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Ausgeträumt: Görlitz kam zu spät fürs Unesco-Welterbe

Görlitz steht für eine schöne Altstadt und eine erhaltene Gründerzeitstadt. Aber das reicht nicht mehr fürs Unesco-Welterbe. Traurig müssen die Görlitz-Fans nicht sein. Ein Kommentar.

Von Sebastian Beutler
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Die Begeisterung für die Unesco-Bewerbung in Görlitz war schon mal sehr groß.
Die Begeisterung für die Unesco-Bewerbung in Görlitz war schon mal sehr groß. © Pawel Sosnowski, Montage: SZ-Bildstelle

Die verfehlte Bewerbung um das Unesco-Welterbe lässt alle Görlitz-Fans irritiert zurück. Für sie war die Bewerbung doch eigentlich nur eine Formalie, um eine Entscheidung nachzuholen, die irgendwie in den letzten 30 Jahren vergessen worden war. Görlitz ist doch so schön, das gehört einfach auf die Welterbe-Liste. Selbst der einstige Denkmalschutz-Papst in Deutschland, Gottfried Kiesow, war dieser Ansicht. Da musste es doch über kurz oder lang klappen.

Die Entscheidung vom Montag aber macht deutlich, dass sich die Unesco-Welterbeliste und die nationalen Vorentscheide eben nicht in erster Linie nach Schönheit richten. Sie kann das i-Tüpfelchen ausmachen, aber entscheidend sind mittlerweile andere Dinge. So muss der Vorschlag für einen "außergewöhnlichen universellen Wert" stehen. Und da hat - nach Einschätzung des Fachbeirates der deutschen Kultusministerkonferenz - Görlitz schlechte Karten gehabt. Mit anderen Worten: Görlitz ist schön, na klar. Aber seine Besonderheiten sind auf der Unesco-Liste bereits gut abgebildet.

Die vertanen Chancen in den 1990er Jahren konnte die Stadt jetzt nicht mehr nachträglich gutmachen. Was Quedlinburg oder Stralsund damals noch locker, sicher auch mit einem gewissen Ost-Bonus, gelang, würde diesen Städten heute vielleicht auch nicht mehr so einfach fallen. Auf der weltweit gültigen Unesco-Liste finden sich auch heute noch viel zu viele Objekte oder Städte, die das europäische Verständnis von Kulturgut widerspiegeln: zu viele historische Altstädte, zu viele religiöse Denkmale, zu viele Schlösser. Wenn man ehrlich ist, war die Görlitzer Bewerbung trotz aller schönen Kaufmannsgeschichten genau aus diesen Teilen zusammengesetzt.

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Stattdessen haben jetzt Bauten der Moderne wie der Stuttgarter Fernsehturm oder der Münchner Olympiapark bessere Chancen oder Zeugnisse aus der sprichwörtlichen Steinzeit wie die Schöninger Speere, mit denen Menschen vor 300.000 Jahren auf Jagd gingen. Und die Länder des globalen Südens dringen ebenso auf die Liste, und das ist auch wichtig, wenn die Unesco eine weltweite Organisation bleiben will.

Görlitz kann weiter stolz auf seine Altstadt und die erhaltene Gründerzeitstadt sein. Die Stadt liegt an der Handelsstraße Via Regia, die wiederum zu einer der Europäischen Kulturrouten zählt, der Berzdorfer See könnte vielleicht Teil der Europäischen Route der Industriekultur werden, und die Stadt wiederum schauen, ob sie nicht größere Chancen hat, von der EU als Europäisches Kulturerbe anerkannt zu werden. Wichtiger am Ende als irgendeine Liste bleibt ohnehin, dass die Stadt und ihre Bürger um ihr Erbe wissen und es pflegen.