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Sachsens Krankenhäuser werden Leistungen reduzieren müssen

Der Chef der Krankenhausgesellschaft Sachsen zu nötigen Veränderungen in der Versorgung und die Konsequenzen für Patienten und Personal.

Von Stephanie Wesely
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Die Energiepreise steigen und die Inflation ist auf hohem Level. Das macht auch den sächsischen Kliniken zu schaffen - und hat mit dem Dauerthema Corona zu tun.
Die Energiepreise steigen und die Inflation ist auf hohem Level. Das macht auch den sächsischen Kliniken zu schaffen - und hat mit dem Dauerthema Corona zu tun. © Archivbild: Ronald Bonß

Sachsens Krankenhäuser stehen vor großen Herausforderungen: Leistungsfähig, sparsam, eigenverantwortlich, modern und bedarfsgerecht sollen sie künftig arbeiten. So sieht es das neue Krankenhausgesetz vor, das 2023 in Kraft tritt. Was das für Patienten und Personal bedeutet, erklärt Dr. Stephan Helm, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Sachsen, im SZ-Gespräch.

Herr Dr. Helm, wie ist die wirtschaftliche Situation in Sachsens Krankenhäusern?

Sehr angespannt. Viele schreiben rote Zahlen, die Insolvenzgefahr ist real und die Belastungen für das Personal sind außerordentlich hoch. Nach Corona treffen sie die Energiekrise und die Inflation sehr hart. Ein Teil der Kliniken musste neue Energieverträge abschließen. Die Kosten haben sich damit vervielfacht.

Auch Sachkosten, wie Medikamente, Medizintechnik und Lebensmittel sind aufgrund der Inflation extrem gestiegen. Das geht nicht nur den Krankenhäusern so. Doch im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsunternehmen können wir unsere Preise nicht einfach anpassen. Krankenhäuser haben staatlich regulierte Finanzierungssätze. So geraten die Häuser zunehmend ins Straucheln.

Nun hilft der Bund mit sechs Milliarden Euro, für Sachsens Kliniken stehen 400.000 Euro zur Verfügung. Reicht das nicht?

Nach unserer Rechnung stehen uns lediglich 300 Millionen Euro zur Verfügung. Wenn das Geld aber zügig und unbürokratisch kommt und den Krankenhäusern für den Energie- und Inflationsausgleich zur Verfügung steht, dann ist das eine ordentliche Summe, die uns fürs Erste hilft.

Da es aber nur eine Einmalzahlung ist, fragen wir uns, wie es künftig weitergehen soll. Dazu hat der Bund noch keine Aussagen getroffen. Die meisten Kliniken konnten vor diesem Hintergrund noch keinen sauberen Wirtschaftsplan für das kommende Jahr aufstellen. Und das ist nicht gut.

Dr. Stephan Helm, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Sachsen, sieht die notwendigen Veränderungen bei den Krankenhäusern trotz vieler Probleme positiv.
Dr. Stephan Helm, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Sachsen, sieht die notwendigen Veränderungen bei den Krankenhäusern trotz vieler Probleme positiv. © Ronald Bonß

Eine qualitativ gute Versorgung ist das Ziel des neuen Krankenhausgesetzes, das ab Januar in Sachsen gilt. Welche Veränderungen kommen dann auf die Patienten und die Kliniken zu?

Das Gesetz bildet die Grundlage für die neue Krankenhausstruktur ab 2024. Im Sinne einer besseren Behandlungsqualität und Sicherheit für die Patienten sollen einerseits Leistungen zentralisiert, also nicht mehr in jedem Haus angeboten werden. Andererseits muss eine wohnortnahe, flächendeckende Versorgung sichergestellt werden.

Offensichtlich ist die Wohnortnähe die größere Herausforderung. In einigen Bereichen wird es jedoch zu längeren Anfahrtswegen kommen. Auch das Personal ist betroffen. Denn ob sich das Fachpersonal im Zuge von strukturellen Veränderungen für einen Arbeitsplatz in einem anderen Krankenhaus entscheidet, bleibt abzuwarten.

In welchen Bereichen sehen Sie die größten Veränderungen?

Es wird sicher keinen Bereich geben, der von strukturellen Anpassungen ausgenommen ist. Gegenwärtig wird diskutiert über die Bereiche Geburtshilfe, Gynäkologie und Pädiatrie, Notfallversorgung und Geriatrie. Insbesondere bei Geburtshilfe und Pädiatrie gibt es noch gegensätzliche Auffassungen.

Einerseits soll die Versorgung konzentriert werden, andererseits aber gut erreichbar und in der Fläche vertreten sein. Wir sind der Auffassung, dass man sehr behutsam und besonnen vorgehen muss.

Dazu kommt die Erfahrung, dass selbst sinnvolle Konzentrationen durch die Menschen vor Ort sehr schnell als Schließungen wahrgenommen werden, wenn eine solche Entwicklung nicht ordentlich kommuniziert ist. Vor der nächsten Landtagswahl sind solche Strukturentwicklungen keine einfache politische Sache.

Wie soll denn die stationäre Versorgung künftig aussehen? Bleiben die 78 Krankenhäuser in Sachsen erhalten?

Gegenwärtig haben wir drei Maximalversorger, die die gesamte Bandbreite an Diagnostik und Therapie auf hohem Niveau vorhalten. Das sind die Unikliniken in Dresden und Leipzig und das Klinikum Chemnitz. Hinzu kommen neun Schwerpunktkrankenhäuser.

Der überwiegende Teil der Kliniken sind Krankenhäuser der Regelversorgung und Fachkrankenhäuser. Die Gruppe der Regelversorger in einer Größenordnung von 120 bis 600 Betten steht wahrscheinlich vor den größten strukturellen Herausforderungen.

Denn diese Häuser sind als Einzelstandort oder in großen Klinikverbünden organisiert und haben unterschiedliche Träger. Da sich die Gesamtzahl der Krankenhausstandorte nach dem politischen Willen in Sachsen nicht ändern soll, spielt zunehmend die Umwandlung in Gesundheitszentren eine Rolle.

Welche Aufgaben haben die Gesundheitszentren? Sind die Krankenhausgebäude dafür überhaupt geeignet?

Sie sollen eine integrierte ambulante und stationäre Basisversorgung anbieten, verbunden mit Präventions-, Informations- und Pflegeangeboten. Auch niedergelassene Ärzte, Therapeuten und Apotheken könnten dort einziehen.

Zu klärende Probleme bestehen in der Formulierung verlässlicher unternehmens- und Betriebsmodelle, der Nutzung der vorhandenen Krankenhausbausubstanz für im Wesentlichen nicht-stationäre Zwecke sowie der personellen und wirtschaftlichen Absicherung einer solchen Gesundheitseinrichtung.

Nicht zuletzt werden auch entsprechend hohe Investitionen nötig. Übermäßige Bürokratie wäre zu vermeiden. Kurzfristig sehe ich solche Gesundheitszentren deshalb bei uns noch nicht.