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Bauernproteste im Kreis Görlitz: Busse verspätet - aber das Chaos blieb aus

1.500 Traktoren und andere Fahrzeuge erschweren in den Kreisen Görlitz und Bautzen im Moment den Straßenverkehr. Was noch an diesem Montag zu erwarten ist.

Von Anja Beutler & Sebastian Beutler & Steffen Gerhardt & Carla Mattern
 9 Min.
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Der Demo-Konvoi der Landwirte und Unternehmer am Montagmorgen auf der B115 in Richtung Görlitzer Innenstadt.
Der Demo-Konvoi der Landwirte und Unternehmer am Montagmorgen auf der B115 in Richtung Görlitzer Innenstadt. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Das befürchtete Verkehrschaos ist im Kreis Görlitz am Montagmorgen ausgeblieben. Zwar nahmen deutlich mehr Landwirte mit ihren Fahrzeugen an den Blockaden und Konvois teil, aber die Berufspendler hatten sich auf die Einschränkungen eingestellt und ließen zumeist ihre Fahrzeuge stehen. So war generell weniger Verkehr auf den Straßen, das zeigte sich beispielsweise auf der B6 zwischen Görlitz und Löbau, die zwischen 8.30 und 9 Uhr so frei wie selten war.

Zur Mittagsstunde blockieren Protestler mit den Fahrzeugen in Zittau die Bundesstraße 178 und die Bundesstraße 99. "Die Straßen sind so blockiert, dass niemand in die Stadt rein- oder herauskommt", sagt Anja Leuschner, Sprecher der Polizeidirektion Görlitz der SZ am Montag um 11.33 Uhr. "Die Kollegen sind gerade dabei, diese Situation aufzulösen", so die Polizeisprecherin. Ansonsten habe es nach aktuellem Stand keine gefährlichen Situationen gegeben, bei denen Polizisten einschreiten mussten, um beispielsweise die Durchfahrt von Rettungskräften zu erzwingen.

Die Proteste beeinträchtigten am Montagfrüh den Nahverkehr im Kreis Görlitz. Die gesperrten Autobahnzubringer vor allem sorgten dafür, dass Busse auf den Linien zwischen Niesky und Löbau, Niesky und Mücka, Niesky und Görlitz, Horka und Görlitz sowie Niesky und Reichenbach teils sehr starke Verspätungen hatten. Das sagt Knut Gräbedünkel, Geschäftsführer des Unternehmens Moveas, das für den Landkreis den öffentlichen Nahverkehr absichert. Wegen der Verspätungen konnten auch Anschlussfahrten nicht pünktlich erreicht werden, so Gräbedünkel. Viele Schüler kamen deshalb verspätet zur Schule. An der Service-Hotline (Telefon 03588 2591730) fragten viele nach, ob die Busse fahren. "Da war viel zu tun. Aber die Anrufer beschwerten sich nicht. Es ging ihnen um Informationen", so der Geschäftsführer. Buskunden können sich auch in den sozialen Medien Facebook oder Instagram über Verspätungen oder Ausfälle informieren. Trotz der Beeinträchtigungen seien alle Busfahrer am Morgen dagewesen, bis auf einen. Der steckte im Stau an der A4-Anschlussstelle Görlitz fest. Weil der Busfahrer nicht zum Dienst kam, fielen fünf Fahrten auf den Linien 69, 59, 61 und 60 aus. Wie sich die Lage entwickelt, ob die Schüler ohne Verspätungen mit den Bussen nach Hause kommen? "Das lässt sich nicht vorausschauen", sagt Knut Gräbedünkel "wir müssen sehen, wie sich die Lage entwickelt."

Die Bauernproteste hatten am Montagmorgen begonnen, vornehmlich an den Straßen, die zu und von der A4 führen. 1.500 Traktoren oder landwirtschaftliche Fahrzeuge waren nach Angaben der Polizei seit dem Morgen in den Kreisen Bautzen und Görlitz unterwegs, blockierten Autobahnzufahrten und bremsten den Verkehr auf den Bundesstraßen aus. Die Proteste sollen noch bis 17 Uhr anhalten.

Höhepunkte waren die Fahrzeugkolonnen durch Görlitz und Niesky. Zahlreiche Traktoren und andere landwirtschaftliche Fahrzeuge hatten sich nach 8 Uhr von den blockierten Autobahnzufahrten auf den Weg nach Görlitz und Niesky gemacht. Von Kodersdorf und Görlitz fuhr der Konvoi in die Kreisstadt, von Nieder Seifersdorf nach Niesky. Gegen 8.45 Uhr erreichte der Konvoi Görlitz, wo es in Schrittgeschwindigkeit durch die Innenstadt-West mit Hupkonzert ging, am Straßenrand standen immer wieder, wenn auch vereinzelt Menschen, die den Daumen hoch zeigten.

Auch am Montagmorgen blockierten Landwirte den Kreisverkehr an der B 115 und damit die Auffahrt zur A4.
Auch am Montagmorgen blockierten Landwirte den Kreisverkehr an der B 115 und damit die Auffahrt zur A4. © © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Wie eine Polizeisprecherin gegenüber der SZ mitteilte, sind alle Auffahrten auf die A 4 blockiert, die Abfahrten hingegen nicht. Kurzzeitig war der Grenzübergang Radmeritz/Görlitz-Hagenwerder gesperrt, dort fließt aber gegenwärtig der Verkehr genauso wieder wie an der Görlitzer Stadtbrücke. Gleichwohl ist im gesamten Gebiet mit Behinderungen im Straßenverkehr zu rechnen. Zwischenfälle sind bis zum jetzigen Zeitpunkt der Polizei nicht bekannt geworden.

Auch an der Hornbach-Kreuzung an der B 115 bei Görlitz war am Montagmorgen alles dicht. Auch Bauunternehmen und Spediteure beteiligen sich an den Protesten.
Auch an der Hornbach-Kreuzung an der B 115 bei Görlitz war am Montagmorgen alles dicht. Auch Bauunternehmen und Spediteure beteiligen sich an den Protesten. © Paul Glaser
Das Foto zeigt die Lage am Montagmorgen am Kreisverkehr B 115/A4 bei Görlitz.
Das Foto zeigt die Lage am Montagmorgen am Kreisverkehr B 115/A4 bei Görlitz. © Paul Glaser

Die Landwirte begannen mit ihrer Blockade der A4-Anschlussstellen ab 5 Uhr morgens. In Kodersdorf waren rund 80 Fahrzeuge daran beteiligt, in Görlitz 200 und in Nieder Seifersdorf etwa 100. In Kodersdorf lässt die Polizei Autos schubweise auf der B 115 passieren.

Landwirte und Unternehmer blockieren aus Protest die Autobahnauffahrten und die B115 in Görlitz.
Landwirte und Unternehmer blockieren aus Protest die Autobahnauffahrten und die B115 in Görlitz. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

In Kodersdorf, Nieder Seifersdorf sowie in Görlitz haben sich zahlreiche Fuhrunternehmen, Handwerker und Selbstständige mit eingereiht. Der Protest richtet sich nicht nur gegen den Subventionsabbau in der Landwirtschaft, sondern gegen die Berliner Ampel-Regierung generell. Das ist an den Plakaten zu erkennen, die an den Fahrzeugen befestigt wurden.

Augenscheinlich meiden viele Kraftfahrer heute die B115. Der Stau privater Kfz hält sich bisher in Grenzen. Trotzdem herrscht eine gemischte Stimmung unter den Kraftfahrern im Stau. Teils Zustimmung und Verständnis, aber auch Kritik, weil die Proteste die Bürger treffen.

Staatssekretär Conrad Clemens am Montagmorgen im Gespräch mit Meißner Landwirten. Clemens kandidiert bei der Landtagswahl im September als CDU-Direktkandidat im Löbauer Wahlkreis.
Staatssekretär Conrad Clemens am Montagmorgen im Gespräch mit Meißner Landwirten. Clemens kandidiert bei der Landtagswahl im September als CDU-Direktkandidat im Löbauer Wahlkreis. ©  privat

Während einzelne AfD-Autos mit in dem Konvoi durch Görlitz fuhren, die Partei auch zu Kundgebungen in Weißwasser und Zittau aufgerufen hat, traf sich der Löbauer CDU-Direktkandidat Conrad Clemens bei Dresden mit jungen Landwirten aus Meißen. "Die Stimmung ist friedlich, aber energisch", erklärte er gegenüber der SZ. "Ich unterstütze den Protest der Bauern gegen die falsche Politik der Ampel." Schon im Vorfeld der Bauernproteste hatten sich CDU und SPD im Kreis Görlitz wie auch der Zittauer Unternehmerverband mit dem Anliegen der Landwirte solidarisch gezeigt.

Auftakt bereits am Sonntagabend bei Görlitz

Mit einer ersten Blockade der Autobahnauffahrten in Görlitz und Kodersdorf hatten Landwirte im Kreis Görlitz bereits am Sonntagabend die bundesweite Protestwoche gegen die Politik der Bundesregierung eingeläutet. Früher als in den anderen Gegenden Sachsens setzten die Bauern damit im Kreis Görlitz zwischen 17 und 19 Uhr ein erstes Zeichen und blockierten die Zufahrten von der B115 zur A4 in Görlitz und Kodersdorf.

Augenzeugen berichteten, dass in Görlitz anfangs nicht nur die Zufahrt, sondern auch der Kreisverkehr dicht war, die Trecker machten dann jedoch für den Durchgangsverkehr in Richtung Niesky und Görlitz Platz. Laut Polizei gab es keine Probleme, alles sei friedlich verlaufen. Zu den Blockaden kam aber hinzu, dass die Bundespolizei ihre Grenzkontrollen zu Polen fortsetzte, was weitere Verkehrsbehinderungen bewirkte.

Die Blockade der Autobahnauffahrten durch Landwirte führte zu langen Staus auch auf den umliegenden Bundesstraßen.
Die Blockade der Autobahnauffahrten durch Landwirte führte zu langen Staus auch auf den umliegenden Bundesstraßen. © Paul Glaser/glaserfotografie.de
Kritik und Forderungen haben die Landwirte an ihren Traktoren angebracht.
Kritik und Forderungen haben die Landwirte an ihren Traktoren angebracht. © Paul Glaser/glaserfotografie.de
Die Autobahnauffahrten waren blockiert, die Abfahrten sind frei. Auf der Autobahn rollte der Verkehr.
Die Autobahnauffahrten waren blockiert, die Abfahrten sind frei. Auf der Autobahn rollte der Verkehr. © Paul Glaser/glaserfotografie.de
Die Bundesstraßen rund um die Zufahrten der Autobahn waren ebenfalls gut befahren.
Die Bundesstraßen rund um die Zufahrten der Autobahn waren ebenfalls gut befahren. © Paul Glaser/glaserfotografie.de

Bauern von Handwerkern und Unternehmern unterstützt

Aufgerufen zum Protest hat der Verein „Land schafft Verbindung“, der bereits kurz vor Weihnachten Blockaden der Bundesautobahnen in ganz Sachsen organisiert hat. Dieses Mal haben sich jedoch auch der Bauernverband sowie der Allgemeine Unternehmerverband Zittau, verschiedene Firmen, Handwerker und Gastronomen im Kreis dem Protest gegen die Regierungspolitik angeschlossen. Das wird im Alltag für alle deutlich spürbar sein.

So beginnen polnische und deutsche Landwirte am Montagmorgen ab 4.30 Uhr erneut mit einer Blockade der A4-Zufahrten an der deutsch-polnischen Grenze. Neben der deutschen Agrarpolitik steht hier vor allem auch die Kritik an ukrainischen Getreideimporten im Fokus. Die Blockade der A4-Zufahrten in Görlitz, Nieder Seifersdorf und Kodersdorf ist am Montag bis 17 Uhr geplant. In derselben Zeit wird der Verkehr auf der B96 in Oppach ausgebremst. Auf der B6 und durch Görlitz ist ein Autokorso zwischen 8 und 11 Uhr angekündigt. Weitere Proteste sind unter anderem für Zittau (11 bis 19 Uhr) und Bad Muskau (8 bis 16 Uhr) angekündigt.

Läden bleiben geschlossen

Auch Unternehmer schließen sich an: Fleischer Gruske lässt am Montag sein Geschäft in Görlitz geschlossen. Er unterstützt damit die Proteste von Bauern, Handwerkern, Transportunternehmern, lässt er seine Kunden wissen. Und das Görlitzer Joliot-Curie-Gymnasium schrieb an die Eltern, dass der Unterricht trotz Bahnstreiks und Bauernprotestes wohl planmäßig laufen werde. Weil die meisten Schüler nur den Weg durch die Stadt haben, weniger aus dem Görlitzer Umland zum Curie-Gymnasium kommen. Schüler, die aber nicht zur Schule gelangen kommen, wegen der Verkehrsbehinderungen, sollen eine Krankmeldung abgeben. Zwei Beispiele, welche Reaktionen es auf die angekündigten Proteste bereits am Freitag gab. Da fragten sich viele, ob es tatsächlich so schlimm werde. Am Sonnabend steht fest: Ja. Danach sieht es tatsächlich aus. Denn von den Organisatoren gibt es immer wieder neue Informationen.

Görlitz und Zgorzelec werden im Kreis Görlitz aus jetziger Sicht zum Zentrum der Proteste. Dafür sorgen am Montag ab 4.50 Uhr deutsche und polnische Landwirte mit einer Demo am A4-Grenzübergang. Da protestieren laut Veranstalter „Land schafft Verbindung“ polnische und deutsche Bauern gemeinsam unter anderem gegen Getreideimporte aus der Ukraine. Wie sich im Laufe des Wochenendes herumsprach, planen die Polen auch die Autobahnauffahrt Zgorzelec stillzulegen. Diese Zufahrt dicht und die Görlitzer - dann muss jeder Verkehr durch die Städte Görlitz und Zgorzelec durch. Das wird für Staus, verstopfte Straßen und nur langsames Durchkommen sorgen. Ob Stadtbusse Nahverkehrsbusse und Straßenbahnen davon unbehelligt bleiben und planmäßig fahren - das ist eher nicht zu erwarten.

Auch auf der B96 wird protestiert

Neu gemeldet ist ein Protest entlang der B 96 – eine ebenso wichtige Straße im Landkreis wie die B115. Da werden Landwirte am Montag von 4.30 Uhr bis 17 Uhr protestieren – und der Verkehr keinesfalls normal fließen. Ein Sorgenkind sei das, sagt Susanne Lehmann aus dem Büro des Landrates Stephan Meyer (CDU) am Freitag der SZ. Der Landrat werde am Montag möglicherweise auch bei protestierenden Bauern vorbeischauen, so Lehmann. Ob in Oppach an der B96 oder anderswo - das stand am Freitag noch nicht fest. Für alle, die informiert sein wollen, wo die Proteste stattfinden und der Verkehr beeinträchtigt ist, empfiehlt Susanne Lehmann die Internetseite des Kreises Görlitz (www.kreis-goerlitz.de). Da wurden erste Infos am Wochenende präzisiert und aktualisiert.

Bereits am Freitag wies eine Sprecherin der Stadt Görlitz auf die Auswirkungen für den Verkehr in der Stadt hin. Am Montag sei mit einem erheblichen Verkehrsaufkommen in Görlitz zu rechnen, teilt die Stadtverwaltung mit. Wegen der Behinderungen in der Zeit von 6 bis etwa 10 Uhr auf der B6/B115 sowie auf der A4 muss der grenzüberschreitende Verkehr in dieser Zeit auf die Übergänge Stadtbrücke und Hagenwerder ausweichen. Noch nicht bekannt war, als am Freitag die Mitteilung rausging, dass die Autobahnblockaden am Montag bis 17 Uhr dauern sollen.

Fest stand allerdings die Strecke, die die Landwirte mit ihren Fahrzeugen durch Görlitz für ihren Autokorso nehmen werden, der zwischen 8 und 11 Uhr angekündigt ist. Der Aufzug beginnt auf der B 6/Anschlussstelle Görlitz und bewegt sich dann weiter über die B 99, Laubaner Straße, Nieskyer Straße, Zeppelinstraße, Christoph-Lüders-Straße, Teichstraße, Luisenstraße, Krölstraße, Bahnhofstraße, Kreisverkehr am Kino, zurück über Bahnhofstraße, Brautwiesenplatz, Brautwiesenstraße, Rauschwalder Straße, Reichenbacher Straße, Görlitzer Straße auf die B 6, wo der Aufzug sich auflösen wird. Solche Korso-Fahrten mit Traktoren sind auch für Zittau und Niesky angekündigt.

Die Polizei wird wie schon vor Weihnachten die Demos absichern. Dass Rettungskräfte trotz der Proteste im Notfall freie Fahrt haben, das hat die Versammlungsbehörde den Anmeldern der Bauernproteste zur Bedingung gemacht. Das werde man notfalls auch durchsetzen, sagt der Polizeisprecher. Bei den Protesten von Bauern vor Weihnachten gab es damit allerdings keine Probleme.