SZ + Görlitz
Merken

Hotel, Büros oder Praxen - was wird aus dem Lehrerseminar in Reichenbach?

Alle Anläufe sind in den vergangenen Jahren gescheitert, das Gebäude wiederzubeleben. Zuletzt war eine Schweizer Stiftung im Gespräch. Doch jetzt steht das Gebäude erneut zum Verkauf - ganz überraschend.

Von Constanze Junghanß
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Einen stattlichen Eindruck macht das Gebäude in Reichenbach noch immer, in dem bis 1926 das Lehrerseminar beherbergt war.
Einen stattlichen Eindruck macht das Gebäude in Reichenbach noch immer, in dem bis 1926 das Lehrerseminar beherbergt war. © Foto: SZ/Constanze Junghanß

Das ehemalige Lehrerseminar an der Löbauer Straße mit dem Park, der alten Turnhalle und der Villa stand im Vorjahr für 3,8 Millionen Euro zum Verkauf. Jetzt ist der Kaufpreis gesunken. Für 3,4 Millionen Euro sollen der gepflegte Park und die zugehörigen Gebäude einen Investor finden. Eigentümer ist seit 2007 ein Privatmann, der ursprünglich plante, daraus eine Residenz für wohlhabende Senioren zu machen. 2013 war von der Errichtung einer Cafeteria in der alten Turnhalle die Rede. Die beiden Projekte wurden nicht umgesetzt.

Verkaufsabsichten des Eigentümers gibt es schon länger. Eine neu gegründete Schweizer Stiftung zeigte 2023 am Lehrerseminar Interesse, informierte auf ihrer Internetseite, für Kinder eine „öffentliche Bekenntnisschule, frei von den Dingen dieser Welt“ einzurichten. Im Frühling des Vorjahres fand im Lehrerseminar dazu ein Treffen statt, bezeichnet als „Inaugurationsfeier“, zu dem unter anderem Vertreter aus der regionalen Politik eingeladen waren. Die fanden das Ganze nicht seriös, wie sie auf Nachfrage einschätzten. Eine Inaugurationsfeier ist eine Amtseinführung. Teilnehmende, die anonym bleiben wollten, berichteten, dass niemand in irgendein Amt eingeführt worden war.

Die Stiftung mit dem Namen „Unterwegs mit Herz“ hat das Lehrerseminar weiterhin auf ihrer Internetseite unter dem Menüpunkt „Projekte“ stehen. Da ist unter anderem zu lesen: „Wir wollen dort den Hauptsitz der Stiftung in Deutschland integrieren.“ Überschrieben ist das Ganze mit „Schule Reichenbach. Lokal für nachhaltige, biblische Ausbildung.“ Eine Auskunft seitens „Unterwegs mit Herz“ gibt es dazu nicht, das gehe die SZ nichts an, sagt der Mann am anderen Ende der Telefonleitung.

Zum Verkauf an die Stiftung kam es jedenfalls nicht, wie der jetzt erneut mit der Verkaufsvermittlung beauftragte Makler Thomas Birnstein von Beate Protze Immobilien Dresden bestätigt. Die Leute von der Stiftung hätten sich nicht mehr gemeldet, und darüber sei er auch ganz froh, sagt Thomas Birnstein. Der Immobilienexperte sieht in dem Objekt viel Potenzial.

Eine Idee könnte sein, aus dem Seminargebäude mit den etwa 70 Räumen Ferien-Suiten zu machen. So wird das aktuell für den Verkauf beworben. Möglich sei ebenso seniorengerechtes Wohnen, Büros und Praxen und oder der Umbau zum Hotel. Thomas Birnstein verfasste Anfang Februar zudem eine Mail an Kultusminister Christian Piwarz, Landrat Stephan Meyer und Reichenbachs Bürgermeisterin Carina Dittrich mit Bezug zu einem SZ-Beitrag im Januar, in dem es darum geht, dass die Hochschule Zittau/Görlitz und die Uni Leipzig in einem gemeinsamen Studiengang bald 60 Plätze zur Lehrerausbildung schaffen. Vielleicht könnte das geschichtsträchtige Bauwerk dabei eine Rolle spielen? Bürgermeisterin Carina Dittrich würde es „sehr begrüßen, wenn das ehemalige Lehrerseminar in staatliche Hände käme“ und der Freistaat daran Interesse zeigt.

Viele Reichenbacher und darüber hinaus haben zu dem stadtbildprägenden Bauwerk eine enge Beziehung, sind doch Erinnerungen an das Gebäude unter anderem als Oberschule, Rathaus, Polizeiposten und Bibliothek damit verbunden. Lutz Steglich, seit mehr als 30 Jahren ehrenamtlicher Vize-Bürgermeister, weiß, wie in den Anfangsjahren nach der friedlichen Revolution da die Stadtratssitzungen stattfanden. Das Lehrerseminar gehörte damals dem Freistaat, „die Stadt Reichenbach wollte es ursprünglich zum Rathaus ausbauen“, sagt er. Auch über ein Gymnasium wurde nachgedacht. Dem sei nicht stattgegeben worden. Für das Rathaus musste ein anderer Standort gesucht werden, der Neubau an der Görlitzer Straße entstand.

  • Hier können Sie sich für unseren kostenlosen Görlitz-Niesky-Newsletter anmelden.

Wenige Jahre später bekam die Stadt vom Freistaat das riesige Gebäude zurück. Zu diesem Zeitpunkt sei eine Bewirtschaftung für die Kommune nicht mehr machbar gewesen, wie sich Lutz Steglich erinnert. „Wir hatten dazu keine Mittel“, sagt er. Die Stadt musste handeln, damit kein Verfall droht und verkaufte an den privaten Eigentümer, der zu diesem Zeitpunkt einziger Bewerber gewesen sei.

„Das Objekt jetzt neu zu beleben, wäre eine tolle Sache“, findet Anwohner Reinhard Lätsch. Der ländliche Raum würde dadurch belebt. Reinhard Lätsch hat gemeinsam mit drei weiteren Autoren zum Lehrerseminar und seiner Geschichte umfangreich geforscht. Entstanden ist ein 408 Seiten starkes Buch mit Dokumentationen, Zeitzeugenberichten und historischer Abhandlung. 1858 bis 1982 wurde in dem Bauwerk in verschiedenen Formen gelehrt. „Das nach dem Zweiten Weltkrieg von Schülern und Lehrern eigenhändig wiederaufgebaute und bis heute gut erhaltene Gebäude ist eines der imposantesten Bauwerke der Stadt“, schätzen die Autoren ein.

Information: Von dem Buch gibt es noch etwa 200 Exemplare. Sie sind über den Shop des Schlesisch Oberlausitzer Museumsverbundes erhältlich