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Wie der Betrieb im neuen Impf- und Testzentrum anläuft

Der Ansturm im alten dm-Markt in Görlitz hält sich in Grenzen. Der Initiator ist dennoch optimistisch und hat bereits Pläne für die Zeit nach der Pandemie.

Von Marc Hörcher
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Schwester Monika Schulze impft im neuen Zentrum der Initiative "Wir helfen Sachsen" einen Patienten gegen Corona.
Schwester Monika Schulze impft im neuen Zentrum der Initiative "Wir helfen Sachsen" einen Patienten gegen Corona. © Martin Schneider/SZ

Schlangestehen vor Corona-Testzentren mit anderen Patienten, die stundenlang auf eine Impfspritze warten - noch vor einem Jahr gab es solche Bilder bundesweit zu sehen. Heute ist alles anders. Die Stuhlreihen im Wartebereich des neuen Corona-Impf- und Testzentrums am Görlitzer Demianiplatz sind leer an diesem Mittwochvormittag. Viel los ist wahrlich noch nicht in den 450 Quadratmeter großen Räumlichkeiten des ehemaligen dm-Markts. Immerhin: Fünf Leute haben sich innerhalb der ersten 40 Minuten Öffnungszeit impfen lassen, berichtet August Friedrich, Betreiber der neuen Einrichtung. Er ist optimistisch und schätzt, dass es bis Ende des Tages etwa 25 sein werden, wenn es in diesem Tempo weitergeht. Dabei reichen die Kapazitäten nach Angaben des Initiators theoretisch aus, um 350 Menschen pro Tag zu impfen und 200 weitere zu testen. Momentan sind fünf Schwestern und drei Ärzte dort beschäftigt, das Personal solle aber noch aufgestockt werden.

Frisch geimpft kommt Rentnerin Erika Helm aus der Kabine. Sie hat sich ihre vierte Spritze zum Schutz vor Covid-19 abgeholt. „Ich will meine Sicherheit haben, dass es nicht so drastisch ist, falls bei mir etwas auftritt“, sagt die Görlitzerin. Die Organisation im Impfzentrum bewertet sie als „ausgezeichnet“. Sie ist spontan ohne Anmeldung hergekommen, hat die Einkaufstüten noch in der Hand. „Bei meiner vorletzten Impfung habe ich mir dreieinhalb Stunden lang vor dem Klinikum die Beine in den Bauch gestanden und gefroren“, erinnert sie sich. Nun ist sie froh, dass es diese neue Möglichkeit gibt und angenehm überrascht, „dass hier kein totaler Andrang herrscht“.

Besondere Werbeaktion geplant

Geimpft wird jeweils mittwochs und sonnabends von 9 bis 11 und von 16.30 bis 18.30 Uhr. Testungen werden wochentags von 7 bis 17 Uhr angeboten, sowohl die PCR-Tests als auch Antigen-Schnelltests. Letztere gibt es dort für alle Bevölkerungsgruppen kostenfrei, also auch für diejenigen, die sich beispielsweise vorsorglich vor einer Veranstaltung testen und normalerweise eine Selbstbeteiligung von drei Euro zahlen müssten. Doch diese kostenlose Möglichkeit wird bislang kaum genutzt. Wie eine Mitarbeiterin erklärt, lässt sich die Zahl der Testwilligen pro Tag meist an zwei Händen abzählen.

August Friedrich, Inhaber des Impfzentrums, Demianiplatz 16-17, in Görlitz und seine Mitarbeiterin Schwester Elke, die ihren Nachnamen nicht verraten will.
August Friedrich, Inhaber des Impfzentrums, Demianiplatz 16-17, in Görlitz und seine Mitarbeiterin Schwester Elke, die ihren Nachnamen nicht verraten will. © Martin Schneider/SZ

Dass es zunächst langsam anläuft, beunruhigt den Initiator nicht. „Wir sind überzeugt, dass von Woche zu Woche mehr Leute kommen werden“, sagt Friedrich. Das Angebot des am Sonnabend neu eröffneten Zentrums müsse sich erst noch rumsprechen. Um das weiter anzukurbeln, sei eine „besondere Werbeaktion“ geplant, auf deren konkreten Inhalt er nicht genau eingehen möchte. Friedrich, der in Dresden wohnt und studiert, stammt ursprünglich aus Olbersdorf bei Zittau. Mittlerweile betreut er mit seinem Team der Initiative „Wir helfen Sachsen“ die Impfkampagnen von der Mehrheit der sächsischen Landkreise, weitere Standorte sind neben Görlitz Zittau, Kamenz und Hoyerswerda.

Fragt man Görlitzer Passanten, die am Impf- und Testzentrum vorbeilaufen, ist Corona in deren subjektiver Wahrnehmung vor allem eines: vorbei. Die meisten Befragten erklären, sich entweder gar nicht mehr oder nur bei Symptomen zu testen.

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Tatsächlich besitzen 95 Prozent der Bevölkerung laut einer Studie des Bundesforschungsministeriums bereits Antikörper gegen Corona - sei es durch Impfung, Genesung oder beides. Laut Robert-Koch-Institut sind im Landkreis Görlitz 70,7 Prozent der Einwohner durch Impfung grundimmunisiert. Das liegt unter dem Bundesdurchschnitt, aber immerhin oberhalb des Schnitts in Sachsen. Als der alte dm-Markt gerade umgebaut wurde, habe mancher Passant beim Vorbeigehen gar argwöhnisch geraunt, berichtet eine von Friedrichs Mitarbeiterinnen: „Schon wieder ein Impfzentrum, muss das denn sein?“, äußerten sie.

Von solchen Unkenrufen lässt sich Friedrich nicht beirren, will lieber jetzt die Region vorbereiten für einen eventuellen Anstieg der Infektionszahlen als zu spät. „Wir bleiben“, verspricht er - und hat sogar schon Pläne für die Zeit nach der Pandemie. Dann will er die bestehenden Zentren nutzen, um die Region anderweitig medizinisch zu versorgen, um dem Hausarzt-Mangel entgegenzuwirken oder auch dem Mangel an Fachärzten wie Dermatologen. Auch das Impfen gegen eine Grippewelle sei mit seinen Zentren möglich. Wie eine solche medizinische Versorgung konkret aussehen könnte, darüber sei „Wir helfen Sachsen“ im Gespräch mit dem Landkreis.