SZ + Görlitz
Merken

Abschied vom stillen Berzdorfer See

Was bedeutet die Zulassung von Motorbooten auf dem Berzdorfer See bei Görlitz? Viele sorgen sich wegen des Lärms - aber auch um die Sicherheit.

Von Susanne Sodan
 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Wie lange man diesen Blick von der "Insel der Sinne" aus noch genießen kann?
Wie lange man diesen Blick von der "Insel der Sinne" aus noch genießen kann? © Insel der Sinne

Einfach mal zur Ruhe kommen, Natur und Stille genießen. Das ist der Gedanke, mit dem die Macher des Hotels "Insel der Sinne" am Berzdorfer See einst antraten. Mit Erfolg, das Hotel gilt als eines der bekanntesten und beliebtesten in Görlitz. Freilich auch wegen der Ausnahmelage direkt am See. Auf Fotos auf der Hotel-Website ist der meist von seiner idyllischen Seite zu sehen, mal mit Wasservögeln, mal mit Segelboot. Doch ob es künftig so ruhig bleibt?

Ab April dürfen Motorboote auf den See. "Wir stehen dieser Entwicklung offen gegenüber", sagt Henry Hedrich, "da sie nicht nur für regionale, sondern auch für überregionale Gäste ein weiteres Angebot schafft". Er führt gemeinsam mit seiner Frau Ina Lachmann, die "Insel der Sinne". Hedrich sagt aber auch: Für eine nachhaltige, sanfte touristische Entwicklung des Sees sei der Schutz der Umwelt besonders wichtig. "Das erfordert ein hohes Maß an Eigenverantwortung eines jeden, ob privat oder geschäftlich."

Viele fürchten um Ruhe

Die Schiffbarkeitserklärung regelt, welche Boote wann und wo auf den See dürfen. Darum wurde lange gerungen, vor allem um die Motorboot-Frage. Die Stadt Görlitz beispielsweise war dafür, nur Elektromotoren zuzulassen. Was aber das Wasserrecht nicht hergibt, schilderte die zuständige Landesdirektion Sachsen. Werden Motorboote zugelassen, könne kein Unterschied bei der Antriebsart gemacht werden. Die Allgemeinverfügung zur Schiffbarkeit erteilte die Landesdirektion bereits im Sommer, zwischenzeitlich eingegangene Widersprüche wurden jetzt ausgeräumt oder halten den Lauf der Dinge nicht mehr auf. Damit ist nun klar, dass zwischen April und Oktober Motorboote zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang auf den See dürfen, auch mit Verbrennungsmotor.

Die Reaktionen fallen in den sozialen Netzwerken unterschiedlich aus. Viele fürchten um die Ruhe auf dem See. Andere halten dagegen, andernorts, etwa am Bärwalder See, funktioniere es auch. Mit Hunderten Motorbooten sei sicher nicht zu rechnen. Das nimmt auch Landrat Stephan Meyer an. Er sieht darin ein "gutes Signal für die Entwicklung des Berzdorfer Sees." Auf seiner Facebook-Seite gab es aber auch Gegenwind - ebenfalls wegen der Sorge vor Lärm und Sicherheitsfragen. "Es geht in erster Linie um die Möglichkeit des Einsatzes von touristischen Fahrgastschiffen", so Meyer, "um die Attraktivität des Sees weiterzuentwickeln."

"Wir hatten bislang ein gutes Rettungssystem"

Soll wohl bald startklar sein - es wäre das erste Fahrgastschiff auf dem Berzi.
Soll wohl bald startklar sein - es wäre das erste Fahrgastschiff auf dem Berzi. © Lux-Werft Monheim

Ein Fahrgastschiff-Betreiber hat bereits angekündigt, dass sein Schiff im Juni an den Start gehen soll. Was sich sonst ändern wird, "bleibt abzuwarten", sagt Wolfgang Freudenberg. Neben den Rettungsbooten war der Görlitzer Stadtrat bisher der Einzige, der mit einem reinen Motorboot auf den See durfte, ebenfalls für die Sicherheit. Freudenberg begrüßt die Schiffbarkeit, so wie sie ist, "weil der See uns allen gehört. Jeder soll sich wiederfinden."

Angst hat er nicht, dass in Zukunft mit mehr Booten auch mehr für ihn und die anderen Rettungskräfte zu tun ist. "Es wird sicher Veränderungen geben. Aber in welcher Form, müssen wir abwarten." Eine Sorge aber hat er: "Wir werden aufpassen müssen, dass den Leuten klar ist, dass wir Regeln haben." Neben den allgemeinen Schifffahrtsregeln gelten im See-Westen Naturschutzregeln. "Ich bin aber optimistisch", sagt Wolfgang Freudenberg. "Wir hatten aus meiner Sicht bislang ein gutes System bei Notfällen." Nämlich: "Wer da war, half." Ob DLRG, die Feuerwehren von Schönau-Berzdorf und Görlitz, das DRK, "wir haben uns immer auf kurzem Weg verständigt. Auch die Segler haben immer geholfen."

Rettungskapazitäten sind knapp

Jedoch sind schon lange die bundesweit knappen Kapazitäten der Rettungsgesellschaften ein Thema. Die DRK-Wasserwacht achtet seit 2020 auf die Sicherheit der Badegäste am Nord- und Nordoststrand. Aktuell sucht das DRK für diese Aufgabe wieder Mitstreiter. Zuständig sind die Retter für die Sicherheit am Strand und im gelb abgetonnten Badebereich im Wasser, erklärt Alexander Peter vom DRK-Kreisverband. "Unser Auftrag und unsere vorhandene Technik lassen keinen Einsatz auf dem See zu." Auch bei der DLRG, die im See-Süden auf die Sicherheit der Badegäste achtet, ist zumindest aktuell keine Erweiterung der Konzeption vorgesehen.

  • Hier können Sie sich für unseren kostenlosen Görlitz-Niesky-Newsletter anmelden.

Die noch offenen Fragen in Vorbereitung der kommenden Saison würden derzeit mit den Gemeinden Schönau-Berzdorf und Markersdorf, dem Landkreis und dem Bergbausanierer LMBV besprochen, teilt Juliane Zachmann, Sprecherin der Stadt Görlitz, mit." Bei einem Bootsunfall auf dem See werden – wie jetzt auch – alle nötigen und verfügbaren Rettungskräfte alarmiert. Seit wenigen Wochen verfügt die Görlitzer Berufsfeuerwehr über ein zusätzliches Boot, das dafür eingesetzt werden kann."

Wenigstens die Feuerwehr bereitet sich vor

Anja Weigel. Leiterin der Feuerwehr Görlitz, mit dem neuen Rettungsboot. Mit dem wird jetzt geübt.
Anja Weigel. Leiterin der Feuerwehr Görlitz, mit dem neuen Rettungsboot. Mit dem wird jetzt geübt. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Alleine mit Blick auf die Schiffbarkeit wurde das neue Rettungsboot nicht angeschafft, aber jetzt ist es freilich besonders nützlich. "Wir sind damit in der Personenrettung schneller", erklärt die Görlitzer Feuerwehrchefin Anja Weigel, "und können von diesem Boot aus auch Brandbekämpfung leisten." Aus Feuerwehr-Sicht sei erst mal davon auszugehen, dass mehr Menschen auf dem See unterwegs sein werden. "Das Gefahrenpotential steigt dadurch nicht zwingend. Aber wir müssen dennoch vorbereitet sein, dass es zu mehr Unfällen oder Havarien kommen kann." Am Personal wird sich deshalb nichts ändern - mit der Grundausbildung ist ohnehin jeder Kamerad Rettungsschwimmer. "Aber wir haben das Training intensiviert, sowohl mit dem neuen Rettungsboot als auch unser Schwimmtraining.

Vorschlag: Neue Boote nur mit Elektromotor

Eine der noch offenen Fragen: Wie das neue Rettungsboot schneller auf den See kommt. Weder die Boote der Feuerwehren noch die der DLRG liegen direkt am See - nur das von Wolfgang Freudenberg. So gab es schon Fälle, in denen die Segler, obwohl gar nicht zuständig, schneller helfen konnten. "Wir brauchen ein Bootshaus am See, das ist aber allen bewusst", sagt Anja Weigel. "Darum kommen wir nicht herum."

Abwarten heißt es nun auch für die Macher der "Insel der Sinne". Auch sie hoffen, dass alle Akteure sich an die Vorschriften halten, vor allem an die für den Natur- und Lärmschutz, "um die Entwicklung des Sees als Ort der Erholung für regionale und überregionale Gäste nicht zu gefährden", so Henry Hedrich. Wie das gehen könnte, damit hat er sich offenbar viel befasst. Und er hat einen Vorschlag: ein Neuzulassungsgebot für Elektromotorboote könne helfen beim Lärmschutz und dem Schutz der Wasserqualität.