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Jeder dritte Erwachsene leidet unter Jodmangel

Nach 30 Jahren ist Deutschland wieder ein Jodmangelgebiet. Ein Mediziner erklärt, welche gesundheitlichen Folgen das hat – und wieso es das in der DDR nicht gab.

Von Kornelia Noack
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Wenn Salz, dann mit Jod. Das Spurenelement ist für den Organismus lebenswichtig.
Wenn Salz, dann mit Jod. Das Spurenelement ist für den Organismus lebenswichtig. © dpa/Karl-Josef Hildebrand

40 Prozent der Kinder in Deutschland nehmen nicht so viel Jod auf, wie sie sollten. Von den Erwachsenen ist jeder Dritte unterversorgt. Der Hauptgrund für den Mangel ist, dass die Lebensmittelindustrie zu wenig jodiertes Salz verwendet. „Mit unserer täglichen Nahrungsaufnahme schaffen wir es kaum, unseren Jodbedarf zu decken“, sagt Professor Joachim Feldkamp von der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. Und er erklärt auch, warum es nicht sinnvoll ist, angesichts des Ukraine-Kriegs Jodtabletten für den Fall eines Atomunfalls zu horten.

Herr Professor Feldkamp, wofür braucht der Körper Jod?

Es ist ein Bestandteil von Schilddrüsenhormonen. Diese sorgen dafür, dass sämtliche Organe funktionieren. Herz, Gehirn, Leber, auch die Knochen brauchen es. Bei einem Jodmangel kommt es daher zu denselben Symptomen wie bei einer Unterfunktion der Schilddrüse, wenn zu wenige Hormone gebildet werden. In Regionen von China und Afrika treten deswegen noch immer Geburtsschäden und Organkomplikationen auf.

Nach den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation ist Deutschland nun wieder ein Jodmangel-Gebiet. Was genau bedeutet das?

Dass die Schilddrüsen hierzulande schlecht mit Jod versorgt sind und damit nicht mehr so gut arbeiten können. Der Jodmangel ist zwar nur mäßig ausgeprägt, aber wir müssen mit mehr Schilddrüsenkranken rechnen. Das hatten wir schon einmal in den 1980-er und 90er-Jahren. Damals hat sich der neu gegründete Arbeitskreis Jodmangel für eine bessere Jodversorgung der Bevölkerung eingesetzt. Das ist ganz gut gelungen, ist aber zurückgegangen.

Es gibt aber doch Produkte wie etwa Salz, die jodiert sind. Warum trotzdem der Mangel?

Um unseren Jodhaushalt zu decken, reicht es nicht aus, beim Kochen zu Hause jodiertes Salz zu verwenden. Zudem sind Produkte wie Meer- oder Himalayasalz im Trend, diese sind aber jodfrei. In den 1980er- und 90er-Jahren folgten viele Bäcker und Fleischer dem Aufruf, jodiertes Speisesalz zu verwenden. Im Ergebnis galten wir ab 2007 nicht mehr als Jodmangelland. Damals waren schätzungsweise 37 Prozent aller Lebensmittel, die man kaufen konnte, jodiert. Allein das hat ausgereicht, dass sich unsere Jodversorgung normalisiert hat. In den vergangenen Jahren ist das rückläufig.

Warum ist das so?

Für die Lebensmittelindustrie sind es vor allem Kostengründe. Jodiertes Salz kostet geringfügig mehr als normales Speisesalz. Große Produzenten wie Nestlé, die ihre Produkte weltweit verkaufen, haben außerdem das Problem, dass in einigen Ländern keine Produkte mit jodiertem Speisesalz gewünscht sind. Sie müssten also unterschiedliche Produkte herstellen. Das ist einfach nicht wirtschaftlich. Also verzichten sie lieber ganz auf Jodsalz. Wir gehen davon aus, dass wohl nur noch 25 Prozent der Lebensmittel Jodsalz enthalten. In der DDR gab es dieses Problem weniger.

Wie lief es dort?

In den letzten Jahren vor der Wende waren die Menschen wesentlich besser mit Jod versorgt. Es gab nachweislich weniger Schilddrüsenerkrankungen. Das lag vor allem an der Auflage, das Tierfutter mit jodiertem Speisesalz zu versetzen. In Westdeutschland war das freiwillig, und nicht alle Landwirte haben das mitgemacht. Als nach der Wende alles vereinheitlicht wurde, verschlechterte sich die Jodversorgung im Osten und die Krankheitsraten stiegen leicht an.

Wie ist das heute in Deutschlandgeregelt?

Es gibt keine Vorschrift, dass Lebensmittelproduzenten jodiertes Salz verwenden müssen. Jeder darf selbst entscheiden. Bäcker und Fleischer können es verwenden, ohne es extra deklarieren zu müssen. Bei verpackten Lebensmitteln ist die Angabe „hergestellt mit jodiertem Speisesalz“ aber verpflichtend.

Viele Menschen verzichten auch aus gesundheitlichen Gründen ganz bewusst auf zu viel Salz beim Essen.

Das ist ein weiteres Problem, ja. Dem kann man nur entgegenwirken, indem man den Anteil des Jods im jodierten Speisesalz erhöht. Die Schweiz hat das vor einigen Jahren bereits gemacht. Dort wird das Speisesalz aber ohnehin schon seit mehr als 100 Jahren jodiert. Das führte dazu, dass die Schweiz regelmäßig weniger Schilddrüsenkranke hatte. Wir hier in Deutschland brauchen auch mehr Jod im Speisesalz, werden das aber wohl nur politisch lösen können. Empfehlungen dazu vom Institut für Risikobewertung gibt es bereits.

Was halten Sie von jodhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln?

Wer ohnehin welche nimmt, sollte darauf achten, dass Jod enthalten ist.

Wie wird die Jodversorgung der Bevölkerung ermittelt?

Anhand der Ausscheidung von Jod im Urin. Beim sogenannten Jodmonitoring alle paar Jahre ermittelt das Robert-Koch-Institut einen Durchschnittswert Tausender Menschen. Liegt er unter 100, spricht man von einem Jodmangel. In Deutschland beträgt der Wert für Erwachsene 89. Wie viel Jod jemand ausscheidet, hängt stark davon ab, wie viel er mit der Nahrung aufgenommen hat. Daher ist es auch nicht sinnvoll, die Jodversorgung individuell zu ermitteln.