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Glocken läuten für Corona-Opfer

Görlitz, Niesky und Reichenbach beteiligen sich an der Aktion "Zeit zur Klage – Raum für Hoffnung". Das Gedenken gilt hier nicht nur den Toten, sondern allen Betroffenen.

Von Ines Eifler
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Jeden Freitag entzündet Bischof Wolfgang Ipolt eine Kerze für die Corona-Opfer. An diesem Sonntag läuten alle Glocken für die Verstorbenen.
Jeden Freitag entzündet Bischof Wolfgang Ipolt eine Kerze für die Corona-Opfer. An diesem Sonntag läuten alle Glocken für die Verstorbenen. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Der katholische Bischof Wolfgang Ipolt zündet schon seit Januar jeden Freitag ein Licht für die Todesopfer der Covid-19-Erkrankung an und stellt sie ins Fenster. Wenn am Nachmittag des 18. April alle Glocken in Görlitz läuten, dann gilt das nicht nur allen Corona-Todesopfern, Angehörigen und Kranken.

Sondern auch allen anderen Menschen, die sich durch die Pandemie benachteiligt und eingeschränkt fühlen, weil sie seit Monaten ihre Familie nicht gesehen haben, nicht arbeiten können, ihre Geschäfte überwiegend geschlossen halten müssen, ihre Restaurants nicht öffnen können, nichts veranstalten dürfen, nicht auftreten können oder durch Homeschooling, Homeoffice und vieles mehr belastet sind.

Glocken läuten im ganzen Land

Für all diejenigen läuten am Sonntag um 15 Uhr die Glocken in Görlitz und Umland, Reichbach und Niesky – wie an vielen anderen Orten Sachsens. Viele Kirchen geben Gelegenheit zum Gebet, und aus dem Görlitzer Rathaus ergeht eine Videobotschaft an die Menschen.

2013 wurden zwei Glocken für Sankt Jakobus neu gegossen. Sie und viele andere Glocken läuten am Sonntag 15 Uhr.
2013 wurden zwei Glocken für Sankt Jakobus neu gegossen. Sie und viele andere Glocken läuten am Sonntag 15 Uhr. © Nikolai Schmidt/Archiv

Bereits zur Aktion "Lichtfenster" hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im ganzen Land aufgerufen, ebenso nun zum Gedenken an die Opfer der Pandemie unter dem Motto "Zeit zur Klage – Raum für Hoffnung". Am Sonntagvormittag findet die zentrale Gedenkveranstaltung für die bislang rund 80.000 Corona-Toten Deutschlands statt, der ökumenische Gottesdienst um 10.15 Uhr in der Berliner Gedächtniskirche wird in der ARD live übertragen.

Gebet vor der Jakobus-Kathedrale und in der Frauenkirche

Auch in Görlitz gibt es Gedenkveranstaltungen. Um 15 Uhr lädt Bischof Ipolt zu einer 20-minütigen Gebetszeit vor dem Hauptportal der Jakobus-Kathedrale ein. "Es ist ein Ausdruck der Menschenwürde und der Achtung, dass wir bei aller Vorsicht und Rücksichtnahme aufeinander die bisherigen Opfer der Corona-Pandemie nicht vergessen", sagt Wolfgang Ipolt. Eingeladen seien alle, die vom Tod eines Verwandten betroffen sind oder ihre Solidarität mit Verstorbenen oder deren Angehörigen ausdrücken wollen.

Eine Stunde später, um 16 Uhr, lädt die Evangelische Innenstadtgemeinde zum Gebet in die Frauenkirche ein. "Wir wollen Fürbitte für die vielen von der Pandemie Betroffenen halten", sagt Pfarrer Matthias Paul. "Es ist uns sehr wichtig, nicht nur die Sterbefälle zu betrauern, sondern auch für alle zu beten, die unter den so großen Veränderungen des öffentlichen und privaten Lebens durch die Pandemie leiden."

Fürbitten und stilles Gebet

In mehreren evangelischen Kirchen, unter anderem in Weinhübel, Jauernick, Reichenbach und in der Nieskyer Brüdergemeine sind die regulären Sonntagsgottesdienste den Corona-Opfern gewidmet. Aus dem Pfarramt der Brüdergemeine heißt es, auch hier gehe es nicht nur um die Verstorbenen, sondern es werde auch der Menschen gedacht, die finanziell in Schwierigkeiten geraten sind, als Familien im Lockdown Probleme haben oder psychisch unter der Forderung nach Abstand leiden.

In der Görlitzer Kreuzkirche wird der Corona-Opfer während des Sonntagsgottesdienstes in Fürbitten gedacht, ab 15 Uhr ist sie zum stillen Gebet geöffnet, genau wie auch die Kapelle der Reformierten Gemeinde in der Blumenstraße.

Auch in der Nieskyer Christuskirche wird am Sonntag der Corona-Opfer gedacht, allerdings mit weniger Besuchern als auf dem Foto.
Auch in der Nieskyer Christuskirche wird am Sonntag der Corona-Opfer gedacht, allerdings mit weniger Besuchern als auf dem Foto. © André Schulze/Archiv

Janis Kriegel, Pfarrer der Evangelischen Kirche Niesky sagt: "Wir beten schon seit Beginn der Pandemie für die Opfer, deren Angehörige, das medizinische Personal und alle durch Corona Betroffenen." Das solle am Sonntag eine stärkere Rolle spielen, auch weil Niesky in den vergangenen Monaten stark von der Pandemie betroffen war. "Wir hatten immer wieder Todesfälle zu beklagen." Die Glocken von Sankt Josef in Niesky läuten um 15 Uhr, die katholische Kirche ist zum stillen Gebet geöffnet. Den Abschluss bildet bis 18 Uhr das Geläut zum Engel des Herrn.

Andacht auch für Nichtchristen im Livestream

Ebenfalls spät am Sonntag, 17 Uhr, lädt die Pfarrei Heiliger Wenzel in der Görlitzer Struvestraße zu einer besonderen Andacht ein. Und zwar alle Menschen unabhängig einer Konfession. Pfarrer Roland Elsner hat dafür das Künstlerduo Julia Boegershausen und Björn Bewerich gewonnen, die diese Andacht mit geistlichen und weltlichen Liedern zum Trauern und Nachdenken ausschmücken werden.

"Wir wollten ursprünglich die Namen der Corona-Toten unserer Pfarrei vorlesen", sagt Pfarrer Elsner, "doch weil das viele Angehörige nicht möchten, werden wir ein Buch auslegen, in das man seine persönliche Trauerbotschaft schreiben kann." Außerdem könne man Kerzen für geliebte Menschen anzünden. Die Andacht wird wie viele andere Gottesdienste in Heilig Kreuz live übertragen und ist danach im Youtube-Kanal der Pfarrei verfügbar.

Video aus dem Rathaus soll ein Zeichen setzen

Per Videobotschaft werden sich auch der Görlitzer Oberbürgermeister und die Leiterin des Städtischen Friedhofs Evelin Mühle zusammen mit der evangelischen Generalsuperintendentin Theresa Rinecker und Bischof Wolfgang Ipolt an die Görlitzer wenden.

"Auch wenn die Gefahr noch längst nicht gebannt ist, ist es jetzt an der Zeit, unserer Verstorbenen zu gedenken und ein gemeinsames Zeichen zu setzen", sagt Octavian Ursu. "Unsere Gedanken sind bei den Menschen, die ihre Angehörigen und Freunde verloren haben, bei den Kranken und bei denen, die andere schmerzliche und einschneidende Erfahrungen machen mussten." Evelin Mühle bittet Angehörige Verstorbener darum, am Sonntag deren Gräber auf dem Friedhof zu besuchen.

Das Video wird am 18. April auf www.goerlitz.de/aktuelles veröffentlicht.

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