universität in Wuppertal, wäre das kein Problem. Er habe bereits 1997 einen Wein künstlich hergestellt, und zwar einen Gewürztraminer. Bewusst ein Weißwein, da ein Rotwein vielleicht doch zu komplex und noch schwerer zu „klonen“ sei.

Jeder Weintrinker weiß, dass ein Wein ein eigenes Aromenprofil hat. Mittels einer Gas-Chromatografie, bei der das Getränk erwärmt und die Inhaltsstoffe aus dem Gasgemisch gefiltert werden, stieß Guth auf 600 Geruchs- und Geschmacksstoffe im Weißwein. Ihm genügten lediglich 25, die er in einem Wasser-Ethanolgemisch freisetzte, um den Geschmack des Originals nachzubilden. Vereint hat Guth diese Elemente durch das Weinlacton, eine chemische Verbindung, die entscheidend ist für den Geschmack des Weins. Guth war weltweit der Erste, der sie nachweisen konnte.

Silvio Nitzsche, Sommelier und Kolumnist für sächsische.de
Silvio Nitzsche, Sommelier und Kolumnist für sächsische.de ©  Thomas Kretschel

In der Praxis konnte der Analogwein bei vielen Laien und Experten bestehen. Zumindest in der parallelen Verkostung von einfachen Industrieweinen und dem Künstling gab es keinen Gewinner. Nicht täuschen konnten jedoch die Laboranalysen. Der Glyceringehalt und das viel zu hohe Verhältnis von Glycerin zu Alkohol sowie fehlende Mineralstoffe ließen sich mit ein wenig Forschung sicher noch korrigieren. Der Kunstwein enthielt keine Phenole, Polyphenole und Shikimisäure, was für die heutige Wissenschaft nicht die große Hürde darstellen dürfte.

Angeblich jedoch fehlten die reizvollen Eigenschaften in Kombination mit Speisen oder im Reifeverhalten. Und dieses nachzuahmen, dürfte eine durchaus große Hürde sein. Die größte Hürde aber ist zum Glück der Preis. Denn es ist immer noch viel lukrativer, einen schlechten Billigwein zu produzieren als einen künstlichen Wein – noch zumindest.