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Krankenhausgesellschaft Sachsen findet etliche Fehler in Lauterbachs Klinik-Atlas

Das Portal soll Patienten eigentlich bei der Suche nach der besten Klinik helfen. Für viele sächsische Häuser enthält es jedoch irritierende Angaben.

Von Kornelia Noack
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Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat den Bundes-Klinik-Atlas vorletzte Woche vorgestellt.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat den Bundes-Klinik-Atlas vorletzte Woche vorgestellt. © Soeren Stache/dpa

Zwölf Tage ist es erst her, dass der "Bundes-Klinik-Atlas" im Netz an den Start gegangen ist. Das staatliche Vergleichsportal informiert über Leistungen und die Behandlungsqualität an knapp 1.700 Klinikstandorten in ganz Deutschland - und soll so Patienten helfen, das für sie am besten geeignete Krankenhaus zu finden. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach von einem "übersichtlichen Wegweiser durch den Krankenhaus-Dschungel".

Doch von der Klinikbranche kommt scharfe Kritik. "Der erste Eindruck ist enttäuschend", sagt Friedrich München, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Sachsen (KHG). "Uns haben Meldungen aus vielen Kliniken in Sachsen erreicht, die falsche Angaben zu Fachabteilungen, Behandlungsfälle und Pflegepersonalquoten beklagen."

Falsche Angaben zu Fachabteilungen

So sind für das DRK-Krankenhaus in Lichtenstein im Klinik-Atlas die Fachabteilungen Frauenheilkunde und Geburtshilfe sowie Pädiatrie mit Fallzahlen ausgewiesen. Allerdings werden die Abteilungen laut KHG seit Anfang 2023 gar nicht mehr betrieben. Gleiches gilt für die Abteilungen Frauenheilkunde und Geburtshilfe sowie Pädiatrie/Schwerpunkt Neonatologie in den Kliniken Erlabrunn.

Auch im Helios Klinikum Schkeuditz ist die Abteilung Frauenheilkunde und Geburtshilfe im vergangenen Jahr geschlossen worden. In Lauterbachs Klinik-Atlas wird sie aber noch aufgeführt. Und im Fall des Krankenhauses Altscherbitz fehlt im Klinik-Atlas die vorhandene Fachabteilung Psychiatrie. "Solche Fehler treten auf, wenn keine Plausibilitätsprüfungen erfolgen und man sich nur auf veraltete Daten verlässt", sagt Friedrich München.

Ausstattung und Fallzahlen fehlerhaft

Zudem enthielten zahllose Kliniken Notfallstufen, obwohl sie keine Notfallversorgung anbieten, bei anderen fehlten die Angaben trotz vorhandener Notfallversorgung. Auch die Ausstattung mit Pflegepersonal sei bei einigen Kliniken falsch angegeben. "Es kommt vor, dass Zahlen sich auf das gesamte Krankenhaus beziehen. Das ist irreführend. Denn das sagt nichts über den Personalschlüssel einer medizinischen Fachabteilung aus", sagt München.

Für Patienten irritierend könnte auch die Einstufung der Fallzahlen werden. Gibt man „Schlaganfall durch Blutung innerhalb des Gehirns“ und „Sachsen“ in den Klinik-Atlas ein, dann werden 29 bis 120 Behandlungsfälle unter „sehr viele“ eingestuft; 26 bis 16 Fällen unter „viele“ und 11 bis 5 unter „mittel“. Noch irreführender wird es laut dem Sächsischen Krankenhauschef beim Thema Zöliakie (Gluten). Hier sind schon 4 bis 26 Fälle „sehr viele“ und unter vier sind es „sehr wenige“. "Was soll ein Patient mit solchen Informationen anfangen?", sagt München.

"Für die Krankenhäuser wirtschaftlich schädigend"

Die Sächsische Krankenhausgesellschaft empfiehlt ihren Kliniken, die fehlerhaften Angaben direkt dem Bundesgesundheitsministerium anzuzeigen. Allerdings gibt es dafür bislang kein geeignetes Portal. Friedrich München: "Werden die Mängel nicht kurzfristig abgestellt werden, sollten die Krankenhäuser den Rechtsweg prüfen, da diese Fehlangaben nicht nur für die Patienten irreführend, sondern auch für die Krankenhäuser wirtschaftlich schädigend sein können."

Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) rät Patienten, den Klinik-Atlas mit größter Vorsicht zu behandeln. "Der Klinik-Atlas erfüllt leider nicht ansatzweise sein Versprechen, mehr Transparenz in der Krankenhausbehandlung zu schaffen. Im Gegenteil, zahlreiche falsche und fehlende Daten leiten Patienten massiv in die Irre", sagt Henriette Neumeyer, die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der DKG. Es gehe nicht um minimale Abweichungen und gelegentliche Fehler, sondern um falsche Daten, die Patienten gefährden.

Bewährte Plattformen als Alternative

Die DKG fordert das Bundesgesundheitsministerium (BGM) auf, Fehler so schnell wie möglich zu korrigieren und den Atlas mit einem Hinweis auf noch zu behebende Fehler zu versehen. Laut BGM soll es am vergangenen Freitag bereits ein erstes Update gegeben haben. Unter anderem sollten auf dem Portal teils veraltete Angaben ersetzt und die Suchfunktion optimiert werden. Wie bei jedem großen IT-Projekt könne es in den ersten Tagen ein paar Anlaufschwierigkeiten geben, die aber bei dem "lernenden System" mit dem Update behoben werden sollten, erläuterte Lauterbach.

"Wir raten Patienten, unbedingt Rücksprache mit den behandelnden Ärzten zu halten und bei der Suche nach einem geeigneten Krankenhaus auf andere bewährte Plattformen zurückzugreifen", sagt Neumeyer.

Kliniken haben eigenes Online-Verzeichnis

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft selbst informiert seit mehr als 20 Jahren über Leistungsangebot und Behandlungsqualität sämtlicher deutscher Krankenhäuser. Mehr als 500.000 Patienten nutzen das Online-Verzeichnis jeden Monat. Erst im Mai sind zusätzliche Suchfunktionen eingerichtet worden. Neu aufgenommen wurden zudem Angaben zur Behandlung länger anhaltender Beeinträchtigungen nach Corona-Infektionen (Long Covid). Die Daten stammen aus den Qualitätsberichten, die die Kliniken jedes Jahr veröffentlichen müssen.

Auch gesetzliche Krankenkassen helfen Patienten bei der Suche nach einem geeigneten Krankenhaus. Viele bieten Recherchemöglichkeiten an, bei denen Daten zur Qualität aufbereitet sind. So erleichtert die AOK mit ihrem Gesundheitsnavigator die Orientierung. Er listet nicht nur bundesweit Kliniken in einem wählbaren Umkreis auf, sondern bewertet für acht verschiedene Eingriffe auch die Behandlungsqualität.

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