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AfD-Richtungsstreit: Welche Folgen hat er für Görlitz?

Die AfD ist in Sachsen Verdachtsfall. Das macht die Arbeit im Stadtrat nicht leichter. Die anderen Parteien sorgen sich vor allem ums Ansehen der Stadt.

Von Susanne Sodan
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So fing es an 2019. Neben der Oberbürgermeisterwahl, in der Octavin Ursu (CDU) und Sebastian Wippel (AfD) sich gegenüber standen, war auch Stadtratswahl.
So fing es an 2019. Neben der Oberbürgermeisterwahl, in der Octavin Ursu (CDU) und Sebastian Wippel (AfD) sich gegenüber standen, war auch Stadtratswahl. © nikolaischmidt.de

Es war damals einer der ersten Aufreger um die AfD im Stadtrat: Sie hatte 2019 Norman Knauthe vorgeschlagen als sachkundigen Bürger in einem Stadtrats-Ausschuss. Obwohl der Justizbeamte verdächtigt wurde, Sympathien mit der Identitären Bewegung zu haben, wurde er gewählt - mutmaßlich mit Stimmen der CDU.

Die Aufregung damals war es letztlich nicht wert, sagt Dieter Gleisberg heute, Vorsitzender der CDU-Fraktion Görlitz: Die aktive Teilnahme Knauthes im Ausschuss soll zu wünschen übrig lassen. „So richtet er wenigstens keinen Schaden an.“

Auch in den vergangenen Monaten hat die AfD für Wirbel gesorgt: Der Fraktionsvorsitzende hat eine NPD-Vergangenheit, Jens Jäschke wurde aus der Fraktion rausgeworfen, weil er einer Holocaustleugnerin zur Haftentlassung gratuliert hatte. Und schließlich trat Torsten Koschinka aus der Partei aus, weil sie ihm zu rechtsextrem ist - nicht aber aus der Fraktion. Hat sich das Verhältnis der anderen Parteien durch diese Personalquerelen bei der AfD verändert?

Schultze kritisiert veränderten Ton im Stadtrat

„Ich habe immer gesagt, Stadtpolitik ist anders zu betrachten als Bundespolitik“, sagt Gleisberg, „weil wir viel dichter dran sind an lokalen Sachthemen.“ Zur AfD versuche die CDU Distanz zu halten. „Dennoch würde ich mit Herrn Koschinka oder Herrn Jankus, ob mit oder ohne Parteibuch, sprechen, wenn es nötig wäre, zugunsten der Stadt. Wenn es um wichtige Sachthemen geht, bei denen die Möglichkeit besteht, zu einem Ergebnis für die Stadt zu kommen.“ Mit den Entwicklungen, zuletzt der Einstufung der AfD als Verdachtsfall, „wird das zunehmend schwerer.“

Mirko Schultze von der Linken kritisiert den veränderten Ton im Stadtrat. Auch früher habe es schon gravierende Meinungsverschiedenheiten gegeben, aber „seit dem Einzug der AfD haben aber nicht nur der Respekt und der Umgangston gelitten“, so Schultze. Auch das Übernehmen von AfD-Anträgen, um die Partei ins Leere laufen zu lassen, habe die gegenteilige Wirkung. Schultze erneuerte den Vorwurf, dass Teile der CDU unkritisch gegenüber der AfD seien.

Die CDU-Fraktion sieht das anders: „Die AfD war, ist und bleibt für die CDU kein Thema“, sagt der Görlitzer CDU-Sprecher Gerd Weise. Entwicklungen wie zuletzt betreffen die Stadtratsarbeit aber durchaus. Zum Beispiel: „In den letzten Wochen mussten mehrere Personen in Ausschüssen ausgewechselt werden“, erklärt Weise, „was zu Verzögerungen, Diskussionen und unnötigen Energieverlusten geführt hat, solches fördert die politische Arbeit nicht.“

AfD-Flügelstreit wird zunehmend zum Problem

Einig sind sich Linke und CDU, ebenso die Fraktionen Bürger für Görlitz sowie Motor Görlitz/Bündnisgrüne ob der Außenwirkung für die Stadt: Der AfD-Flügelstreit wird zunehmend zum Problem, weil die AfD eben größte Fraktion im Stadtrat ist. "Das Ansehen der Stadt wird durch solche Vorgänge automatisch beschädigt", sagt Weise.

Mirko Schultze verweist etwa auf Investoren, die Arbeitsplätze schaffen oder Arbeitnehmer in sozialen oder medizinischen Berufen, „die wir dringend brauchen“. Sie würden genau hinschauen, wohin sie sich orientieren. „Wer AfD gewählt hat, der hat dazu beigetragen, dass die Wahrnehmung von Ostsachsen nicht verbessert worden ist und das sollte niemandem egal sein.“

Die AfD sieht das anders. Bis auf den Ausschluss von Jens Jäschke habe sich die Fraktion bislang nicht verkleinert, „und wird ihrem Wählerauftrag gerecht. Wir werden weiterhin Kommunalpolitik für die Bürger unserer Stadt betreiben“, so Lutz Jankus.

Verdachtsfall-Einstufung war Grund für Austritt

Aber bei Sachthemen komme "von der AfD als größter Fraktion im Stadtrat nichts, was die Stadt voranbringen würde", kritisiert Danilo Kuscher von der Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne. Auch sie sorgt sich um die Außenwirkung, verstärkt jetzt noch mit Blick auf die Einstufung der AfD als Verdachtsfall.

Die Einstufung halte er nicht mehr für ganz ungerechtfertigt, sagte Koschinka zu seinem AfD-Austritt. Für die Görlitzer AfD-Fraktion sehe er das aber nicht so. Daher bleibe Koschinka auch in der Fraktion, so Sprecher Lutz Jankus. Die Einstufung als Verdachtsfall etwa sieht er als „rein politische Entscheidung.“ Die AfD nehme „den Wortlaut sowie die Gedanken der Väter des Grundgesetzes ernst“, vertrete Themen, die vor einigen Jahren noch in der CDU aktuell gewesen seien. „Diese konservativen Positionen als verfassungswidrig zu markieren, würde bedeuten, dass die CDU in weiten Teilen selbst seinerzeit verfassungswidrig gewesen wäre.“

Eine Radikalisierung sieht aber etwa Joachim Schulze von den Bürgern für Görlitz - und er erwartet eine weitere Erosion innerhalb der AfD. Was das künftig für Stadt und Stadtrat bedeute bleibe abzuwarten. „Eine Zusammenarbeit gleichwelcher Art lehnen wir wie schon in der Vergangenheit weiterhin ab.“

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