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Impfzentrum: Fast zur Hälfte Auswärtige

Der Landkreis Görlitz zieht eine erste Bilanz der Impfkampagne - und ist optimistisch. Aber bei manchen Zahlen schneidet der Kreis nicht gut ab.

Von Susanne Sodan
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Im April wurde in Zittau ein kommunales Impfzentrum eingerichtet. Auf die kommunalen Termine will der Kreis weiter setzen.
Im April wurde in Zittau ein kommunales Impfzentrum eingerichtet. Auf die kommunalen Termine will der Kreis weiter setzen. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Eine große Blackbox ist der Herbst. "Die Delta-Variante ist ja in aller Munde", sagt Martina Weber, Sozialdezernentin des Landkreises Görlitz. Im Kreis Görlitz wurde am vorigen Freitag ein erster Fall der Virusmutation gemeldet. Deshalb gab es nun eine Auswertung des bisherigen Impfgeschehens - und Überlegungen seitens des Kreises, über welche Maßnahmen sich eine mögliche weitere Coronawelle abflachen lassen würde.

So viele Menschen wurden bislang im Kreis Görlitz geimpft

Mit Stand vom Mittwoch wurden laut DRK Sachsen im Impfzentrum Löbau rund 123.800 Impfen vergeben, darunter 77.000 Erst- und 55.800 Zweitimpfungen. Die mobilen Teams haben rund 36.000 Impfungen vergeben, erzählt Matthias Reuter, Pflegekoordinator im Landkreis Görlitz. Nachdem die mobilen Teams in den Pflegeheimen und anderen Einrichtungen unterwegs waren, impfen sie jetzt größtenteils in den lokalen, kurzfristigen Impfzentren, die Kommunen mit dem Landkreis organisiert hatten. Bei den Haus- und Fachärzten wurden bislang rund 57.000 Impfdosen verimpft, darunter 29.000 Erstimpfungen.

Martina Weber ist Sozialdezernentin des Kreises Görlitz.
Martina Weber ist Sozialdezernentin des Kreises Görlitz. © Nikolai Schmidt

Impfzentrum Löbau: 43 Prozent der Patienten kommen von außerhalb

Bei manchen Impffragen war im Kreistag kürzlich von einer Blackbox die Rede. Einiges ist jetzt klarer. Zum Beispiel, wie viele Personen, die im Impfzentrum einen Termin erhalten haben, tatsächlich aus dem Kreis Görlitz kommen. Dass auch Menschen aus anderen Regionen für ihre Impfung nach Löbau gefahren sind, war auch bisher bekannt - alleine durch die Nummernschilder auf dem Parkplatz. Es ist auch erlaubt, man kann sich sein Impfzentrum in Sachsen frei wählen. Vor allem viele Bautzener haben sich in Löbau impfen lassen, fast 15.000. Als einen Grund nimmt Reuter an, dass es dort keine lokale, temporäre Impfzentren gibt wie im Kreis Görlitz. Außerdem sei das dortige Impfzentrum kleiner. Insgesamt kamen bislang 43 Prozent der Patienten im Impfzentrum Löbau nicht aus dem Kreis Görlitz.

Es wird leichter, einen Termin zu bekommen

Zu wenig Impfstoff, das war immer wieder ein Problem, auch in den ersten beiden Juni-Wochen. Insgesamt aber werde die Impfstoffversorgung spürbar besser, erklärte Matthias Reuter. So seien die Termine an den Impfzentren sachsenweit auch nicht mehr innerhalb kürzester Zeit ausgebucht. Das DRK Sachsen hatte dafür auch das Buchungssystem verändert, stellt nicht mehr alle Termine der Woche zum gleichen Zeitpunkt frei, sondern gestaffelt. "Wir hatten am Montag das erste Mal die Situation, dass die Termine im Impfzentrum Löbau nicht nach ein, zwei Stunden weg waren." Auch die Stabilität der Buchungsseite sei deutlich gestiegen. Bei den Hausärzten im Kreis Görlitz impfen derzeit 164 von 410 Praxen. Auch die mobilen Impfteams bleiben bestehen, zwei im Landkreis Görlitz, etwa für die kommunalen Impftermine. Sie hatten in der zweiten und dritten Juni-Woche Rekord-Zahlen zu vermelden, vergaben täglich 351 Dosen, erzählt Matthias Reuter.

Wie sieht die Impfquote im Kreis aus?

Etwa 40 Prozent der Menschen im Kreis Görlitz haben die Erstimpfung erhalten. Personen aus anderen Kreisen hat der Kreis rausgerechnet. Im Vergleich zu vielen anderen Regionen allerdings hinkt der Kreis damit hinterher. So haben bundesweit laut RKI 52,2 Prozent der Bevölkerung die Erstimpfung erhalten, sachsenweit 46,4 Prozent. Spitzenreiter ist Bremen mit 59,2 Prozent. Ausschlaggebend bei der Impfquote ist die Zweitimpfung. Die haben bundesweit etwa 33,5 Prozent erhalten, in Sachsen 32,7 Prozent der Bevölkerung. Spitzenreiter ist hier das Saarland mit 40 Prozent. Eine gute Impfquote weist der Kreis Görlitz bei den über 80-jährigen Menschen inzwischen auf. Etwa 18.000 von rund 25.000 über 80-Jährigen sind inzwischen geimpft, 72 Prozent.

Großer Zulauf zu kommunalen Impfterminen

Der Kreis hat den Zulauf bei den verschiedenen Impfstellen - Impfzentrum, lokale Impfzentren, Ärzte - nach Postleitzahl der Patienten ausgewertet: Je weiter weg vom Impfzentrum Löbau die Menschen wohnen, desto weniger buchen sie dort einen Termin. So haben sich etwa in Weißwasser, Schleife, Boxberg, Rothenburg weniger als zehn Prozent beim Impfzentrum angemeldet. Die meisten Menschen, über 15 Prozent, die das Impfzentrum angesteuert haben, kommen aus der Landkreis-Mitte. Auch in Rietschen im Norden und Jonsdorf und Oybin im Süden haben sich viele für das Impfzentrum entschieden. Aus der Auswertung geht auch hervor, dass die lokalen, temporären Impfzentren in vielen Gemeinden großen Zulauf hatten - besonders im Norden, wo sich weniger für das Impfzentrum Löbau entschieden hatten: Rietschen, Hähnichen, Horka, Kodersdorf, Rothenburg. Zum Beispiel in den Gemeinden Niesky und Hohendubrau wurden bei solchen Kommunalterminen 1.500 Menschen geimpft. In Görlitz im Klinikum waren es 1.800 Personen, in Weißwasser 2.300. In manchen Gemeinden aber wie Großschönau, Herrnhut, Oderwitz, Mittelherwigsdorf war weder der Zulauf zum Impfzentrum Löbau sonderlich stark (10 bis 15 Prozent) noch zu kommunalen Impfzentren. Blieben noch die niedergelassenen Ärzte als Möglichkeit. Dazu liegen dem Kreis aber keine Daten vor.

Angst vor Impfmüdigkeit?

Eine Studie der TU Dresden legt nahe, dass es in Sachsen deutlich mehr Impfskeptiker gibt als bundesweit, gerade in Ostsachsen mit dem Kreis Görlitz. Kürzlich zeigte sich Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping alarmiert, weil Tausende Sachsen ihren Zweitimpftermin ausfallen ließen, sich die zweite Impfung woanders holten oder gar sausen ließen. Dass das in Größenordnung auch in Löbau passiert, dazu liegen ihm keine Informationen vor, erzählt Matthias Reuter. Es habe mitunter Diskussionen gegeben, weil Patienten, die Astra-Zeneca erhalten hatten, nicht so lange auf ihre zweite Impfe warten und deshalb zum zweiten Termin lieber einen anderen Impfstoff wollten, erzählt er. Aber ob über den Sommer eine Impfmüdigkeit eintritt - "ich denke, das können wir erst in einigen Wochen beurteilen, ob die Impfbereitschaft nachlässt, oder ob die Menschen einfach entspannter ihren Termin buchen", weil es etwa mehr Möglichkeiten gibt mit den Arztpraxen und den kommunalen Impfterminen. Martina Weber verwies darauf, dass das Löbauer zu den größten Impfzentren zählt. Wenn sachsenweit nun mehr Impfstoff da und mehr Termine möglich sind, sei es auch möglich, dass Löbau bei Menschen von außerhalb nicht mehr so stark nachgefragt ist - die Entspannung, ein Einpegeln bei der Terminvergabe in Löbau darauf gründet. Von machen Ärzten wisse sie auch, dass die Wartelisten nach wie vor sehr lang seien.

Wie soll es weitergehen?

"Ich war bis vor einigen Wochen sehr skeptisch, ob wir eine Durchimpfung von 70 Prozent erreichen können", sagt Matthias Reuter. Inzwischen sei er aber optimistischer. Für 70 Prozent müssten jetzt noch etwa 75.000 Menschen im Kreis geimpft, also 150.000 Erst- und Zweitimpfungen vergeben werden. Bisher haben wöchentlich die Ärzte rund 6.000 Impfungen vergeben, das Impfzentrum 10.000 und für die mobilen Teams 2.000. Bleibe es so, seien die 70 Prozent bis Mitte September schaffbar, sagt Reuter. Es komme auf verschiedene Faktoren an. Zum Beispiel wie sich die Urlaubszeit bei der Bevölkerung wie auch in den Arztpraxen auswirkt. Auf der anderen Seite steht fest, dass das Impfzentrum auf jeden Fall bis Ende September bleibt, "das ist auch genau richtig", und das weiter kommunale Impftermine mit den mobilen Impfteams möglich sind.