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Kreis Görlitz: Planlos bei Hitze

Ob der zunehmenden Hitze sollen Kommunen ein Hitzeschutzkonzept erstellen. Der Kreis Görlitz und die größeren Städte haben so etwas nicht. Trotzdem wird das Thema immer wichtiger für sie.

Von Susanne Sodan
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Abkühlung: Franek und Antek Czok spielen in Görlitz im Brunnen auf dem Marienplatz.
Abkühlung: Franek und Antek Czok spielen in Görlitz im Brunnen auf dem Marienplatz. © Martin Schneider

Es waren besonders hohe Spitzentemperaturen in dieser Woche, die auch die Behörden veranlassten, die Bevölkerung besonders anzusprechen. "Bei dieser Hitze wird der Körper besonders stark belastet“, warnte der Görlitzer Oberbürgermeister Octavian Ursu auf seiner Facebook-Seite Mitte der Woche. Er gab Hinweise, wie man damit am besten umgeht, riet besonders Älteren, genug zu trinken. Am Obermarkt, Demianiplatz, Steinstraße, Postplatz stehen in Görlitz Trinkwasserbrunnen. „Bitte passen Sie auf sich und Ihre Mitmenschen auf.“

Bereits neun heiße Tage dieses Jahr

Doch reicht das? Daten von Zeit Online und Correctiv.lokal zeigen, wie sich die Temperaturen im Kreis Görlitz entwickelt haben. Voriges Jahr mit fünf Hitzetagen, also Temperaturen über 30 Grad, war kaum dramatisch. Doch langfristig sieht man, dass die heißen Tage zunehmen. Dieses Jahr verzeichnete die Görlitzer DWD-Wetterstation bereits neun heiße Tage. Deswegen widmet sich die SZ im Kreis Görlitz diesem Thema in einer losen Serie über den Sommer.

© ZEIT ONLINE/Correctiv.Lokal

Diese heißen Tage machen sich auch in Kliniken bemerkbar. „Bei Hitzelagen sind unsere Notfallaufnahmen besonders gefordert“, teilt Dr. Jana-Cordelia Petzold mit, Pressereferentin des Klinikums Oberlausitzer Bergland, zu dem die Krankenhäuser Zittau und Ebersbach-Neugersdorf gehören. Und so empfehlen laut der Wochenzeitung "Die Zeit" Bund und Länder den Kommunen bereits seit 2017, mit Hitzelagen umzugehen, wie auch mit anderen Katastrophenfällen. Doch habe nur jeder fünfte Landkreis bislang ein Konzept entwickelt, gefährdete Menschen vor potenziell tödlichen Hitzefolgen zu schützen.

Wie viele Menschen sind gefährdet?

Zu dem Bundesplan für die Kommunen zählt etwa, dass Behörden, Rettungsdienste, Kliniken, Schulen das DWD-Warnsystem nutzen, Pläne erstellt werden, um die Bevölkerung zu warnen oder zu reagieren, wenn Hitze sich auf die Infrastruktur auswirkt durch Wasserknappheit und Stromausfall. Außerdem sollen Daten zu Erkrankungen und Todesfällen erhoben werden. Zugegeben, Letzteres ist schwierig. Weil niemand wegen Hitze an sich stirbt, sondern an den Folgeerscheinungen. Hitze wird nicht unbedingt als Ursache erkannt. Der Kreis Görlitz teilt - wie die meisten - mit, er habe keine Statistik dazu, „und auch keinen konkreten Fall, an den sich das Gesundheitsamt zurückerinnert.“

Doch laut RKI starben in den drei Sommern von 2018 bis 2020 rund 19.000 Menschen an Hitze-Folgen. Laut der Zeit wissen die meisten Kreise auch nicht, wie viele Menschen gefährdet sind bei Hitze. Das sind Kinder, Schwangere, und vor allem ältere Menschen, erklärt Dr. Jana-Cordelia Petzold. Der Landkreis erweitert die Liste: alleinstehende ältere und pflegebedürftige Menschen, Personen, die bestimmte, etwa entwässernde und blutdrucksenkende Medikamente nehmen, bestimmte chronisch Erkrankte, Konsumenten von Alkohol und Drogen - unter anderem. Doch eine Zahl nennt er nicht. Das RKI sieht den Großteil hitzebedingter Todesfälle in der Altersgruppe der über 75-Jährigen, besonders Frauen. Die Stadt Niesky griff zum Rechner: Hier leben 1.569 Bürger im Alter von 75 Jahren und älter, darunter 963 Frauen.

Keiner hat ein Hitzeschutzkonzept

Ein Hitzeschutzkonzept - das betrifft in erster Linie Landkreise, da ihnen der Katastrophenschutz obliegt. Die SZ fragte auch in den Städten Görlitz, Löbau, Niesky und Zittau nach. Ein Hitzeschutzkonzept hat niemand. „Vermutlich liegen derartige Pläne und Informationen eher auf Landkreis-Ebene vor“, teilt Zittaus Stadtsprecher Kai Grebasch mit.

Es gibt bestimmte Maßnahmen, aber ein Hitzeschutzkonzept in diesem Sinne hat auch der Kreis Görlitz nicht. Das DWD-Warnsystem nutzt der Kreis, vor allem das Gesundheitsamt, sodass man schnell „durch gezielte Informationen und Empfehlungen an die Öffentlichkeit reagieren kann.“ Etwa über die Medien, die Kreis-Internetseite, die Warn-App BIWAPP, soziale Kanäle. Im Gesundheitsamt gibt es ein Team für Kommunal- und Krankenhaushygiene. Dieses achte bei Begehungen auch auf den Hitzeschutz, prüfe Beschattungs- und Verdunklungsmöglichkeiten. Der Kreis arbeite auch mit einer Kita-Broschüre vom Freistaat, in der Hitzeschutz für kleine Kinder erläutert wird.

Die Hitzeschutzkonzepte sind derzeit in vielen Medien Thema. Der Tenor: zu viele Lücken. Dafür gebe es sicher Gründe, etwa, dass mit der Corona-Pandemie auch eine andere Krise zu managen war. Doch dafür, wie lange der Klimawandel bekannt ist, sei zu wenig passiert. So forderte nun der Präsident der Bundesärztekammer einen nationalen Hitzeschutzplan. Auf der anderen Seite: Mehrere von der SZ angefragte Städte verweisen auch auf die Eigenverantwortung. Immerhin, die meisten nutzen die DWD-Warnungen. Die Löbauer Feuerwehr und die Görlitzer Berufswehr arbeiten tagtäglich damit. Niesky will das DWD-System künftig regelmäßig nutzen. Und viele Städte setzen mehr auf Maßnahmen, um das Klima in der Zukunft zu verbessern.

DWD-Warnungn nutzen viele

Niesky: Dem Klimawandel und dem Anstieg von Wetterextremen werde im Bereich der Bauordnung künftig verstärkt Rechnung getragen, teilt die Verwaltung mit. Grünflächen, Begrünung allgemein und Frischluftkorridore seien bereits ein Thema, geht es um Bebauungs- und Flächennutzungspläne. „In etwaigen Krisensituationen wird ein Team aus relevanten Akteuren der Stadt und ihrer betroffenen Einrichtungen zusammengestellt.“ Etwa Mitarbeiter aus dem Bereich Ordnung und Sicherheit, dem Bauhof, der Feuerwehr.

Görlitz: Ambitionen und Kritik

Die Stadt Görlitz will bis 2030 klimaneutral werden. Dazu gehört die gemeinsame Wärmeversorgung mit Zgorzelec. Außerdem soll für die Innenstadt West ein neues Fördergebiet aufgelegt werden, in dem nachhaltige Investitionen gefördert werden. Regenwasserspeicherung auf dem Wilhelmsplatz ist aktuell Thema. Es ist einiges angeschoben, doch es gibt auch Kritik. Janet Conrad, Vorstandsmitglied der Görlitzer Grünen, kritisiert etwa, dass eine der wichtigsten Maßnahmen im Leitfaden für die klimaneutrale Stadt „aus einem in weiten Teilen mit fossilem Erdgas betriebenen Fernwärmenetz“ bestehe. Sie empfindet die Bemühungen klimaneutral und auch bei der Energieversorgung unabhängiger zu werden, als zu gering.

„Wir verfolgen die verschiedenen Wetterlagen sehr aufmerksam und es sind verschiedene Maßnahmen und Empfehlungen vorgesehen“, erklärt die Stadt Görlitz. Die Verwaltung hat Handlungshinweise erarbeitet, die bei Hitze veröffentlicht werden - sowie vor einigen Tagen. Ähnlich in Löbau. Bestimmte Maßnahmen seien getroffen worden. Auf Hitzeschutz wird etwa bei städtischen Bauarbeiten für Schulen geachtet, „Maßnahmen zum Schutz vor Hitze werden unter anderem auch in den Senioren- und Pflegeheimen getroffen“, doch sei dafür auch der Arbeitgeber zuständig.

"Müssen stärker aktiv werden"

Einen Vorteil hat die Stadt. Von Bodentrockenheit oder extrem niedrigen Flusspegeln ist der Kreis-Süden weniger betroffen als der Norden. „Löbau ist eine sehr grüne Stadt und insgesamt sehr ländlich geprägt“, teilt Sprecherin Eva Mentele mit. Es gebe, auch in Wohngebieten, viele Grünräume, viele öffentliche Grünanlagen. In den vergangenen Jahren habe es im öffentlichen wie im privaten Bereich viele Sanierungen gegeben. „Dabei spielte auch die energetische Sanierung eine bedeutende Rolle.“ Das Statement aus Zittau ist kurz, fasst die Lage aber ganz gut zusammen: Das Thema werde, „auch für uns immer wichtiger“, so Stadtsprecher Kai Grebasch. „Ich gehe davon aus, dass wir hier zukünftig stärker aktiv werden müssen.“