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Bäcker Tschirch und Stadt Görlitz setzen Zeichen gegen häusliche Gewalt

30.000 neue Brottüten mit einem Slogan gegen häusliche Gewalt kommen in die Tschirch-Filialen. Sie ermutigen Betroffene, schneller zum Telefon zu greifen.

Von Ines Eifler
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Die Görlitzer Gleichstellungsbeauftragte Katja Knauthe (l.), Bäckermeister Michael Tschirch und Maria Schubert vom Kommunalen Präventionsrat mit Brottüten gegen häusliche Gewalt.
Die Görlitzer Gleichstellungsbeauftragte Katja Knauthe (l.), Bäckermeister Michael Tschirch und Maria Schubert vom Kommunalen Präventionsrat mit Brottüten gegen häusliche Gewalt. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Der Landkreis Görlitz steht nicht gut da, wenn es um häusliche Gewalt geht. Verglichen mit anderen Landkreisen und kreisfreien Städten in Sachsen liegt er hinter Leipzig und Chemnitz an dritter Stelle, was die Zahl der bei der Polizei gemeldeten Fälle umgerechnet auf 100.000 Einwohner angeht.

Absolut ist die Zahl der Fälle von unter 600 im Jahr 2018 auf 696 im Corona-Jahr 2020 gestiegen und seitdem wieder etwas gesunken: 664 Fälle waren es 2021 im Landkreis Görlitz nach dem Bericht des Sächsischen Landeskriminalamts. Auch sachsenweit ist die Zahl der Fälle im Vergleich zu 2020 etwas zurückgegangen.

Bäckertüten tragen Botschaft in die Häuser

"Fast 70 Prozent der Opfer häuslicher Gewalt sind weiblich", sagt die Görlitzer Gleichstellungsbeauftragte Katja Knauthe, "darunter vor allem Frauen, aber auch Mädchen und Jugendliche. Und die große Mehrheit zeigt die Übergriffe nicht an." Anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen, immer am 25. November, hat sie sich deshalb gemeinsam mit Maria Schubert, der Koordinatorin des Kommunalen Präventionsrates im Rathaus Görlitz, etwas überlegt.

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Bäckertüten seien eine ideale Möglichkeit, Botschaften in die Haushalte hineinzutragen. Und da Bäckermeister Michael Tschirch sechs Filialen zwischen Görlitz und Rothenburg betreibt, lag es nahe, ihn zu fragen. Außerdem verwende er immer schon orangefarbene Tüten, was zum weltweiten Slogan der Kampagne gegen Gewalt an Frauen "Orange the World" passt.

30.000 Brottüten

Michael Tschirch musste nicht lange überlegen, als Katja Knauthe ihn fragte, ob er seine Brottüten für die Aktion zur Verfügung stellen würde. "Ich habe persönlich zwar noch nie mit dem Thema häusliche Gewalt zu tun gehabt", sagt er, "aber ich trage die Aktion natürlich mit."

So ließen Katja Knauthe und Maria Schubert mit finanzieller Unterstützung der Landesdirektion Sachsen 30.000 Brottüten drucken. Auf der Vorderseite steht über dem Logo der Bäckerei Tschirch "Gewalt kommt nicht ins Haus!". Auf der Rückseite sind sechs verschiedene Telefonnummern von Stellen in der Region abgedruckt, an die sich Opfer häuslicher Gewalt wenden können, teilweise rund um die Uhr. Sie reichen vom anonymen Hilfetelefon bis zur schnellen Vermittlung von Frauen- und Kinderschutzwohnungen im Landkreis.

Straftaten im häuslichen Umfeld werden kaum angezeigt

"Wir möchten erreichen, dass Betroffene die Straftaten häufiger anzeigen und dass das Umfeld sensibilisiert wird", sagt Maria Schubert. Aus einer Studie des Freistaates Sachsen aus dem Jahr 2022, für die Umfragedaten von 1.341 Personen ausgewertet wurden, geht hervor, dass die Anzeigequote je nach Art der Tat bei nur vier bis 13 Prozent liegt. Häufig sind die emotionalen und finanziellen Abhängigkeiten, Scham und Ohnmacht so groß, dass Betroffene die Taten nicht der Polizei melden.

Laut dem Bericht des Sächsischen Landeskriminalamts von 2021 sind die Täter Familienmitglieder, nahe Angehörige, aber vor allem ehemalige Partner. Zwei Drittel der Straftaten in Sachsen waren Körperverletzungen, ein Viertel schränkten die persönliche Freiheit der Opfer ein, jedes zweite Opfer trug nach Gewaltanwendung Verletzungen davon.

Aus dem Spruch auf den Bäckertüten "Gewalt kommt nicht ins Haus!" geht nicht hervor, dass er ausschließlich gegen Gewalt an Frauen gemeint ist. Bäckermeister Tschirch kommt das entgegen: "Man hört immer wieder, dass auch die Zahl der von häuslicher Gewalt betroffenen Männer steigt", sagt er. "Dass auch dieses Thema in Zukunft eine größere Rolle spielt, wäre mir wichtig."