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Milch reicht nicht als Schutz vor Osteoporose

Rund sechs Millionen Deutsche leiden an Knochenschwund. Eine Osteologin über die Rolle der Ernährung und die richtige Dosis von Kalzium, Vitamin D und Eiweiß.

Von Kornelia Noack
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Milch, Hartkäse, Eier und Joghurt liefern wichtiges Kalzium und Eiweiß für die Knochen.
Milch, Hartkäse, Eier und Joghurt liefern wichtiges Kalzium und Eiweiß für die Knochen. © Philipp Brandstädter/dpa

Stabile Knochen, die auch im Alter möglichst nicht brechen: Jeder wünscht sich das. Doch Knochenschwund ist eine Volkskrankheit. Die Dunkelziffer ist hoch. Frauen sind häufiger betroffen. „Dabei kann jeder viel für seine Knochen tun“, sagt die Osteologin Dr. Gabriele Lehmann im Gespräch mit saechsische.de am Rande eines Kongresses in Dresden.

Frau Dr. Lehmann, können wir uns wirklich mit der richtigen Ernährung vor Osteoporose schützen?

Ganz so einfach ist es nicht. Es gibt viele andere Faktoren, die ebenfalls eine Rolle spielen. Die genetische Veranlagung zum Beispiel oder Vorerkrankungen wie Diabetes, ein chronisches Nierenleiden oder eine Über- und Unterfunktion der Schilddrüse. Die Stabilität normal alternder Knochen lässt sich jedoch positiv beeinflussen. Auch eine entstehende Erkrankung kann man hinauszögern. Frauen ab 50 und Männer ab 60 sollten ihre Ernährung daher anpassen.

Dr. Gabriele Lehmann (66) ist Fachärztin für Innere Medizin und Osteologin. Tätig ist sie am MVZ Endokrinologikum Göttingen.
Dr. Gabriele Lehmann (66) ist Fachärztin für Innere Medizin und Osteologin. Tätig ist sie am MVZ Endokrinologikum Göttingen. © privat

Was tut unseren Knochen gut?

Kalzium und Vitamin D spielen eine wesentliche Rolle, ebenso viel Bewegung.

Wie viel Kalzium brauchen wir täglich?

Etwa ein Gramm. Die Herausforderung ist, wirklich jeden Tag auf diese Dosis zu kommen. Deswegen sind kalziumhaltige Mineralwasser so wichtig. Sie sind auch gut für Menschen geeignet, die keine Milch vertragen. Zu viel Kalzium ist übrigens nicht gut, es kann zu Nierensteinen führen.

Schafft ein normaler Esser die Menge?

Ja. Wer seinen Kaffee mit viel Milch trinkt, einen Joghurt isst und vielleicht etwas mit Käse Überbackenes, der kommt gut hin. Ansonsten braucht man einen Liter Milch, 100 Gramm Emmentaler oder auch Nüsse. Wem das mit der Zeit zu langweilig wird, der kann nach speziellen Rezepten schauen – das Angebot von Kochbüchern für Osteoporosepatienten ist groß. Wer bereits eine Osteoporose hat, sollte unbedingt gemeinsam mit dem Arzt abschätzen, ob eine Kalziumlücke besteht.

Was ist mit kalziumhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln?

Das ist meist keine gute Idee. Wer seinen Kalzium-Bedarf über das Essen deckt, profitiert davon, dass er nach und nach kleinere Mengen zu sich nimmt. Wer aber jeden Tag eine Kalzium-Brausetablette mit der Dosis von einem Gramm auf einmal trinkt, überfordert seinen Darm. Das Kalzium kann in dem Moment nicht vollständig vom Körper aufgenommen werden, und es wird ein großer Teil ausgeschieden. Man wähnt sich also nur in einer Scheinsicherheit.

Warum ist Vitamin D so wichtig?

Es wird benötigt, damit das Kalzium in die Knochen eingebaut werden und diese festigen kann. Rachitis ist eine typische Mangelerkrankung, bei der die Knochenmasse nicht vermindert, der Knochen aber zu weich ist. Bei der Osteoporose dagegen gibt es wenig Knochen, der jedoch gut mineralisiert ist. Ein Mangel an Vitamin D wirkt sich auch negativ auf die Muskulatur aus, die Patienten sind stärker sturzgefährdet. Und wenn jemand stürzt, der Osteoporose hat, ist natürlich auch die Gefahr einer Fraktur sehr hoch.

Wie können wir ausreichend Vitamin D aufnehmen?

Hier gibt es zwei Quellen. Zum einen nehmen wir Vitamin D über die Nahrung auf, zum anderen produzieren wir es durch Sonnenbestrahlung aus Vorstufen in unserer Haut. Beides gelingt uns aber nicht ausreichend. Der Vitamin-D-Gehalt in Lebensmitteln ist zu gering, sodass wir so viel davon essen müssten, dass das jeden Nahrungsplan sprengt. Und um über die Sonne auf unser tägliches Pensum zu kommen, leben wir am falschen Breitengrad. Hinzu kommt, dass die Fähigkeit, Vitamin D aus den Vorstufen, die in der Haut lagern, zu bilden, mit zunehmendem Alter abnimmt.

Das heißt, man sollte Vitamin D in jedem Fall zusätzlich einnehmen?

Wer ein höheres Risiko hat, an Osteoporose zu erkranken, sollte seinen Spiegel bestimmen lassen. Dasselbe gilt für Patienten, die Osteoporose haben. Die Blutuntersuchung wird nicht in jedem Fall von der Kasse getragen, kann aber bei Risikopatienten im Rahmen einer osteologischen Diagnostik übernommen werden. Ansonsten liegen die Kosten bei 18 bis 20 Euro. Liegt ein Mangel vor, sollte man ihn durch hoch dosierte Vitamin-D-Präparate ausgleichen.

Wie viel Vitamin D brauchen wir?

800 bis 1.000 Einheiten. Allerdings gilt das nur bei einem ausgeglichenen Status. Das wissen viele nicht. Das bedeutet also: Liegt ein Mangel vor, muss der erst einmal behoben werden, danach kann man dann mit einer geringeren Zufuhr an Einheiten weitermachen.